Defense of Life. Arizona Moore

Defense of Life - Arizona Moore


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ist es Tradition, dass wir vor dem Essen ein Gebet sprechen, was mein Dad als Oberhaupt übernimmt. Meine Eltern sind gläubige Protestanten und haben ihren Glauben entsprechend in die Erziehung einfließen lassen. Jeden Sonntag musste ich in die Kirche. Ich persönlich mache mir überhaupt nichts aus Gott und glaube auch nicht, dass es ihn jemals gegeben hat, respektiere aber dennoch die Überzeugung und Tischregeln meiner Eltern. Als mein Vater die Dankesworte mit einem Amen enden lässt, lädt Mom unsere Teller voll und wünscht uns einen guten Appetit.

      Auch wenn sie mein Lieblingsgericht zubereitet hat und ich im Normalfall für Spare Ribs einen Mord begehen würde, bekomme ich heute nur mit Mühe ein paar Bissen herunter. Da ich aber nicht unhöflich oder undankbar wirken möchte, zwinge ich mich zum Essen.

      „Was ist denn los mit dir, Logan? Schmeckt es dir nicht?“ Meiner Mutter entgeht nichts. Die Enttäuschung wegen meines mangelnden Zulangens steht ihr ins Gesicht geschrieben.

      „Doch, doch, es ist verdammt lecker. Du hast dich mal wieder selbst übertroffen, Mom. Die Spare Ribs sind unglaublich gut.“ Um meine Aussage zu untermauern, beiße ich extra noch einmal vom Fleisch ab.

      „Logan Alexander Paul Carter, halte mich nicht zum Narren“, mahnt sie mich streng und zieht dabei eine Augenbraue in die Höhe.

      Oh, oh, wenn sie mich beim vollen Namen nennt, weiß ich, dass ich in der Patsche sitze. Das tut sie nur, wenn sie sauer ist.

      „Ich bin deine Mutter. Glaubst du, dass ich es nicht merke, wenn es dir nicht gut geht? Du siehst nicht gesund aus, hast kaum ein Wort mit uns gewechselt und stocherst gedankenverloren in deinem Essen herum. Also, hör auf mich anzuflunkern. Du weißt, dass ich Unehrlichkeit nicht ausstehen kann. Was liegt dir auf dem Herzen, Junge?“

      „Lass es gut sein, Liebling“, schaltet sich mein Vater ein und straft Mom mit einem bösen Blick. „Wir wissen doch beide, warum er so drauf ist. Quäle ihn nicht noch zusätzlich, indem du ihn zum Reden drängst.“

      „Nein, wir können das Thema nicht andauernd unter den Teppich kehren“, widerspricht sie ihm untypischerweise. „Das machen wir schon viel zu lange. Mir bricht es das Herz, dass er sich noch immer mit Selbstvorwürfen das Leben schwermacht. Wann ist endlich Schluss damit, Logan?“ Sie legt ihre Hand über meine. Eigentlich eine tröstliche Geste, doch nicht für mich. Es tut mir weh, dass sie meinetwegen aufgebracht ist. „Ist es nicht allmählich an der Zeit, dass du mit dem Kapitel abschließt? Das, was damals passiert ist, war ein Unfall. Jedem anderen Verkehrsteilnehmer hätte bei der schlechten Witterungslage das Gleiche wiederfahren können. Tu uns und allem voran dir den Gefallen und finde endlich deinen Frieden.“

      Mir ist klar, dass meine Mutter es nur gut mit mir meint, doch wird sie niemals verstehen, was in meinem Inneren vor sich geht. Um mich auch nur ansatzweise verstehen zu können, müsste ich mich ihr öffnen, was ich aber nicht will. Meine Gefühle und Gedanken gehen nur mich etwas an. Außerdem soll sie nicht wissen, wie elend ich mich fühle. Wenn sie sich bewusst wäre, wie schlecht es mir geht, hätte ich keine ruhige Minute mehr. Vermutlich würde sie mich nicht mehr in Ruhe lassen und all meine Schritte überwachen. Aus Angst, dass ich mit mir selbst nicht klarkomme.

      „Ich bin aber nicht jeder andere“, sage ich. „Tatsache ist, dass ich hinter dem Steuer gesessen und den Wagen gegen einen Baum gesteuert habe. Das brauchen wir gar nicht zu beschönigen. Es ist ganz allein meine Schuld, dass Melina gestorben ist.“ Ihren Namen laut auszusprechen, schmerzt. Eine eiserne Faust legt sich um mein Herz und drückt mit aller Gewalt fest zu. Das Atmen fällt mir schwer. „Hätten wir uns nie ineinander verliebt, würde sie heute noch leben.“ Meiner Mutter schießen Tränen in die Augen, die sie, dass weiß ich, niemals in meinem Beisein vergießen würde. Nie würde sie mir zeigen, wie sehr sie unter meiner Situation leidet. „Ihr könnt euch nicht einmal im Ansatz vorstellen, wie es ist, damit leben zu müssen. Ich bin ein Mörder. Wann versteht ihr das endlich? Es wäre nur fair gewesen, wenn ich draufgegangen wäre.“

      Nun entschlüpft ihrer Kehle doch ein Schluchzen. Dieser kleine, leiderfüllte Laut gibt mir den Rest. Ich kann es keine Sekunde länger ertragen, in ihr, von Kummer gezeichnetes, Gesicht blicken zu müssen. Ohne über die Konsequenz nachzudenken, schiebe ich den Stuhl zurück, stehe auf und fliehe aus dem Esszimmer.

      Ich muss hier raus, muss weg aus diesem Haus. Schnellstmöglich.

      Im Flur schnappe ich mir die Jacke von der Garderobe und verlasse schnell das Haus. Im Auto lasse ich mich auf den Sitz fallen.

      Nicht ein einziges Mal in den vergangenen zehn Jahren war ich so offen und ehrlich, was meine Gefühle betrifft, wie heute. Immer habe ich meine Gedanken und Emotionen vor meiner Familie verheimlicht und es mich nie gewagt laut auszusprechen, was mir bezüglich des Unfalls durch den Kopf geistert. Alles habe ich mit mir allein ausgemacht. Dass die Worte nun so einfach aus mir herausgebrochen sind, schockiert mich. Vermutlich war es aber längst überfällig. Was mich jedoch ungemein ärgert, ist, dass ich meinen Eltern einen Einblick in meine Denkweise gestattet habe. Verdammt, ich bin nicht zu ihnen gekommen, um ihnen noch mehr Kummer zu bereiten. Auch wenn sie es mir nie gezeigt haben, weiß ich, dass auch sie unheimlich unter den Folgen des Unfalls gelitten haben. Nächtelang habe ich sie weinen hören. Es war für mich die Hölle, dass sie sich so gequält haben.

      „Fuck. Fuck. Fuck“, brülle ich aus voller Kehle und schlage auf das Lenkrad ein, ehe ich den Motor starte und mit quietschenden Reifen davonfahre.

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