Defense of Life. Arizona Moore
Beine hinderten mich am Weggehen. Regungslos blieb ich stehen, gefangen in meinen Gefühlen, und schaute ihn an. Solange, bis er mich aus heiterem Himmel mit einem Kuss überfiel. In dem Moment, als sich unsere Lippen berührten, war es mir völlig egal, dass wir Arbeitskollegen sind. Verdammt, ich wollte nichts sehnlicher, als von ihm in Besitz genommen zu werden.
Erst behandelte er mich grob. So, als wolle er mich für irgendetwas bestrafen. Sein Mund lag hart und unnachgiebig auf meinem. Doch dann wurde er immer sanfter, beinahe einfühlsam, weshalb ich mich an seiner Lederjacke festklammerte und all meine unausgesprochenen, heimlichen Sehnsüchte in unseren Kuss legte. Logans warme, weiche, Lippen auf meinen zu spüren, war das Beste, was mir in meinen sechsundzwanzig Lebensjahren je wiederfahren ist. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass er einer der begnadetsten Küsser auf diesem Planeten ist.
Zu meiner Enttäuschung endete der Kuss keine zehn Sekunden später genauso abrupt, wie er begonnen hatte. Seufzend löste er sich von mir, schüttelte den Kopf, schob mich an den Schultern von sich und stapfte davon, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Völlig von der Rolle blieb ich allein zurück.
Schockiert und gleichzeitig im siebten Himmel angekommen, schloss ich die Augen und strich mir mit den Fingerspitzen über den Mund, die Lippen waren noch ganz feucht von unserem Kuss. Wie paralysiert lehnte ich mich gegen die Rinde des Baumes, atmete tief durch, um mein wildklopfendes Herz zu beruhigen, und dachte gleichzeitig über Logans Verhalten nach.
Jetzt, wo ich mich auf den Weg zum Training machen muss, ist mir etwas mulmig zumute. Auf der einen Seite freue ich mich darauf Logan wiederzusehen, doch auf der anderen habe ich Angst, dass dieser Kuss unser Arbeitsverhältnis beeinflusst. Da er regelrecht vor mir geflohen war, weiß ich auch gar nicht, wo wir im Moment stehen. Auch wenn ich seine Nähe über alle Maße genossen und mich unglaublich geborgen in seinen Armen gefühlt habe, ist mir dennoch bewusst, dass der Kuss ein Fehler war. Das darf sich nicht wiederholen.
Es wird demnach vermutlich das Beste sein, wenn ich aufhöre mir den Kopf über Logan zu zerbrechen und einfach so weitermache, wie davor. Vermutlich interpretiere ich viel zu viel in die Sache hinein.
Seufzend betrachte ich mein Spiegelbild. Meine Wangen sind gerötet. Allein der Gedanke an Logan, bringt mein Blut in Wallung. Aber das hat ab sofort ein Ende. Wir sind Freunde und basta.
Auf Makeup habe ich weitestgehend verzichtet, da es beim Schwitzen verläuft. Meiner Meinung nach gibt es nichts Unattraktiveres, als wie ein Waschbär auszusehen, weil Wimperntusche oder Lidstrich verschmiert sind. Meine Haare habe ich mir zu einem französischen Zopf geflochten und mir den Pony mit einer Haarklammer zur Seite weggesteckt, sodass meine hohe Stirn, die ich alles andere als sexy an mir finde, freiliegt.
Zufrieden mit meiner optischen Erscheinung, verlasse ich das Badezimmer und gehe in den Flur meiner kleinen, aber dennoch passablen Wohnung im Herzen Nashvilles. Etwas unter Zeitdruck, was für mich total unüblich ist, weil mir Pünktlichkeit unglaublich wichtig ist, schultere ich meine Sporttasche und verlasse das Apartment, um mich auf den Weg zur Bushaltestation zu machen. Bevor ich durch das Treppenhaus streife, überprüfe ich noch einmal gewissenhaft, ob ich die Tür zu meinen vier Wänden auch wirklich abgeschlossen habe. Ein Spleen, den ich wohl nie ablegen werde. Immer muss ich alles doppelt und dreifach kontrollieren. Meine Mädels machen sich regelmäßig über meinen Kontrollzwang lustig, aber so bin ich nun mal. Eine kleine Mrs. Monk.
Da ich im Stadtzentrum lebe, sind die Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel nur einen Steinwurf entfernt. Ich muss lediglich die Hauptstraße überqueren und schon bin ich am Ziel. Genau aus diesem Grund habe ich mir bis lang auch noch kein Auto zugelegt.
An der Jefferson Lane angekommen, muss ich nicht lange auf den Bus warten. Bereits nach wenigen Augenblicken stoppt er an der Haltestelle. Als sich die Türen öffnen, bedaure ich es etwas, dass ich kein Auto besitze. Die Leute stehen so dicht aneinandergedrängt, dass kaum mehr als ein Blatt Papier zwischen ihre Körper passt. Die Klimaanlage kommt wie üblich nicht gegen die Hitze des Sommers an, weswegen es nach Schweiß riecht.
