Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich. Martin Schölkopf

Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich - Martin Schölkopf


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insbesondere die primärärztliche Versorgung komplett aus eigener Tasche bezahlen – sowie hohe sonstige Zuzahlungen leisten (s.o.). Auf der anderen Seite haben alle Einwohner freien bzw. kostengünstigen Zugang zur Versorgung in öffentlichen Krankenhäusern. Da hier jedoch noch immer lange Wartelisten bestehen, hat sich in Irland ein „Zwei-Säulen-System“ etabliert: Nahezu 50 Prozent der Bevölkerung verfügen über eine private Zusatzversicherung, mit der Wartelisten übersprungen werden können bzw. ein schneller Zugang zu Diagnose und stationärer Versorgung erreicht werden kann.

      Geldleistungen im Fall von Krankheit oder Mutterschaft werden nicht vom öffentlichen Gesundheitsdienst, sondern vom Sozialversicherungssystem übernommen, das ansonsten die Risiken Alter und Invalidität absichert.

       Organisation der Versorgung

      Der irische Gesundheitsdienst wird von der Health Service Executive (HSE) (s.o.) gesteuert, die gleichermaßen als Finanzierer und Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen auftritt.

      Hausärzte arbeiten i.d.R. in Einzelpraxis oder in kleineren Gemeinschaftspraxen. Im Zuge der aktuellen Reformpläne (s.o.) soll das System der Primärversorgung deutlich ausgebaut werden. Es ist angedacht, kommunale Dienste sowie Primär- und Sekundärversorgung auf regionaler Ebene zusammenzuführen – mit dem Ziel, dort allen Bürgern integrierte, strikt am medizinischen Bedarf orientierte Gesundheitsdienstleistungen anbieten zu können. Personen mit voller Anspruchsberechtigung haben kein Recht auf freie Arztwahl, sondern müssen ihren Hausarzt unter jenen Ärzten auswählen, mit denen die Gesundheitsbehörde vertragliche Vereinbarungen abgeschlossen hat. Personen mit begrenzter Anspruchsberechtigung, die den Hausarzt privat konsultieren, genießen freie Arztwahl.

      Der Zugang zum Facharzt setzt im Regelfall die Überweisung durch den Hausarzt voraus; insofern kommt letzterem die Rolle des Gatekeepers zu. Fachärzte sind in öffentlichen Krankenhäusern angestellt, praktizieren jedoch daneben häufig auch privat.

      Im internationalen Vergleich fällt auf, dass es in Irland vergleichsweise viele Pflegekräfte („nurses“) gibt: Während im Durchschnitt aller OECD-Mitgliedstaaten 8,8 Pflegekräfte auf je 1.000 Einwohner kommen, liegt der Wert in Irland bei 12,2 und somit fast 50 Prozent höher. Allerdings gibt es in Irland weniger Ärzte als im OECD-Durchschnitt: Im OECD-Durchschnitt kommen auf 1.000 Einwohner 3,5 Ärzte, im EU-Durchschnitt 3,6, in Irland sind es hingegen nur 3,1 (Werte jeweils für das Jahr 2017).

      Die irischen Krankenhäuser befinden sich in öffentlicher Trägerschaft der Gesundheitsbehörde oder gehören freigemeinnützigen und privaten Trägern. Aus international vergleichender Perspektive gibt es in Irland relativ wenig Krankenhausbetten: Während im Durchschnitt der Europäischen Union (EU-28) im Jahr 2017 5,0 Betten je 1.000 Einwohner verzeichnet wurden, waren es in Irland nur 3,0 Betten. Private Krankenhäuser erbringen im Regelfall keine Leistungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst.

       Zuständige Behörden im Internet

      Department of Health and Children: health.gov.ie/ und www.health.gov.ie/publications-research/

      Health Service Executive: www.hse.ie

       Vertiefende Literatur

      Mc David, D. et al. 2009: Ireland. Health system review. Health Systems in Transition, Copenhagen.

      OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Ireland: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/ European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels.

       2.1.3 Portugal

       Grundstruktur

      Portugal verfügt über einen nationalen Gesundheitsdienst, dessen Leistungen allen Einwohnerinnen und Einwohnern zur Verfügung stehen. Der nationale Gesundheitsdienst wird nach wie vor überwiegend zentralstaatlich gesteuert. Zwar gibt es seit den 1990er-Jahren fünf regionale Gesundheitsbehörden, denen grundsätzlich die Verantwortung für das Management bzw. die Kontrolle der Gesundheitsversorgung in ihrer Region zukommt. Ihre Finanzautonomie beschränkt sich allerdings auf den ambulanten Bereich, für den sie vom Zentralstaat jeweils Globalzuweisungen erhalten, während die Zuständigkeit für die Krankenhäuser und insbesondere für deren Finanzierung weiterhin beim Zentralstaat liegt. Die in der Folge der Finanzkrise implementierten Maßnahmen (s.u.) haben diese zentral(staatliche) Kontrolle im Krankenhaussektor nochmals deutlich gestärkt.

