Hochzeit machen ist nicht schwer .... Hanna Berghoff

Hochzeit machen ist nicht schwer ... - Hanna Berghoff


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erzählt hat.«

      Ronja wusste nicht, wie sie sich noch beherrschen sollte. Marinas warmer, weicher Körper an ihrem, ihre Brust, die sich gegen ihren Arm drückte – das war einfach zu viel für sie. »Das Abendessen«, sagte sie und drehte sich ruckartig um, sodass Marina den Kontakt zu ihr verlor, »wartet.«

      Schnell, bevor sich irgendeine neue Formation mit allzu enger körperlicher Berührung bilden konnte, setzte sie ihre langen Beine in Bewegung und raste fast zum Haus zurück. Dort angekommen war sie in ihrem Zimmer verschwunden, bevor ihr irgendjemand folgen konnte.

      Sie lehnte sich mit der Stirn gegen die kühle Wand und versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen. Nur zu gut wusste sie, dass sie ihrer Großmutter nicht die Wahrheit sagen und damit diese Scharade beenden konnte, ohne sie ernsthaft zu gefährden, aber sie hatte das Gefühl, bald würde ihr eigenes Herz stehenbleiben, wenn es weiter solchen Aufregungen ausgesetzt war.

      »Wenn ich das gewusst hätte . . .«, flüsterte sie zur Wand, als würde sie tatsächlich mit ihr sprechen. »Ich hätte sie einfach aus dem Wagen werfen sollen. Was geht mich ihre Hochzeit an, ihr Bräutigam, ihr ganzes Leben, das offenbar Chaos heißt?« Sie atmete tief durch. »Mein Leben ist in Ordnung.« Sie seufzte resigniert auf. »Jedenfalls war es das, bevor ich sie kennengelernt habe.«

      Die Wand hatte jedoch auch keinen Rat für sie, und so stellte sie sich unter die Dusche und ließ das kalte Wasser über sich laufen. Es machte ihr überhaupt nichts aus. Sie spürte es kaum. Ihre Gedanken waren bei Marina und all den Gefühlen, die sie in ihr hervorrief. Die sie anscheinend hervorrufen wollte.

      So konnte es wirklich nicht weitergehen. Marina musste begreifen, dass das hier kein Spiel war. Dass Ronja darin kein Spiel sehen konnte. Marina musste sich zurückhalten. Ja, genau, das musste sie. Sie musste lernen, sich wie eine Dame zu benehmen. Jedenfalls solange sie hier war.

      Es klopfte an der Badezimmertür.

      »Ich will niemanden sehen«, flüsterte Ronja zu sich selbst. »Ich kann nicht mehr.«

      Es klopfte erneut.

      »Wer ist da?«, fragte sie lauter, während sie ihre Augen zur Decke drehte.

      »Johann, Frau Baronin«, kam die Antwort durch die geschlossene Tür. »Das Abendessen wird in einer halben Stunde serviert.«

      »Ist gut.« Ronja stieg aus der Dusche und griff sich ein Handtuch. »Ich komme gleich.«

      »Soll ich Ihnen Annie schicken?«, fragte er. »Damit sie Ihnen beim Ankleiden hilft?«

      Ronja schüttelte ungläubig schmunzelnd den Kopf. Davon konnte Johann immer noch nicht lassen. »Nein«, erwiderte sie. »Ich schaffe das schon allein.«

      »Sehr wohl, Frau Baronin«, verabschiedete er sich in seiner üblichen gediegenen Art und entfernte sich aus ihren Räumlichkeiten. Ihre Zimmertür wurde leise und gemessen ins Schloss gezogen.

      Niemals würde Johann eine Tür aufreißen oder zuschlagen. So etwas taten nur Barbaren. Das hatte sie schon seit ihrer Kindheit oft von ihm gehört, wenn sie in ihrer Wildheit, die man ihr jetzt kaum noch ansah, wie ein Wirbelwind durchs Haus gefegt war.

      Nun kam sie sich keinesfalls mehr wild vor, sondern eher erschlagen.

      Eine gefühlte Ewigkeit stand sie noch mit dem Handtuch da, bevor sie sich endlich ganz abtrocknete und in ihr Schlafzimmer zurückging.

      Das Abendessen verlief einigermaßen ruhig, Ronjas Großmutter strahlte fast wie ein Honigkuchenpferd mit Justus um die Wette, bis sie sagte: »Ich weiß, Sie werden einer alten Frau verzeihen.« Sie lächelte Marina an. »Aber meine Zeit auf dieser Erde ist nun doch schon etwas begrenzt, und ich frage mich . . . Werde ich noch Urgroßmutter werden?«

      Ronja blieb fast der Bissen im Hals stecken, und sie begann angestrengt zu husten.

