Das Geheimnis der Reformatorin. Bettina Lausen

Das Geheimnis der Reformatorin - Bettina Lausen


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Bärtige zuckte mit den Schultern. »Er war doch bereits mittellos. Wer sagt, dass sich darin überhaupt noch Münzen befunden haben? Vielleicht hat Bechtolt selbst nach Geld gesucht und war so verzweifelt, dass –«

      »Heute Morgen waren noch ein paar Münzen darin. Ich habe zwei Pfennige entnommen, um auf dem Markt Gemüse zu kaufen«, meldete sich Figen zu Wort. Die Männer konnten doch nicht ernsthaft annehmen, Bechtolt hätte sich eigenhändig das Leben genommen.

      Margret warf ihr einen bösen Blick zu. Wovon hätte sie denn sonst das Gemüse auf dem Markt bezahlen sollen?

      »Ach! Habt Ihr das Geld gar entwendet?«, fragte der Bärtige.

      Mergentheim trat vor. »Jetzt hört auf, die Frauenzimmer zu verdächtigen! Man sieht doch auf den ersten Blick, dass das kein Werk einer Frau gewesen sein kann.«

      Die Männer diskutierten eine Weile. Figen wandte sich ab und trat in den Hof, sie konnte das Geschwätz nicht ertragen. Sie setzte sich auf die Bank, schloss die Augen und streckte den Kopf dem Nieselregen entgegen, der sich haarfein auf ihr Gesicht legte. Wie sollte sie Jonata nur das Ableben ihres Vaters erklären?

      Figen hatte keine Eltern mehr und wusste, wie es sich anfühlte, geliebte Menschen zu verlieren – vor allem wenn sie gewaltsam aus dem diesseitigen Leben gerissen wurden. Sie dachte an ihre Mutter, ihren Vater und ihre Kindheit auf dem Lande, als sie noch unbeschwerte Tage erleben durfte. An den umherstreunenden Hund, dem sie heimlich Fleischreste zugesteckt hatte, und an die riesige Eiche, auf der sie mit dem Nachbarskind umhergeklettert war.

      »Kommst du mit?«, rief Elisabeth, als sie mit Margret zurück zum Haus ging. Auch die Gewaltdiener kamen mit Mergentheim aus der Brauerei und verschwanden.

      Figen rührte sich nicht, genoss die wohltuende Kühle auf ihrer Haut. Irgendwann setzte sich Kuntz neben sie. Sie wischte sich die Tränen ab, die sich auf ihr Gesicht gestohlen und mit dem Regenwasser vermischt hatten. Kuntz sah sie mit großen Augen an. Sie legte einen Arm um ihn und drückte ihn an sich. »Es war etwas viel heute, nicht wahr?«

      Er zog etwas aus seinem Beutel und hielt es ihr auf der flachen Hand hin. Eine Münze.

      »Wo hast du die her?«, fragte sie und griff instinktiv danach.

      »Sie lag neben Vater.«

      »Wann? Als wir ihn nach dem Marktbesuch gefunden haben?«

      Kuntz nickte.

      »Wieso hast du sie den Gewaltdienern nicht gegeben?«

      Er zuckte mit den Schultern. »Sie waren unfreundlich.«

      Das waren sie in der Tat gewesen. Figen betrachtete das Geldstück. Es war eine Prägung aus Bonn. Es handelte sich nicht um eine Münze aus Bechtolts Schatulle, so viel stand fest. Hatte der Mörder sie verloren?

      Die Gewaltdiener hatten nicht den Anschein gemacht, als wollten sie nach dem wahren Täter forschen. Vielleicht war es besser, wenn sie selbst im Besitz des Geldstückes blieb. So mochte sie möglicherweise ergründen können, wer Bechtolt die Kehle durchgeschnitten hatte. Sie verstaute die Münze in ihrem Beutel.

      »Das ist meine!«, protestierte Kuntz.

      »Ich verwahre sie für dich, und sobald wir wissen, wer deinen Vater auf dem Gewissen hat, gebe ich sie dir zurück. Versprochen!«

      Er verzog den Mund. »Wann wird das sein?«

      Sie strich ihm über den Kopf. »Bald! Ganz bald.«

      Hoffentlich würde es wirklich so sein.

      KAPITEL 2

      Während der Lobgesänge der Terz schielte Enderlin zu den Klosterschülern, die sich in den hinteren Reihen aneinanderquetschten. Viele junge Bengel und zwei Ältere, die wohl zehn Lenze zählten. Einer mit schwarzen Haaren, aufmerksamen Augen und einer kräftigen Stimme. Der andere blond und schmächtig. Er ließ die Schultern hängen, den Blick nach unten gerichtet, hielt den Mund bei den Gesängen geschlossen.