      Neben dem Gesundheitsdienst existieren in Portugal verschiedene Versorgungssysteme zur Absicherung im Krankheitsfall, die den Beschäftigten bestimmter Wirtschaftszweige und ihren Angehörigen offen stehen. Entsprechende Versorgungssysteme gibt es für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, und im Banken- sowie im Telekommunikationssektor. 16 Prozent der Bevölkerung sind über diese Versorgungssysteme abgesichert. Fast 26 Prozent der Einwohner haben zudem ergänzende private Krankenversicherungen abgeschlossen. Die Policen werden v.a. für privat angebotene Gesundheitsdienstleistungen in den Bereichen Diagnose, fachärztliche Versorgung und Zahnmedizin in Anspruch genommen. Beiträge für private Versicherungsverträge werden staatlich gefördert, indem sie steuerlich abzugsfähig sind. Häufig bieten Arbeitgeber entsprechende Gruppentarife an.

       Finanzierung

      Seit vielen Jahren gibt Portugal konstant zwischen neun und zehn Prozent des BIP für Gesundheit aus. Im Jahr 2017 lag der Wert exakt bei 9 Prozent. Dieser Wert liegt unterhalb des Durchschnitts aller EU-Staaten (9,8 Prozent) und etwas über dem Durchschnitt der OECD-Staaten (8,8 Prozent). Trotz dieses durchschnittlichen Anteils der Gesundheitsausgaben am BIP liegen die kaufkraftbereinigten Pro-Kopf-Ausgaben mit 2.759 US-Dollar (2017) in Portugal deutlich unter dem Schnitt aller EU- und OECD-Staaten; auch deutlich unter dem Wert von Spanien und Italien. Zwischen 2007 und 2017 betrug das jährliche prozentuale Wachstum der Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben lediglich 1,2 Prozent – nur drei EU-Staaten wiesen in diesem Zeitraum eine noch geringere Wachstumsdynamik auf als Portugal.

      Das Gesundheitswesen Portugals wird zu einem großen Teil aus den allgemeinen Steuermitteln des Zentralstaats finanziert. So schulterte der öffentliche Gesundheitsdienst im Jahr 2014 immerhin knapp 66 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben. Der Gesundheitsdienst wiederum finanziert sich zu mehr als 90 Prozent aus Steuern, zu einem kleineren Teil auch aus Zuzahlungen und Eigenleistungen von Patienten, die sich in den Krankenhäusern des Gesundheitsdienstes behandeln lassen und dort Wahlleistungen in Anspruch nehmen.

      Die Geldleistungen bei Krankheit und Mutterschaft werden über das System der sozialen Sicherung getragen. Dieses ist beitragsfinanziert – die Beiträge lagen 2020 bei 34,75 Prozent; davon entfallen auf die Arbeitnehmer 11 Prozent und auf die Arbeitgeber 23,75 Prozent.

      Mehr als ein Viertel der portugiesischen Gesundheitsausgaben wird von den privaten Haushalten finanziert („out of pocket payments“). Im europäischen Kontext ist dies ein sehr hoher Anteil. Der Großteil der privaten Ausgaben entfällt dabei auf die ambulant-fachärztliche Versorgung sowie auf Arzneimittel. Der vom öffentlichen Gesundheitsdienst übernommene Anteil der Arzneimittel variiert abhängig vom jeweiligen Medikament zwischen 20 und 95 Prozent. Das Delta zum Abgabepreis wird durch private Zuzahlungen finanziert. Die Gebühren für die Inanspruchnahme von ambulanten und stationären Gesundheitsleistungen wurden hingegen 2019 komplett abgeschafft; sie waren jedoch ohnehin nur für einen kleinen Teil der privat finanzierten Gesundheitsausgaben verantwortlich.

      Die parallel zum nationalen Gesundheitsdienst existierenden berufs- bzw. statusgruppenbezogenen Versorgungssysteme finanzieren sich über obligatorische Beiträge auf die Bruttolöhne der in den entsprechenden Wirtschaftssektoren Beschäftigten. Die Beiträge werden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam getragen.

      Neben Griechenland war auch Portugal stark von der Finanzkrise betroffen. Im Mai 2011 verständigten sich


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