Defense of Life. Arizona Moore
Augen meiner großen Liebe Melina blicke. Mit aller Macht versuche ich mich vom Gurt zu befreien, doch er klemmt. Wie ein Irrer zerre ich an der Sicherheitsvorrichtung, aber sie will sich einfach nicht lösen.
„Melina? Baby? Ist alles in Ordnung bei dir? Bitte, bitte, sprich mit mir“, krächze ich. Doch sie reagiert nicht auf meine Fragen. Während die Sekunden verstreichen, die sich wie Stunden anfühlen, spüre ich meinen eigenen Pulsschlag, der immer schneller geht.
„Süße, komm schon, sag was“, setze ich erneut an, doch abermals keine Antwort.
Verdammt. Verdammt. Verdammt.
Ich starte einen weiteren Befreiungsversuch und probiere alles, um mich irgendwie aus meinem Sitz zu schälen, mich aus dem Gurt zu winden, doch meine Anstrengungen sind umsonst. Der Gurt sitzt so bombenfest in seiner Verankerung, dass ich chancenlos bin. Die Hilflosigkeit, die ich in diesem Moment verspüre, bringt mich fast um. Es ist für mich nicht zu ertragen, dass ich meinem Mädchen nicht helfen kann.
„Fuck. Fuck. Fuck“, brülle ich aus voller Kehle und lehne mich keuchend zurück. Dabei schlage ich mir die Hände vor das Gesicht und muss feststellen, dass auch sie blutig sind. Doch das ist mir egal. Meine eigenen Verletzungen sind zweitrangig. An erster Stelle steht für mich, dass Melina hier lebend herauskommt.
Doch als die Atmung meiner Freundin immer schwerfälliger wird und sie zu röcheln beginnt, tue ich das Einzige, was in diesem Moment noch in meiner Macht steht. Ich hebe meine Hand und lege sie behutsam auf Melinas Wange. In der Ferne höre ich Sirenen.
„Halte durch. Du musst nur noch einen Augenblick lang stark sein und kämpfen. Hörst du? Hilfe ist schon unterwegs. Ich liebe dich, Baby“, flüstere ich ihr zu und bete, dass meine Worte in ihr Bewusstsein vordringen und ihren Kampfgeist am Leben erhalten.
Ich suche Melinas Hand und drückte sie, um ihr zu vermitteln, dass nun alles wieder in Ordnung kommen wird. Als ich ihre schlanken Finger endlich zu fassen bekomme, stelle ich erschrocken fest, dass sie eiskalt sind. Gleichzeitig sehe ich, dass sich ihr Brustkorb weder hebt noch senkt. Sofort lege ich den Mittel- und Zeigefinger um ihr Gelenk, um den Puls zu fühlen. Nichts. In der Sekunde wird mir klar, dass der Rettungsdienst zu spät kommen wird.
Diese Erkenntnis schmerzt mehr als alles andere. Mir wird schlecht. Panik macht sich in mir breit und mein Herz zerbricht in tausend Stücke. Der Schmerz ist nicht zu ertragen, er zerreißt mich. Ich gebe auf, denn es gibt keinen Grund mehr, zu kämpfen, und lasse bereitwillig zu, dass meine Augenlider immer schwerer werden und hoffe, dass ich auch nicht überleben werde.
Kapitel 1
Logan
Gegenwart
Vorsichtig lasse ich die Tür meines Schätzchens, einem dunkelblauen Porsche in Sonderlackierung, ins Schloss fallen und schließe das Auto ab. Durch das kurze Aufleuchten der Blinkeranlage weiß ich, dass der Wagen zugesperrt ist. Gewissenhaft verstaue ich den Schlüssel in meiner Hosentasche und verlasse den Parkplatz am Rand des Morgan Recreation Parks.
Ohne Eile nähere ich mich dem eingezäunten Park, in dem Jacob Adams, einer meiner besten Freunde und Mannschaftskollege des Baseballteams Nashville Defenders, eine Hütte angemietet hat, um in seinen achtundzwanzigsten Geburtstag reinzufeiern.
An warmen Sommerabenden, wie diesem, steppt hier in der Parkanlage normalerweise der Bär. Die Bewohner der Stadt fliehen aus ihren Wohnungen und belagern den Park, um im wohlverdienten Feierabend die letzten Sonnenstrahlen des Tages einzufangen. Heute ist jedoch geschlossene Gesellschaft. Mein Kumpel hat seine weitreichenden Kontakte genutzt, um den Park eigens für sich zu beanspruchen. Na ja, wohl eher sein alter Herr, der als Landwirtschaftsminister der Vereinigten Staaten zum Kabinett des amtierenden Präsidenten gehört und somit Beziehungen pflegt, die einem verschlossene Türen öffnen. Der Park wird nicht so überlaufen, aber dennoch gut besucht sein. Auf Jacobs Einladungsliste standen knapp einhundertfünfzig Leute.
