Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962). Andreas Roth

Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962) - Andreas Roth


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Dieses sollte dann eine „künstlerische Topographie“ des gesamten Landes erarbeiten, von lokalen „Stationen“ zusammengestellt. Die finanziellen Mittel müssten vom Staat und der Kirche bereitgestellt werden. Der frischgebackene Direktor des vom Prinzen Paul von Jugoslawien eingerichteten Museums für zeitgenössische Kunst, welches sich im Konak Knegine Ljubice befand, Milan Kašanin (1895–1981), der 1928 seine Doktorarbeit bei Petković verteidigt hatte, forderte ein Denkmalschutzgesetz. Dafür sollte sich die neue Gesellschaft einsetzen, 50.000 Mitglieder anwerben, eine Zeitschrift ins Leben rufen und ein Forschungs- und Ausbildungsinstitut für Restauratoren aus der Taufe heben, zudem in den Schulen Werbung für die Denkmalspflege betreiben und eine Kommission schaffen, die Denkmäler vor Ort auf ihre Schutzbedürftigkeit untersucht. Nach der Abfassung eines Grußtelegramms an den König wurde eine Kommission zur Ausarbeitung der Satzung der neuen Gesellschaft bestimmt. Dieser gehörten neben zwölf weiteren Mitgliedern auch Vladimir Ćorović, Stanoje Stanojević420 und Vladimir Petković an, mit denen Reiswitz bereits bekannt war. Ein weiteres Kommissionsmitglied war der Architekt Aleksandar Deroko (1894–1988), welcher ab 1941 von Reiswitz für den Kunstschutz geworben werden sollte.

      Es ist nicht klar, ob und inwieweit Reiswitz über den weiteren Verlauf der Geschichte der „Gesellschaft der Freunde der Altertümer“ informiert war. Es befinden sich im Nachlass keine Zeitungsausschnitte dazu, die Tagebuchblätter und die überlieferte Korrespondenz schweigen auch dazu. Die weitere Berichterstattung erfolgte zunächst fast ausschließlich in „Vreme“. So erfuhren die Leser am 21.03.30, dass Aranđelović, Novak, Kašanin, Đurđe Bošković (1904–1990), welcher 1928 sein Architekturstudium in Belgrad beendet hatte und ab 1930 als Kustos im Nationalmuseum arbeiten sollte, der Militärgeistliche Lukić, der Architekt Bogdan Nestorović (1901–1975) und der Direktor des Volkskundemuseums, Borivoje Drobnjaković (1890–1961) in den Vorstand berufen wurden, ebenso wie Deroko und ein weiterer Bekannter von Reiswitz: Miodrag Grbić. Am 10.05. berichtete dann „Vreme“ über das nunmehr fixierte Programm der Gesellschaft.421 Man wollte die Liebe zu jeder Art Altertümer verbreiten, die Öffentichkeit über deren religiöse, kulturelle, nationale und künstlerische Bedeutung informieren, die von Popović angeregte „topographische Karte“ aller Altertümer erstellen, Aufklärung betreiben über die Pflege der Denkmäler, Vorschläge unterbreiten hinsichtlich der Denkmalspflege seitens ausländischer Experten, Ausflüge und Vorlesungen organisieren, eine Zeitschrift herausgeben – wie von Kašanin angemahnt –, und nicht zuletzt intensive Gespräche mit der Kirche über die Erhaltung von Kulturgütern führen. Um für alle Bürger Jugoslawiens offen zu sein, wurde der Jahresbeitrag auf 30 Dinar festgelegt. Vom Ziel der Einführung einer Denkmalschutzgesetzgebung ist im Zielkatalog nicht die Rede, dafür aber wurde dem Wunsch Ausdruck verliehen, dass im ganzen Land Zweigstellen entstehen sollen.

