Falsches Spiel in Brodersby. Stefanie Ross

Falsches Spiel in Brodersby - Stefanie Ross


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folgte seinem Blick und prostete ihm zu. Lena illustrierte Bücher, hatte sich aber auch mit ihren Bildern mittlerweile einen Namen gemacht. Tagelang hatte sie eine hellgraue Wand mit Fantasiefiguren bemalt, die dem Kinderzimmer eine individuelle Note verpassten. Unzählige Kartons und Tüten standen in einer Ecke und warteten darauf, ausgepackt zu werden. Jan hatte keine Ahnung, wofür der ganze Kram sein sollte, doch das würde er schon noch herausfinden.

      »Lasst uns nach unten gehen«, schlug er vor.

      Kaum hatten sie es sich in der Esszimmerecke bequem gemacht, fasste Jörg die Ereignisse am Steilufer für Jo zusammen.

      Der ehemalige Kampfschwimmer pfiff leise durch die Zähne. »Das wäre für den Tourismus überhaupt nicht gut, wenn das Zeug nun auch hier angeschwemmt wird.«

      »Kann das denn überhaupt sein?«, hakte Jan sofort nach. Als Jörg ihn mit erhobener Augenbraue ansah, präzisierte er seine Frage. »Logisch, der Brocken war ja da. Ich meine, ob das eine totale Ausnahme war oder ob ab sofort öfter mit dem Mist zu rechnen ist. Ich dachte, Phosphor findet man in anderen Küstenbereichen.«

      Jo blickte an Jan vorbei durch das Küchenfenster hinaus auf die Ostsee. »Gute Frage, ich mache mich mal schlau.« Er musterte die beiden Männer streng. »Ihr wisst hoffentlich, dass der Dreck aus dem Zweiten Weltkrieg stammt, und das war weit vor meiner aktiven Zeit!«

      Jan und Jörg grinsten sich an.

      »Alles gut, Jo. Niemand hält dich für einen Weltkriegsveteranen«, beschwichtigte Jörg ihn.

      »Genau, wir wissen, dass du ein ›Kalter Krieger‹ warst«, fügte Jan hinzu und spielte auf die Zeit des Ost-West-Konflikts an, in der Jo an geheimen Missionen der Bundeswehr teilgenommen hatte.

      »Macht nur so weiter und ihr …«

      Jörg schob ihm sein Smartphone zu. »Reg dich nicht auf. Uns ist dieses Boot aufgefallen. Mehr als ein schlechtes Gefühl haben wir aber leider nicht anzubieten. Sagt dir der Kahn was?«

      Jo kratzte sich am grauen Vollbart, während er sekundenlang das Bild studierte. »Schon so’n büschen merkwürdig, dass der Mist nicht nach einem Sturm angespült worden ist. Das Boot ist für eine Tauchfahrt ausgerüstet, aber das habt ihr Landratten wohl selbst bemerkt.«

      Jan nickte. »Aber wer taucht denn bei dem Wetter? Das ist doch selbst mit Topanzügen total kalt und unangenehm.«

      Jo murmelte etwas, das wie »Weichei« klang, und blickte Jan spöttisch an. »Es gibt Taucher, die lieben diese Temperaturen.«

      »Und was sind das für Idioten?«, fragte Jörg.

      »Minentaucher«, übernahm Jan die Antwort. Erst jetzt fiel ihm ein, dass die niedrigen Temperaturen bei der Bergung von Munition und Kampfmitteln geschätzt wurden.

      »Ganz genau«, bestätigte Jo. »Wenn du mich fragst, ist das sogar die einzige Erklärung, warum der Phosphor angespült worden ist.«

      »Eine schlampige Bergung?«, überlegte Jörg laut. »Wer sollte denn so einen Mist freiwillig hochholen?«

      »Keine Ahnung«, erwiderte Jo, »aber etwas sagt mir, dass wir bald Experten für dieses Thema sind. Ich schicke mal eine WhatsApp an Felix. Er ist bestimmt froh, wenn er was zu tun bekommt. So’n paar Recherchen sind genau das, was er braucht.«

      »Kennst du denn das Boot?«, hakte Jan nach.

      »Nö. Nie gesehen und das verrät uns ja auch was. Aus Kappeln oder Olpenitz stammt der Kahn nicht, dann würde ich den kennen.«

      »Die meisten Boote liegen im Winterquartier. Welche Häfen haben denn überhaupt auf?«, erkundigte sich Jörg.

