Lotte mischt mit. Klaus Heimann

Lotte mischt mit - Klaus Heimann


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aus?«, versuchte ich es mit ihm.

      »Wir sind zum ersten Mal hier.«

      Pause.

      Zum Glück brachte die Bedienung in diesem Moment die Getränke. Reihum in die Augen schauend, prosteten wir uns zu. Meine Göttergattin hatte im ersten Überschwang ganz vergessen, sich ein Essen auszusuchen. Auf ihre diesbezügliche Nachfrage schickten wir die Kellnerin unverrichteter Dinge wieder fort und baten sie, später wiederzukommen.

      »Haben Sie hier schon gegessen? Können Sie etwas empfehlen?«, fragte Lotte die Blonde.

      »Fisch würde ich vorne essen. In dem Lokal, das auch die Bude betreibt. Da waren wir gestern.«

      »Ach, eigentlich reicht mir ein Salat …«, bezog meine Angetraute den Tisch in ihre Entscheidungsfindung ein. Prompt diskutierte die Blonde mit ihr die halbe Speisekarte.

      »Was haben Sie bestellt?«, erkundigte ich mich bei meinem Tischnachbar, um dieser Diskussion zu entgehen.

      »Steak.«

      Präzise, die Auskunft. Ein Wort, alles klar. So mag ich das.

      Nachdem Lotte im Anschluss an endloses Palaver endlich feststellte, dass sie richtig Hunger hätte und ein Salat vielleicht doch zu bescheiden sei, schloss sie sich meiner Wahl »Havelschnitzel« an. Ich habe die Frauensleute echt im Verdacht, dass sie nur so kompliziert sind, damit sie quatschen können. Irgendwie müssen sie mehr Worte pro Tag loswerden als wir Männer.

      Nachdem wir unsere Bestellung endlich aufgegeben hatten, fühlte sich auch der Silberbekränzte gemüßigt, etwas zur Unterhaltung beizutragen.

      Er wandte sich nicht an die Runde, sondern direkt an mich: »Haben Sie Räder dabei?«

      »Ja. Hier kann man anscheinend gut fahren.«

      »Gestern habe ich mir eine Karte besorgt. Sieht nach schönen Touren aus.«

      »In der Nähe des Bahnhofs soll es eine Brücke über die Havel geben. Die haben wir vorhin gesucht, aber den Einstieg nicht gefunden.«

      »Es geht über die Eisenbahnbrücke. Den Weg haben wir heute ausprobiert. Fantastische Gegend da drüben!«

      Seine Frau hatte unser Gespräch mitbekommen und hakte ein.

      »Morgen früh will Jens einen alten Freund treffen. Da bin ich alleine. Darf ich mich euch anschließen? Dann kann ich euch den Weg zeigen.«

      »Gerne!«, jubelte Lotte.

      Na, das würde morgen eine nette Schwatzrunde zu Drahtesel geben.

      »Ach komm, sind wir doch nicht so kompliziert. Ich bin die Charlotte.«

      »Ich bin die Frauke und mein Mann heißt Jens.«

      »Siegfried. Nennt mich ruhig Sigi. Das tun alle. Und Charlotte dürft Ihr gerne Lotte nennen.«

      Ich weiß, dass meine Holde die Verstümmelung ihres Namens überhaupt nicht mag. Das klinge naiv, meint sie. Die kleine Spitze hatte sie aber für ihr übereifriges Anbandeln unbedingt verdient!

      Ein grimmiger Mahnblick traf mich, während vier Hände eifrig nach einem Partner zum Schütteln suchten.

      »Das begießen wir jetzt aber mit einem Schnaps«, hörte ich mich sagen. Den hatte ich selbst aus etlichen Gründen nötiger als alle anderen, wie mir schien.

      Während die Damen zu einem weichgespülten Ramazzotti griffen, wählten Jens und ich einen Willi. Geschmack besaß mein neuer Duzbruder zum Glück. Wir stießen alle vier miteinander an. Dann besiegelte der Schnaps unsere Verbrüderung.

      »Von der Sprache her hätte ich dich nicht nach Essen gesteckt, Jens«, stellte ich fest.

      »Das stimmt«, antwortete mein Tischnachbar. »Ich bin in Anhalt aufgewachsen. Da bleibt der Slang an dir kleben. Später habe ich in Potsdam und in Chemnitz gelebt. Erst nach dem Fall der Mauer habe ich zu euch rübergemacht.«

      Lotte bekam große Augen. »Ach, interessant. Kommst du auch aus dem Osten, Frauke?«

      »Ja. Mein Heimatort liegt östlich von Berlin.«

      »Das hört man aber nicht«, stellte ich fest.