„Augen zu und durch“, sage ich zu mir selbst und quetsche mich in den überfüllten Bus.
Eine gute halbe Stunde später erreiche ich das Außengelände der Defenders. Beim Pförtner, der das Grundstück bewacht und vor ungebetenen Besuchern schützt, zeige ich meinen Arbeitsausweis vor und eile dann in das Gebäude. Auf direktem Weg begebe ich mich zur Damenumkleide.
Dort angekommen, tausche ich Jeansshorts und Shirt gegen ein bequemes Sportoutfit ein und schlüpfe anschließend in geeignetes Schuhwerk. Darauf wird besonders viel Wert gelegt. Vermutlich deswegen, weil das Trainingsgrün mehr gekostet hat, als meine Eigentumswohnung samt Inventar.
Es sind sogar drei Mitarbeiter angestellt, die sich täglich um die Pflege des kostenbaren Rasens kümmern.
Auf dem Flur befinden sich Spinde, in die man seine Wertsachen wegsperren kann. Ich verstaue meine Klamotten in der Tasche, schultere sie und verlasse die Kabine. Nachdem ich die Tür zugezogen habe und mich zum Gehen abwenden möchte, rempelt mich jemand unsanft an.
„Ey, pass gefälligst auf, wo du hinläufst“, faucht mich eine mir fremde Frau an.
Wegen des Zusammenpralls ist mir die Tasche von der Schulter gerutscht. Da ich den Reißverschluss nicht zugezogen hatte, liegen jetzt meine Habseligkeiten auf dem Fußboden verteilt.
„Verdammt, Lindsey, was ist denn dein Problem? Du bist in Olivia hineingerasselt. Fahr deine Krallen ein und entschuldige dich bei ihr“, sagt William zu ihr, der zu uns gestoßen ist. Sofort geht er in die Hocke und sammelt meine Sachen auf.
Lindsey lacht kurz auf. „Wieso sollte ich?“ Fragend zieht sie eine Augenbraue in die Höhe, zuckt mit den Schultern und scheint sich keiner Schuld bewusst. „Wäre sie nicht blindlinks auf den Flur gestürmt, wäre der kleine Unfall sicherlich nicht passiert. Augen auf, Lady“, wendet sie sich zynisch an mich und verzieht genervt ihr puppenhaftes Gesicht.
„Meine Güte, was läuft nur falsch mit dir? Kannst du dich nicht einmal menschlich verhalten?“, möchte William wissen und überreicht mir meine Tasche. „Sorry, Liv, ich entschuldige mich stellvertretend für Lindsays schlechtes Benehmen bei dir. Vermutlich hat sie nicht gelernt, wie man das macht.“
„Musst du gerade sagen, William. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Ein triumphierendes Lächeln umspielt ihre Mundwinkel. William war bekannt, als der amtierende Bad Boy des Teams. „Du kannst von Glück sagen, dass du in der letzten Saison einer Suspendierung entkommen bist. Anstatt mir eine Moralpredigt zu halten, solltest du lieber die Klappe halten und vor deiner eigenen Haustür kehren. Wie hieß das kleine Flittchen noch gleich, mit der du in flagranti von einem Paparazzo auf dem Herrenklo im Restaurant erwischt wurdest? Hilf mir mal bitte auf die Sprünge, denn ich komm nicht drauf. Ach, egal.“ Sie winkt ab. „Gott, war das vielleicht ein Skandal. Herrlich, deine Nachlässigkeit hat mir damals echt den Tag versüßt.“ Damit lässt sie uns stehen und stolziert auf ihren High-Heels davon.
„Wow, sie scheint nicht gerade dein größter Fan zu sein“, witzele ich, um die frostige Stimmung ein wenig aufzulockern. „Danke für deine Unterstützung, William, aber das wäre nicht nötig gewesen. Ich habe vier ältere Brüder und musste sehr früh lernen, meine Ellenbogen einzusetzen.“ Wegen meines Kommentars lacht er. „Wer war das überhaupt? Ich habe sie noch nie zuvor gesehen. Gehört sie zur Crew?“
„Nein. Sollte man ihr einen Job anbieten, hänge ich meine Handschuhe an den Nagel. Du durftest soeben die reizende Bekanntschaft von Logans aktuellem Betthäschen machen.“
„Logan hat eine Freundin?“, bricht es unüberlegt aus mir heraus, wofür ich mir noch im selben Atemzug selbst ins Knie schießen möchte.
Was geht es mich an, ob er eine Beziehung führt? Absolut nichts. Hoffentlich klang meine Frage nicht allzu schockiert, denn ich kann es nicht gebrauchen, missverstanden zu werden und dass er denkt, ich hege Interesse an seinem Kumpel. Zumal der die größte Plaudertasche im Team ist. Vertraut man ihm ein Geheimnis an, weiß es hinterher jeder.
„Na ja, nicht direkt. Ich würde Lindsey nicht