Falsches Spiel in Brodersby. Stefanie Ross

Falsches Spiel in Brodersby - Stefanie Ross


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seines Freundes, sprang kläffend an ihm hoch. Erst nach einigen Krauleinheiten beruhigte sich der Hund.

      Felix sah ratlos zwischen Liz und Jan hin und her. »Habt ihr Stress?«

      »Ja«, sagte Liz, während Jan »Nein« antwortete.

      Über Felix’ verdutzte Miene musste Jan lachen und sein Ärger verflog. »Liz hat mich angemacht, weil wir angeblich schon wieder ermitteln – und das, obwohl Nachwuchs unterwegs ist.«

      Mit Felix hatte Jan offen darüber geredet, dass er sich fragte, ob er ein guter Vater wäre, sodass sein Freund sofort verstand, warum er so empfindlich reagierte.

      Felix winkte ab. »Das würde ja voraussetzen, dass es schon einen Anhaltspunkt für Ermittlungen geben würde, und der ist noch weit und breit nicht in Sicht. Nun setzt euch mal ins Wohnzimmer, dann halte ich euch einen kleinen Vortrag über Phosphor in der Ostsee.«

      Liz hob den Kopf höher. »Das interessiert mich nicht. Ich drehe eine Runde mit den Hunden, während ihr euch wieder in Dinge einmischt, die euch nichts angehen.«

      Dass Liz ihren weißen Pudelmischling Leila vom Kissen förmlich hochzerrte, verriet ihre Stimmung. Jan zog es vor abzuwarten, bis seine Tante und die Hunde verschwunden waren. Erst als die Haustür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel, ließ er sich im Wohnzimmer in einen der gemütlichen Sessel sinken.

      »Wenn ich nicht noch fahren müsste, wäre ich reif für einen Whisky«, sagte er und stöhnte übertrieben laut.

      »Ach was, einer geht schon.«

      »Na gut, ein kleiner«, gab Jan nach.

      Felix schenkte ihm einen ordentlichen Schluck Talisker ein und blieb selbst bei seinem Kräutertee.

      »Wie geht es dir?«, erkundigte sich Jan vorsichtig, da sein Freund diese Nachfragen nicht besonders schätzte.

      »Ganz gut, wieder etwas müde. Ansonsten gibt’s keine Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung.«

      Die sich anbietende Frage nach der Chemotherapie verkniff sich Jan und erntete ein dankbares Lächeln.

      »Danke, dass du nicht wegen der Chemo fragst. Die Antwort habe ich nämlich immer noch nicht.«

      »Ich kann mich da nur wiederholen: Höre auf dein Bauchgefühl!«

      »Mache ich. Und nun hörst du erst einmal zu. Es war ein Kinderspiel, an Informationen über Phosphor in der Ostsee zu kommen, weil es netterweise eine Website der Landesregierung gibt, auf der alle wesentlichen Informationen zusammengefasst sind. Und deshalb kann ich dir sagen, dass da was nicht stimmt. Bisher gab’s Funde in der Kieler Förde und oben bei Lütjenburg, immer nach einem ordentlichen Sturm. Die letzten Tage waren grau, aber windstill. Wie soll da der Mist gelöst und angespült werden? So funktioniert das nicht. Das ist mal sicher.«

      Seufzend nippte Jan an seinem Whisky. Genau das hatte er vermutet, hätte jedoch auf eine Bestätigung verzichten können.

      Felix sah ihn nachdenklich an. »Da ist ja noch der junge Mann. Jo hat mir alles erzählt. Wenn du mich fragst, war das einer der Taucher, die das Giftzeug bergen wollten. Dabei ist irgendetwas schiefgegangen, sodass er das Zeug eingeatmet hat. Und ein weiterer Teil hat sich gelöst und wurde angeschwemmt und …« Er breitete die Arme aus. »Keine Ahnung, warum jemand das tun sollte.«

      Fantasie hatte Felix jedenfalls. Auch wenn die Schlussfolgerung logisch war, ergab sie keinen Sinn. Was wollte man mit den alten Kampfmitteln? Allein die sachgerechte Lagerung würde ein Problem werden.

      »Du meinst, so’n bisschen was überlässt du Jörg und mir?«, fragte Jan grinsend nach.

      »Genau. Das ist die ideale Ablenkung für dich. Ich merke doch, dass du von Tag zu Tag nervöser wirst. Und deshalb noch mal ganz deutlich: Es gibt so viele Geburten in Deutschland! Statistisch passiert nichts. Und du wirst ein toller Vater sein. Denk nur daran, wie Ida dich vergöttert. Also hör auf, dir so viele Gedanken zu machen.«

      Jan verzichtete auf eine Erwiderung und prostete ihm stumm zu.

      Kapitel 4

      Am nächsten Morgen war Jan mit seinen Überlegungen, wie das Boot, der Phosphor und der Tote zusammenhängen konnten, kein Stück weiter. Mit einem gefüllten Kaffeebecher in der Hand sah er auf die Ostsee hinaus, die in der Dämmerung durch den Nieselregen grau und wenig einladend wirkte.

