Vorletzte Worte. Joesi Prokopetz
man mit Onkel Schmalschuh im Gasthaus aß und der Ober routinemäßig fragte, wie es denn geschmeckt hätte, so beeilten sich alle beifällig zu nicken und Gemeinplätze wie »ausgezeichnet« oder »hervorragend« zu äußern, während Onkel Schmalschuh ohne jegliches Engagement brummte: »No, gar so hervorragend war’s auch wieder nicht!« Und es stimmte. Das Schnitzel hatte etwas Lappiges gehabt, der gemischte Salat hatte gummig geschmeckt, und wenn man ehrlich war, so war die Hühnerbrust nicht ganz durch gewesen. Es war zwar alles diesseits der Reklamation, aber es war weit davon entfernt, »hervorragend« zu sein.
Besonders traf es einen, wenn man von eigenen Leistungen erzählte. Wenn zum Beispiel jemand sagte, dass er seinem Vorgesetzten einmal die Meinung gesagt hatte, und das mit den Worten »No, dem hab ich’s aber eineg’sagt« beschrieb, so kommentierte Onkel Schmalschuh einfach: »No gar so mei Liaba wird’s schon nicht gewes’n sein«, und schon war alles auf das banale Maß der Wirklichkeit zurückgeschraubt und das »Hineinsagen« bestenfalls auf ein halbherziges Widersprechen reduziert. Der Alltag bietet uns kein »mei Liaba« und kein »hervorragend« und schon gar kein »Mein Gott, war das schön«. Und darum wollen wir immer das Wundervolle und das Großartige herbeizitieren, indem wir jedem läppischen Vorkommnis den Nimbus des Besonderen andichten.
Ja, ein Mal ist jeder Mann Held des Tages, ein Mal ist jede Frau die allerschönste, ein Mal können wir so viel Glück gar nicht verkraften, und das sind dann die wunderbarsten Augenblicke in unserem Leben.
Aber: Gar so wunderbar sind sie auch wieder nicht.
Viele versuchen diesen realen Untiefen des Seins durch Sport davonzulaufen. Wie viele Sportler scheuen keine Anstrengung und im Spitzensport keine Droge, um ihren Körper durch extremes Abverlangen, ja Abringen von für die Menschheit völlig irrelevanten Höchstleistungen so in den Vordergrund zu drängen, dass ihr Kopf ganz leer wird. Und Gedanken, die den einen oder anderen Tag bedeutend machen könnten, gar nicht mehr wahrnehmen. Die Letzten werden die Ersten sein, und die Ersten werden die Verletzten sein. Ein Weltklasse-Sportler darf »nichts anderes im Kopf« haben, wie man sagt, als seinen Sport.
Die Zeit macht uns alles zunichte. Ganz gleich, was wir tun.
Und wenn einem oder einer seine oder ihre Zeit dann wirklich schon fast vergangen ist, sagen sie resigniert, aber verwundert: »Mein Gott, wo sind die Jahre?«
Aber das weiß dann »Gott« auch nicht.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.