      Jo zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Es kann ja jemand einen Steg an der Schlei oder der Ostsee haben. Oder er lässt das Boot vom Hänger aus ins Wasser. Übermäßig groß sieht es nicht aus. Ein großer SUV könnte das Teil schleppen. Seid ihr sicher, dass das Boot und der Phosphorfund etwas miteinander zu tun haben?«

      Jan verzog den Mund. »Wir haben nicht mehr als ein dummes Gefühl. Und vielleicht noch die vage Theorie von der schlampigen Bergung. Viel ist das wirklich nicht. Es reicht gerade mal, um sich ein paar Informationen zu beschaffen.«

      Jo schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Habt ihr Jungs so viel Zeit, dass ihr unbedingt die nächsten Ermittlungen benötigt?«

      Jan und Jörg wechselten einen schuldbewussten Blick, insbesondere Jan fühlte sich unangenehm durchschaut.

      Er deutete nach draußen. »Wenn schon Frühjahr wäre, könnte ich mich um den Anbau kümmern, so bin ich mit der Praxis tatsächlich nicht ganz ausgelastet.«

      »Fährst du deshalb bei dem Wetter und den Straßenverhältnissen mit der Ninja?«, fragte Jo sichtlich besorgt.

      Da hatte der Dorfklatsch ja mal wieder ganze Arbeit geleistet. Jan unterdrückte mit Mühe eine genervte Antwort, die Jo nicht verdient hatte. »Das war eine Ausnahme. Ich bin doch nicht bescheuert und gehe unvertretbare Risiken ein.«

      Jo blitzte ihn an. »Von wegen. Wenn sich erst mal herumspricht, dass unser Herr Doktor heimlich geheiratet hat, wirst du dir wünschen, ganz weit weg zu sein.«

      »Erinnere mich nicht daran. Dabei holen wir die Feier im Sommer nach.«

      »Tja, sogar Helga hat mindestens eine Stunde lang missmutig vor sich hin gebrummt, weil nur der Bengel und seine Holde dabei gewesen sind.«

      Jörg zog den Kopf ein. »War nicht meine Idee«, verteidigte er sich. »Der ist schuld«, fügte er hinzu und deutete mit der Bierflasche in Jans Richtung. »Etwas Abwechslung wäre tatsächlich nicht schlecht. Ich habe noch jede Menge Resturlaub, Andrea leider keinen einzigen Tag. Und für Jans Anbau ist es ebenso zu kalt wie für den Steg, den wir bei uns ein bisschen ausbessern sollten.«

      Jo brummte zustimmend. »Wo wir gerade unter uns sind: Meinst du, das Verhältnis zwischen Helga und Andrea lässt so langsam mal eine gewisse Frage zu?«

      Jan hielt unwillkürlich die Luft an. Ging es jetzt darum, dass es reichlich schwachsinnig war, dass Jörg und Andrea Miete zahlten, wenn sie eine größere Wohnung direkt am Wasser auch umsonst haben konnten?

      Jörg nickte langsam. »Du weißt, dass ich begeistert wäre, wieder bei dir und Helga zu wohnen. Ida würde sofort zustimmen, nur mit Andrea ist das ein wenig schwieriger. Ich arbeite dran.«

      »Gut. Vielleicht hilft es dir ja, dass wir vorhaben, dir den Hof zu überschreiben. Es wäre doch bescheuert, damit zu warten, bis wir unter der Erde sind und dann die Erbschaftssteuer und so’n Kram anfallen. Ich habe Liz gebeten, mal einen passenden Vertrag aufzusetzen.«

      Jörg starrte Jo an, als hätte der sich vor seinen Augen in einen Alien verwandelt.

      »Ich lasse euch mal kurz alleine«, bot Jan an.

      »Quatsch, du gehörst praktisch zur Familie«, wehrte Jörg ab und räusperte sich. »Also nicht, dass ich mich nicht freuen würde, aber was sagen deine Kinder dazu?«

      Ratlos blickte Jo ihn an. »Na, was schon? Dass das längst fällig ist! Du hast mir die ganzen letzten Jahre mit dem Hof geholfen. Meine Söhne lieben die Gegend leider nicht so wie wir. Sie werden ja nicht leer ausgehen, aber der Hof gehört dir.«

      »Aber der ist ein Vermögen wert und …«

      »Willst du dich jetzt mit mir anlegen?«

      »Na, das dann doch nicht.«

      Es war Zeit, die ernste Stimmung aufzulockern. »Ein Jammer, dass ihr noch fahren müsst. Da muss ich wohl auf den zukünftigen Großgrundbesitzer ganz alleine mit einem ordentlichen Whisky anstoßen«, stellte Jan fest und erntete prompt beleidigte Blicke.

      Sein Handy vibrierte und erstickte Jörgs Erwiderung im Ansatz.

      Die Nummer gehörte einem guten Freund von Jan, Heiner Zeiske, einem ehemaligen Polizisten.

      »Komm mal schnell zum Gerätehaus der Feuerwehr in Schönhagen«, befahl Heiner. »Hier


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