      Lotte interessierte etwas anderes: »Erzählt mal. Wie war das denn damals so in der DDR?«

      Erwähnte ich bereits, dass meine Angetraute eine ziemlich Direkte ist?

      Unsere Tischnachbarn zierten sich etwas. Es war Jens, der meiner vorwitzigen Frau ein paar Brocken hinwarf. Ich spürte, dass ihm dieses Thema nicht behagte. Lag das an dem immer noch spannungsgeladenen Verhältnis zwischen Ossi und Wessi? Fühlte sich Ossi im dritten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung immer noch als Deutscher zweiter Klasse? Ich finde das schade. Wer kann schon was für seine Herkunft? Was zählt, ist doch der Mensch an sich.

      Ich bemühte mich, das Gespräch in eine andere Richtung zu treiben.

      Ich fragte Jens, was ihn nach Essen geführt hätte.

      »Die Arbeit natürlich. Bei uns zu Hause ging doch alles den Bach runter. Ich habe einen guten Draht zu einem der Männer gehabt, der von seiner Firma geschickt worden ist, um unseren Laden auf Vordermann zu bringen. Energieversorgung, wisst Ihr. Na, jedenfalls hat der mir einen Kontakt zur Zentrale verschafft. Da war gerade ein Job frei, der genau zu meiner Fachrichtung passte …«

      Das Essen kam auf den Tisch. Jens und ich bestellten ein weiteres Bier. Beim Zulangen merke ich erst, wie hungrig ich mittlerweile wirklich war. Es schmeckte ausgezeichnet.

      Die Frauen unterhielten sich während des Essens munter weiter. Jetzt tauschten sie wichtige Informationen über ihre Familienkonstellation aus.

      Unsere Urlaubsbekanntschaft hatte keine Kinder, was meine Angetraute prompt auf Lucy brachte. Sie lobte unsere Tochter über den grünen Klee und stellte ihr Studium als das einzig mögliche hin, das ihren Talenten wirklich entsprach. Mir war das neu. Für mich hatte Lucy nach dem Fach gesucht, das ihr am wenigsten praktisches Talent abforderte. Ich schwieg jedoch zu Lottes blumenreichen Ausschmückungen. Dass wir das alles finanzierten, überging sie glatt.

      Wir Männer schwiegen während des Essens. Die Angler und Jäger kommunizieren still und effektiv. Was stand am heutigen Abend denn schon zur Klärung an?

      Danach befragt, hätten wir wahrscheinlich gleichlautend geantwortet: Nickes!

      Nachdem wir aufgegessen hatten, wurde der Abend nicht mehr allzu lang. Lotte und ich verließen das Lokal gegen halb zehn, nicht ohne, dass meine Göttergattin die Essener Telefonnummer von Frauke Lindemann abgefischt und im Gegenzug unsere hinterlassen hätte.

      Der Marktplatz war menschenleer. In der alten Eiche hatten sie Lichterschlangen verlegt, die bis in die Spitzen der Äste reichten. Wie eine Kunstskulptur erleuchtete der Baum den Platz.

      Lotte hakte mich unter. »Wie romantisch!«

      Wir blieben eine Weile unter dem Baum stehen und verfolgten die leuchtenden Spuren in seinem Geäst. Dann gingen wir die paar Schritte zu unserem Feriendomizil hinüber. Ich schloss auf und wir stiegen – immer noch Arm in Arm – die Treppe zu unserer Wohnung hinauf.

      Nachdem wir beide die notwendigen Handgriffe der Abendtoilette vollbracht hatten, fielen wir erschöpft in die Federn. Anreise, Spaziergang, Einkaufen, den Bahnhof suchen, Kneipe – das langte für den ersten Tag.

      Am nächsten Morgen besorgte ich in der Nähe der Brücke, die auf die Insel führte, ein paar Brötchen zum Frühstück. Als ich zurückkehrte, hatte Lotte bereits den Tisch gedeckt und Eier gekocht. Wir genossen die Zeitlosigkeit, die beim Frühstück im Urlaub herrscht. Eine Tageszeitung hatte ich ebenfalls mitgebracht. Alles, was Sigi Siebert für einen relaxten Start in den Tag benötigt.

      Nach dem Aufräumen holten wir unsere Fahrräder aus dem Schuppen und schoben sie durch die Hintertür des Gartens zum verabredeten Treffpunkt. Frauke wartete dort bereits auf


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