Lotte mischt mit. Klaus Heimann

Lotte mischt mit - Klaus Heimann


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ich mich doch nicht lumpen lassen!«

      Guido macht sich daran, die Biere zu zapfen. Der Schaum arbeitet sich im Glas nach oben. Unser Wirt lässt ihn etwas ruhen. Wie sich das gehört für ein vernünftiges Pils.

      »Der Sigi wird Opa! Mann, wie die Zeit vergeht«, sinniert Ecki.

      »Da sagst du was Wahres. Gestern noch bist du Mördern hinterhergehechtet, heute kriegt deine Tochter Nachwuchs.«

      »Was sagt denn Lotte dazu? Arbeitet sie eigentlich noch?«

      »In wenigen Tagen wird sie dreiundsechzig. Den Rentenantrag hat sie längst gestellt.«

      »Oh, oh. Mama ante Portas«, neckt mich Ecki.

      »Wir sind beide fest entschlossen, das Beste daraus zu machen. Wir haben durchaus Chancen, ein Rentnerteam zu werden. Bilde ich mir jedenfalls ein.«

      »Und ein Großeltern-Tandem, was? Geht mir Lucy und Tom nur nicht auf den Zeiger mit eurer neu gewonnenen Freiheit.«

      Unser Wirt hat an einer anderen Ecke der Theke zu schaffen. Er bedient zunächst die Gäste dort - zwei Frauen, die dem Weißwein zusprechen -, ehe er unsere Gerstenkaltschalen vollendet. Mir wird angesichts der festen Schaumkronen ganz sehnsuchtsvoll ums Zäpfchen.

      Endlich nimmt Guido zwei Bierdeckel von einem bereitstehenden Stapel, legt sie vor uns auf den Tresen und stellt die Gläser darauf ab.

      »Wohl bekomm’s, die Herren. Und alles Gute für den werdenden neuen Erdenbürger. Für Oma und Opa natürlich auch.«

      Wir nehmen uns die Biere zur Brust und prosten unserem Gastgeber zu. Dann nehmen Ecki und ich den ersten, durstigen Schluck. Das ist unbestritten der beste einer ansehnlichen Reihe Schlucke an so einem Abend.

      Seufzend stellt mein Zechkumpan sein Glas wieder ab.

      »Wenn ich mich recht erinnere, hattet ihr es manchmal schwer als Zweiergespann, Lotte und du.«

      Ich wiege den Kopf. Das Thema ist mir unangenehm, trage ich schließlich die Hauptschuld an diesen Phasen. Keine Ruhmesblätter.

      »Der Job, weißt du. Immer, wenn ich mich in einen Fall verbissen hatte, dann habe ich nicht mehr nach links und rechts geschaut. Dann war mir die Familie manchmal zu gleichgültig. Ich kenne diese Schwäche.«

      »Und trotzdem bist du letztes Jahr in den Werden-Fall eingestiegen. Ganz alleine. Als Pensionär.«

      Schulterzucken meinerseits. »Wenn ich eines aus dem Werden-Fall gelernt habe, dann bestimmt, dass wir mehr an einem Strang ziehen müssen, wir werdenden Großeltern. Ich mag Lotte immer noch sehr. Selbst nach beinahe vier Jahrzehnten Ehe. Ich bereue die Eigenmächtigkeiten, die ich hinter ihrem Rücken begangen habe aufrichtig.« Mehr will ich heute nicht dazu sagen.

      Plötzlich fällt mir der Doppelmord wieder ein, der uns seinerzeit beide in die Ermittlungen hineingezogen hatte. Als Team hatten meine Holde und ich damals nicht unbedingt agiert – auch wenn wir am Ende auf gewisse Art gemeinsam erfolgreich gewesen waren. Ich schmunzele in mich hinein.

      Ecki beobachtet mich. »Woran denkst du?«

      »An unseren Doppelmord.«

      »Ah, der Herr denkt an die Sache in Borbeck. In der Lotte quasi undercover unterwegs gewesen war.«

      »Genau daran musste ich denken. Das war der letzte Fall vor dieser Taxifahrt zum Nordkap.«

      Ecki nickt bedächtig mit dem Kopf. »Ja, ja. So harmlos kann ein Fall anfangen. Mit einer Urlaubsreise. Verträgst du noch ein Gezapftes?«

      Ich schaue ihn schräg an. »Habe ich mich verhört?«

      Er kichert. »Könnte ja sein, dass Lotte dich auf Alkdiät gesetzt hat.«

      »Jetzt mach aber mal ’nen Punkt. Guido, zwei Pils!«

      Unser Wirt gibt mir mittels hochgerecktem Daumen zu verstehen, dass er die Bestellung mitbekommen hat. Er reichert zwei vorgezapfte Biertulpen mit einer Schaumkrone an und tauscht die vollen gegen die vor uns stehenden leeren Gläser. Zwei Striche auf meinem Deckel und fort ist er.