Der heutige Samstag ist der letzte Tag, bevor wir in der kommenden Woche wieder ins Training einsteigen. Die nächsten Monate wird wieder der Sport mein Leben bestimmen. In der Regel kann ich es kaum erwarten wieder auf dem Feld zu stehen, die beeindruckende Atmosphäre, die auf den Tribünen herrscht, aufzusaugen, mir meinen Handschuh überzuziehen und mir die Seele aus dem Leib zu spielen. Doch momentan fehlt mir noch der Antrieb.
Am Eingang des Parks angekommen, empfängt mich ein bulliger Türsteher mit Stiernacken und Armen wie Hulk Hogan im schicken Anzug und verspiegelter Sonnenbrille auf der Nase, um einen Blick auf meine Einladung zu werfen. Ich ziehe meine Karte aus der hinteren Jeanstasche und halte sie ihm entgegen. Als der Security meinen Namen mit denen auf der Gästeliste abgeglichen hat, nickt er mir zu und gibt den Weg frei.
Während ich die Karte wieder in meiner Hosentasche verschwinden lasse und weiterziehe, schaue ich mich um. Die Party ist bereits voll im Gang. Wie üblich machen Pärchen auf den Grünflächen miteinander rum, kleinere Gruppierungen stehen beisammen und leeren eifrig ihre Drinks, Musik schallt aus den aufgestellten Boxen und einige Mädels lassen auf der improvisierten Tanzfläche die Hüften kreisen. Etwas abseits des Geschehens ist ein Beerpong Tisch aufgestellt. Die Kiffer haben sich in eine dunkle Ecke verzogen, aus der der süßliche Grasgeruch aufsteigt. Der ganz normale Partywahnsinn.
Bevor ich nicht mindestens zwei Drinks in meinem Blutkreislauf habe, werde ich garantiert nicht in den Feierbiest-Modus umschalten können, der mir von meinen Teamkollegen nachgesagt wird. Das liegt vor allem daran, dass sich Melinas Todestag nähert. Jedes Jahr um diese Zeit, gerate ich vollkommen außer Kontrolle und werde unberechenbar.
Verdammt, der Autounfall, der mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat, ist mittlerweile fast zehn Jahre her und noch immer habe ich die Geschehnisse dieser alles zerstörenden Nacht nicht verarbeitet. Wochen, bevor sich der Unfall jährt, verfalle ich in einen unkontrollierbaren Rausch aus Selbsthass, Trauer und Wut. Ich verwandele mich in einen anderen Menschen. Einen, vor dem ich manchmal selbst Angst habe.
In diesem Abschnitt des Jahres wünsche ich mir immer wieder, dass ich Melinas Platz einnehmen oder alternativ die Zeit zurückdrehen könnte. Ich frage mich, warum ausgerechnet sie sterben musste. Wieso durfte nicht ich gehen?
Es belastet mich, dass ich die Schuld daran trage, dass die Liebe meines Lebens auf dem Nashville Temple Cemetery begraben liegt. Ich bin das gottverdammte Arschloch, das ihren Eltern die Tochter und ihrem Bruder die Schwester genommen hat. Damit lebe ich jetzt seit Jahren. Für mich ist auch nachvollziehbar, dass ihre Familie mich abgrundtief hasst.
Bis zu dem verhängnisvollen Tag vor knapp zehn Jahren, hatte ich mich sehr gut mit ihren Eltern verstanden. Ab der ersten Sekunde unseres Kennenlernens, haben sie mich an der Seite ihrer Tochter akzeptiert und mich wie einen neu dazugewonnenen Sohn in ihrer Mitte aufgenommen. Doch all das ist jetzt Geschichte. Ich wurde zum Objekt ihrer Wut und durfte nicht einmal an der Beerdigung meiner Freundin teilnehmen, geschweige denn sie ein letztes Mal im Bestattungsinstitut sehen, um mich von ihr zu verabschieden.
Wäre ich achtsamer gewesen und hätte die Straßenlage besser eingeschätzt, würde ich heute gemeinsam mit meiner Kleinen auf diese Party gehen. Verdammt, es macht mich echt fertig, dass ich sie auf dem Gewissen habe. Ich komme mir nicht besser vor, als ein Mörder.
Ich schüttele ich den Kopf und raufe mir die Haare. Ich glaube, ich brauche schleunigst ein paar Shots. Ich hoffe der Alkohol kann die aufkommenden Gefühle betäuben und die Gedanken in meinem Kopf verstummen lassen.
Während ich nach meinen Mannschaftskameraden Ausschau halte und die Erinnerungen an die Vergangenheit versuche an die Seite zu schieben, vibriert mein Handy in der Hosentasche. Ich hole es heraus und sehe den Namen meiner aktuellen Bettpartnerin, Lindsey Richards, auf dem Display aufleuchten.
„Hi Lindsey, was gibt es?“, nehme ich das Gespräch nach kurzem Zögern entgegen. Ich dachte, dass ich ihr zu verstehen gegeben hatte, dass ich den Abend für mich brauche.
„Wie darf ich bitte deine SMS verstehen? Lese ich das richtig? Du holst mich nicht ab? Mensch, Logan, ich habe