      Ja, der Blonde schien ihm geeignet. Sicherlich benötigte er noch ein geistliches Vorbild und würde sich an ein Versprechen und Verschwiegenheit halten, wenn er im Gegenzug in die Gebete eines Mönches eingeschlossen wurde. Bei den Fürbitten bat Enderlin in Gedanken um Gottes Beistand und Führung für sein Vorhaben. Heute war der Tag. Hoffentlich würde der Brief sein Ziel erreichen.

      Während des Auszuges aus der Abteikirche behielt Enderlin den Blondschopf im Auge. Der Schwarzhaarige flüsterte ihm etwas zu. Brachte Bruder Gregor seinen Zöglingen keine gottesfürchtige Demut bei?

      Enderlin holte die Putzsachen und folgte den Scholaren in das Schulgebäude. Heute war er für die Säuberung des Eingangsbereichs zuständig. Er seufzte. Dicke Lehmklumpen und Stroh klebten am Boden. Die Schüler hatten noch nicht gelernt, ihre Schritte mit Bedacht zu setzen, und trugen den ganzen Morast mit herein.

      Enderlin fegte den groben Schmutz zusammen. In der angrenzenden Kammer sangen die Zöglinge den vierten Psalm.

      »Irascimini et nolite peccare quae dicitis in cordibus vestris in cubilibus vestris conpungimini diapsalma.« – Zürnet und sündigt nicht! Denkt nach in eurem Herzen und auf eurem Lager und werdet still.

      Da sangen sie vom Schweigegebot Gottes. Wieso hielten sie sich nicht daran? Wenn er die Scholaren unterrichten würde, würden sie lernen, Gottes Gebote zu wahren.

      Was dachte er da nur? Er war ja kein Magister. Aber alles war besser als das Putzen. Gern hätte er wieder im Brauhaus gearbeitet wie vor fünf Jahren, bevor er als Subprior die rechte Hand des Inquisitors geworden war. Doch auch diese Tätigkeit gedachte ihm der Prior nicht wieder zu übertragen.

      Enderlin kehrte den Dreck nach draußen, gab Scheuersand und Wasser auf den Boden und machte sich daran, die Steinplatten zu bearbeiten. Lange würde es nicht mehr dauern. Dann konnte ein anderer Bruder das Putzen übernehmen, und der Prior würde ihm die Füße küssen und ihm jede Tätigkeit zusprechen, die er erbat.

      Es wurde still in der Schulstube, wahrscheinlich mussten die Schüler nun den Psalm auf ihre Wachstafeln schreiben. Bald würden sie hier an ihm vorbeikommen. Bruder Gregor ließ seine Zöglinge jeden Tag im Klostergarten arbeiten. Doch heute schien der Ordensbruder die Bengel lange an den Schreibübungen sitzen zu lassen.

      Auch als Enderlin mit dem Boden fertig war, hatte sich die Tür noch nicht gerührt. Musste er sein Vorhaben verschieben? Er brachte das Putzzeug in den Schuppen und begab sich zu den zwei Brüdern im Klostergarten. Der süßlich-herbe Braugeruch wehte vom angrenzenden Brauhaus herüber und entführte ihn in vergangene Zeiten, als der Erdkreis noch an seiner richtigen Stelle schwamm.

      Enderlin schob die Gedanken beiseite. Mit schnellen Bewegungen zupfte er das Unkraut aus der Erde und hielt dabei die Schule im Auge.

      Endlich kam Gregor mit den Scholaren heraus. Die Zöglinge gesellten sich zu ihnen und begannen mit der Gartenarbeit. Der Magister begab sich zur Latrine, während die zwei großen Jungen mit Eimern zum Brunnen schlenderten, der sich zehn Schritte neben dem Abort befand. Enderlin folgte den beiden. In Gedanken bat er Gott um Vergebung für das Brechen des Schweigegebots.

      Die Scholaren ließen einen Eimer in den Brunnen hinab. Sie sahen Enderlin überrascht an, als er zu ihnen trat. »Auf ein Wort«, sagte er an den Blonden gewandt. Die zwei tauschten verwirrte Blicke. Enderlin machte dem Schwarzhaarigen mit einer Kopfbewegung deutlich, dass er zurück in den Garten verschwinden sollte. Kurz zögerte er, dann zog er ab. Enderlin half dem Blondschopf, den vollen Bottich hinaufzuziehen.

      »Kennst du den Brauer Sebalt Magnus?«, flüsterte er, damit die Brüder im Klostergarten ihn nicht hören konnten. Er schielte zur Latrine, doch Bruder Gregor war noch nicht herausgekommen.

      Der Junge schüttelte den Kopf.

      »Kennst du die Schaafenpforte nahe Sankt Aposteln?«

      Diesmal nickte der Kleine. Dem HERRN sei Dank.

      »Frag nach dem Haus an der alten Eiche. Dort wirst du Familie Magnus antreffen.«

      Ob


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