      Lena schlief noch, sodass er in Ruhe nachdenken konnte. Leider fiel ihm nichts Vernünftiges ein. Es stand nicht einmal fest, dass der junge Russe ein Taucher gewesen war. Seine Vermutung, dass Sammler an alten Kampfmitteln interessiert sein konnten, hatte sich zerschlagen. Im Internet war er nirgends auf einen passenden Markt gestoßen. Für Waffen, Orden, Feldtagebücher und solche Dinge gab es eine große Nachfrage, aber er hatte keine Interessenten für Granaten oder Bomben gefunden. Per WhatsApp hatte er ihren Freund Markus König gefragt, ob ihm vielleicht ein passender Handel im Darknet bekannt war. Da dieser im Wirtschaftsdezernat des LKA bereits in den unterschiedlichsten Fällen ermittelt hatte, war ihm die Frage sinnvoll erschienen. Jan hatte jedoch einen lachenden Smiley als Antwort erhalten, der von der süffisanten Feststellung begleitet wurde, dass kein normaler Mensch mit funktionierendem Verstand dem instabilen Mist zu nahe kommen würde. Damit war die Theorie hinfällig, ehe Jan sie überhaupt zu Ende gedacht hatte.

      Gerda hatte ihn überredet, die Praxis im Winter erst ab halb zehn zu öffnen, sodass er noch Zeit hatte, ehe er losmusste. Jan stellte den Becher auf dem Wohnzimmertisch ab. Vielleicht kam ihm bei einer kleinen Joggingrunde die zündende Idee. Normalerweise lief er direkt am Haus los, heute entschied er sich, mit dem Wagen zur Steilküste zu fahren.

      Tarzan hob kurz den Kopf und ließ ihn dann so schnell wieder fallen, dass sich Jan Sorgen gemacht hätte, hätte er den Hund nicht so gut gekannt. Obwohl er manchmal überraschend beweglich war, zog Tarzan ein faules Hundeleben vor und ein Spaziergang bei dem nassen Wetter um diese Uhrzeit gehörte nicht zu seinen Vorlieben.

      Als Jan seinen Audi auf der Sandfläche stoppte, hätte es eigentlich schon heller sein sollen, doch die Nacht hatte sich ohne Übergang in ein dunkles Grau verwandelt. Großartig. Jan hasste dieses Wetter. Nicht nur seine eigene Stimmung litt unter dem fehlenden Sonnenlicht, sondern es kamen auch überdurchschnittlich viele Patienten mit einer ausgewachsenen oder beginnenden Depression in seine Praxis.

      Er musste sich regelrecht überwinden, den warmen Wagen zu verlassen. Was hätte dagegen gesprochen, es sich mit einem weiteren Kaffee und seinem Smartphone im Wohnzimmer gemütlich zu machen? Nun war es zu spät. Nachdem er die kläglichen Reste seines Pflichtbewusstseins zusammengekratzt hatte, stieg er aus. Der Nieselregen, der ihm sofort ins Gesicht wehte, vertrieb seine Müdigkeit. Am besten, er brachte schnell ein paar Kilometer hinter sich und fuhr dann zurück.

      Da er ungern im tiefen Sand lief, joggte er direkt an der Wasserlinie entlang, wo der Boden deutlich härter war, behielt dabei allerdings die Wellen im Auge. Auf nasse Schuhe konnte er bei den Temperaturen verzichten.

      Entgegen seiner Erwartung änderte sich seine Laune bereits nach wenigen Metern. Direkt an der Ostsee war es etwas heller. Möwen flogen kreischend über die Wasseroberfläche und stießen ab und zu auf der Jagd nach einem Fisch herab. Er kam an einem Baumstamm vorbei, der ihn sofort an die Zeit erinnerte, als Jörg unter Mordverdacht gestanden hatte. Der Fall war wesentlich komplizierter gewesen und sie hatten ihn aufgeklärt. Warum sollte es ihnen jetzt nicht wieder gelingen?

      Im zurücklaufenden Wasser vor ihm glitzerte etwas. Jan blieb stehen und wartete einen günstigen Moment ab. Knapp vor der nächsten Welle schnellte er vor und erwischte den Stein, der nicht größer war als ein Zwei-Cent-Stück. Misstrauisch drehte er ihn in der Hand. Normalerweise hätte er sich über den Bernstein gefreut und vor allem auf Lenas Begeisterung, wenn er ihr den kleinen Stein schenken würde. Nach der gestrigen Erfahrung überprüfte er sorgfältig, dass es sich tatsächlich um ein Mineral und nicht um giftigen Phosphor handelte. Da ihm weder die Farbe noch die Konsistenz völlige Sicherheit gaben, rieb er den inzwischen trockenen Stein an seiner Jacke und atmete auf, als ein Haar daran kleben blieb. Im Gegensatz zum gefährlichen


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