      Ich grabe weiter in meiner Erinnerung.

      »Eigentlich waren das damals drei Geschichten. Die von der Frau, die von dem Mann und natürlich die von Lotte und mir.«

      »Leg einfach los, Sigi. Bleibt mir ja doch nicht erspart. Wir stehen hier trocken und warm, das Bier ist angenehm temperiert und süffig, ab und zu kommt Guido mit einem Kurzen um die Ecke – dazu gehört einfach eine deiner Fall-Geschichten. Warum nicht die vom Doppelmord im Urlaub?«

      ***

      »Ein schönes Fleckchen ist das hier. Das war ein guter Tipp von Lucy!«

      Lotte stand im Schlafzimmer unserer Ferienwohnung in Werder an der Havel und schaute aus dem Fenster auf den Marktplatz mit der alten Eiche. Unser Quartier lag auf der Insel mit dem historischen Stadtkern, nur über eine kopfsteingepflasterte Brücke erreichbar. Vor einer Stunde waren wir angekommen. Mittlerweile waren die Koffer ausgepackt und unsere paar Brocken im Bad und im Kleiderschrank verstaut. Uns stand der Sinn nach einem ersten Erkundungsrundgang.

      Eine Woche Urlaub hatten wir geplant, einen Besuch des hiesigen traditionellen Baumblütenfests Ende April. Am nächsten Tag wollten wir unsere Tochter Lucy treffen, die im benachbarten Berlin studierte. Doch zunächst hieß es einkaufen und den Ort inspizieren.

      Wir zogen unsere Jacken und Schuhe an und verließen das Haus. Die Straßen säumte eine historische Bausubstanz, verträumt und herausgeputzt.

      Auf einer Insel führen naturgemäß alle Wege zum Wasser. Nach drei Wendungen erreichten wir das Havelufer. An einem Schiffsanleger wurden Ausflugsfahrten angepriesen.

      »Das wäre auch mal eine schöne Idee«, meinte Lotte.

      Ich rümpfte die Nase. Sigi Siebert auf spießiger Bötchen-Tour. Naja.

      Ein Stück weiter das Ufer entlang, trafen wir auf eine Fischbude. Nebenan ein Fischlokal. Mein Magen knurrte und erinnerte mich daran, dass er seit der Mettwurst in Höhe Hannover nichts mehr zu arbeiten erhalten hatte.

      »Was hältst du von einem Aalbrötchen, Schatz?«

      Bei dem Gedanken daran, lief mir das Wasser im Munde zusammen. Ich nickte zustimmend zu Lottes Idee.

      Meine Allerbeste war schnell bei der Hand. »Ich besorge uns zwei.«

      Drei Minuten später bissen wir in die mit frisch geräuchertem Aal belegten, knackigen Brötchen. Wunderbar!

      Wir schlenderten weiter.

      »Sieh mal, Sigi. Noch jemand aus Essen.«

      Der rote Golf parkte am Straßenrand vor einem Hotel.

      »Warum nicht? Längst kein Geheimtipp mehr, Deutschlands Osten.«

      »Ich habe jedenfalls vor Lucys Vorschlag nichts von Werder an der Havel gehört.«

      »Aber vom Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.«

      Lotte lachte. »Na klar, dem mit dem Birnbaum. Wir mussten das Gedicht in der Grundschule noch auswendig lernen.«

      »Vielleicht kommen wir da ja auch noch hin.«

      »Mal sehen.«

      Wir setzten unseren Weg fort. Er führte uns an einer markanten Kirche und einer Windmühle vorbei. Eine richtige Einkaufsmöglichkeit hatten wir bis jetzt nicht entdeckt.

      »Wir werden wohl kurz mit dem Auto von der Insel runterfahren müssen. Hier sieht es schlecht aus mit Lebensmitteln«, überlegte ich laut.

      »Es hängt mir zwar zum Hals heraus, das Fahren, aber was bleibt uns übrig? Los. Je eher, desto besser.«

      Lotte hatte den ganzen Weg hierher alleine kutschieren müssen. Ich hatte das Autofahren vor Jahren an den Nagel gehängt. Aus Gründen, die ich selbst nicht benennen kann. Meine patente Frau trägt das immerhin mit Fassung.

      Gleich


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