      Marina musste mindestens genauso überrascht sein, aber man merkte es ihr nicht an. Ihre Mundwinkel zuckten heftig, als sie zu Ronja hinüberschaute. »Ich werde tun, was ich kann«, bemerkte sie. »An mir soll es nicht liegen.«

      »Sie glauben gar nicht, wie glücklich Sie mich damit machen.« Ronjas Großmutter griff nach Marinas Hand, drückte sie warm und schaute sie beinah hingerissen an. »Das habe ich mir schon so lange gewünscht.«

      »Großmutter . . .«, versuchte Ronja einzuwenden.

      Aber damit hatte sie keine Chance. »Ich habe mich damit abgefunden, dass du selbst«, sie seufzte, »mir keine Urenkel schenken wirst, aber glücklicherweise«, sie lächelte selig, »gibt es ja noch Frauen, die nichts dagegen haben. Und offenbar hast du eine gefunden.« Ihre Augen streichelten Ronja mit großmütterlicher Zärtlichkeit. »Eine größere Freude hättest du mir nicht machen können.«

      Verzweifelt warf Ronja einen Blick zu Marina hinüber, die auf der anderen Seite des Tisches saß, zur Linken ihrer Großmutter. Sie selbst saß wie üblich zu ihrer Rechten, denn ihre Großmutter nahm wie schon seit vielen Jahren den Platz des Familienoberhauptes am Kopfende ein.

      Der alte Eichentisch war so lang, dass er auch für eine Fußballmannschaft gereicht hätte. Da konnte man schon auf den Gedanken kommen, dass hier noch ein paar Kinder fehlten. Wenn es nach den Wünschen ihrer Großmutter gegangen wäre, wohl eine ganze Trappfamilie.

      Aber Ronja hatte noch nie für Sound of Music geschwärmt. Ihr Blick flehte darum, dass Marina ihre Aussage zurücknahm, dass sie ihrer Großmutter keine Hoffnungen machte, die niemals erfüllt werden konnten, aber Marina hielt ihrem Blick stand und lächelte nur sanft.

      Es sind ja nur ein paar Tage, dachte Ronja schicksalsergeben. Dann ist sie weg, vielleicht bei ihrem Bräutigam oder sonst wo. Ich muss einfach nur diese paar Tage überstehen. Später kann ich Großmutter dann immer noch sagen, es hätte nicht geklappt mit Kindern. So etwas kann niemand überprüfen. »Manchmal hält das Leben unerwartete Überraschungen bereit«, erwiderte sie leicht gequält lächelnd. »Selbst wenn man gar nicht damit rechnet.«

      »Mein Kind.« Ihre Großmutter nahm nun ihre Hand und drückte sie, wie sie zuvor Marinas gedrückt hatte. Ihre Augen sprachen zu Ronja, ohne dass ihr Mund noch mehr sagte.

      Ronja schluckte und fühlte, wie etwas sich in ihr anstaute. Es wollte heraus, aber Ronja wollte es nicht heraus lassen. Sie kämpfte mit aller Kraft dagegen an.

      »Wann habt ihr eigentlich geheiratet?«, warf Justus gutgelaunt in die Runde. Seine Augen blitzten Ronja und Marina neugierig an.

      Da Ronja immer noch mit ihren inneren Dämonen kämpfte, war sie für den Moment unfähig zu antworten und sah wahrscheinlich reichlich überfordert aus.

      Marina schaute fragend zu ihr herüber und bemerkte offenbar, dass Ronja nichts sagen würde. Eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn, aber nur ganz kurz. »Heute«, gab sie dann lächelnd Auskunft. »Heute Morgen.«

      »Heute?« Justus’ Augen öffneten sich weit. »Das heißt, heute ist eure Hochzeitsnacht?«

      Wie von einem Peitschenhieb getroffen zuckte Ronja heftig zusammen.

      Auch Marina war für einen Augenblick völlig verdattert, wie es schien. Dann begann sie erneut zu lächeln. »Ja«, nickte sie mit einem bezaubernden Hauch von Rosa in der Stimme. »Heute Nacht ist unsere Hochzeitsnacht.«

      »Das hat doch heutzutage keine Bedeutung mehr«, wiegelte Sissy säuerlich ab. »Niemand geht mehr als Jungfrau in die Ehe.«

      »Ach nein?« Justus blitzte nun noch neugieriger in Richtung Marina.

      »Justus!« Ronja musterte ihn strafend. »Hast du vergessen, dass Großmutter hier ist?«

      »Ach Kinder . . .« Ihre Großmutter lächelte nachsichtig. »Ich bin vielleicht alt, aber deshalb bin ich noch lange nicht von gestern. Ich weiß schon, dass man heutzutage nicht mehr dieselben Maßstäbe anlegt wie früher. Aber dennoch ist eine Hochzeitsnacht immer noch etwas Besonderes. Hoffe ich zumindest.«

      »Da haben Sie ganz recht«, stimmte Marina ihr offenbar aus vollstem


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