      In den nächsten Monaten berichtete „Vreme“ regelmäßig über Ausflüge und Vorlesungen der Gesellschaft, auch außerhalb Belgrads. Unter dem Hinweis, dass die Gesellschaftsgründung von „Vreme“ initiiert wurde, schrieb das Blatt auf der Titelseite am 23.02.31 über die tags zuvor abgehaltene erste Jahreshauptversammlung nach der Gründung. Hier wurde allerdings erwähnt, dass die Gesellschaft den Kultusminister gebeten habe, ein Denkmalschutzgesetz zu veranlassen. Als ersten großen Erfolg wird feierte man, dass das orthodoxe Patriarchat sich zur Renovierung des Klosters Dečani entschlossen habe. Als ein neues Projekt tauchte die Restauration der Stadtfestung Belgrads, des Kalemegdan auf. Auf sich aufmerksam machte der Kustos am Nationalmuseum, Đorđe Mano-Zisi (1901–1995), der anregte, dass die Gesellschaft sich auch der Pflege und Erhaltung des einheimischen Brauchtums annehme. Er warnte zudem davor, sich in Jugoslawien zu sehr an westlichen Vorbildern in Sachen Industrialisierung, Architektur und Kunst zu orientieren. Er rief dazu auf, mehr Museen zu gründen und die Aufklärungsarbeit in den Schulen zu intensivieren. 422 Danach brach die Berichterstattung über die Gesellschaft aus ungeklärten Gründen ab. Lediglich im August 1931 wurde noch einmal auf die Gesellschaft Bezug genommen bei namentlicher Nennung von Deroko in Zusammenhang mit deren Einsatz für die Rettung bedrohter Kirchen.423

      „Pravda“ berichtete dann am 06.03.33 über die „zweite“ Jahreshauptversammlung, woraus hervorgeht, dass 1932 keine stattgefunden hatte. Referiert wurde, dass ein Gesetz über Museen und Altertümer auf die Initiative von Aranđelović vor den „gesetzgebenden Ausschuss“ gebracht worden sei. Ein anderes Mitglied der Gesellschaft, der Senator Emil Gavrila (1861–1933), habe sich dafür eingesetzt, dass das Gesetz dem Senat vorgelegt wurde. Zu einer Verabschiedung einer solchen gesetzlichen Regelung aber sollte es bis zum Kriegsausbruch 1941 nicht mehr kommen. Ein Grund dafür könnte die ablehnende Haltung der serbisch-orthodoxen Kirche gegenüber dem Denkmalschutz sein, wie sie sich in der Person des Ohrider Bischofs Nikolaj Velimirović manifestierte.424

      Noch am 14.09.40 forderte auch der Autor eines Artikels in „Vreme“ ein Denkmalschutzgesetz ein. Anlass war die Entdeckung einer römischen Büste bei Straßenbauarbeiten in der Takovksa-Straße in Belgrad. Zwar wurde darüber sofort das Nationalmuseum – zu diesem Zeitpunkt firmierend als Prinz-Paul-Museum – informiert, und der Kustos Jozo Petrović, den Reiswitz 1928 kennenlernte, versuchte eine erste Datierung. Eine Sicherstellung der kopflosen Marmorskulptur konne allerdings nicht erfolgen, da unsicher war, wer der Eigentümer des Fundes war. Sowohl die Straßenbauarbeiter als auch der Stadtbezirk erhoben Ansprüche, sodass letztlich das Fundstück vor Ort gelassen werden musste, nur notdürftig geschützt – so der aufgebrachte Journalist – vor dem zerstörerischen Zugriff vorbeiziehender Trunkenbolde.425

      Schließlich grüßte bei der zweiten Hauptversammlung der Gesellschaft noch als Gastredner und Regierungsvertreter Dr. Josip Barić, Vizepräsident des Obersten Verfassungsgerichts (Državni Savet), mit unverbindlichen Worten die Anwesenden. Der Student Konstantin Končar-Đurđević rief dazu, dass sich die Gesellschaft bei der sichtbaren Kennzeichnungen von Altertümern einbringen sollte.

      Der Vorstand unter seinem Vorsitzenden Aranđelović bestand fast unververändert fort. Mano-Zisi wurde nach seinen aufrüttelnden Bemerkungen bei der letzten Hauptversammlung nun in den Vorstand berufen. Neben Mano-Zisi und Grbić wurde noch ein dritter Kustos in den Vorstand gewählt: Zorka Simić-Milovanović (1901–1973), die seit 1930 als erster weiblicher Kustos im Nationalmuseum arbeitete. Eine weitere Frau wurde in den Aufsichtsrat gewählt.

      Am 15.09.33 veröffentlichte „Pravda“ einen längeren Artikel über die Denkmalpflege und lobte die Rolle der „Gesellschaft der Freunde der Altertümer“, deren Aufgabe es auch sei, gerade bei der sich voll im Gang befindlichen Modernisierung Belgrads dafür einzusetzen, dass die Standorte der dem Fortschritt weichenden, aber historisch wichtigen Bauten zumindest markiert werden. Wann werde sonst, so der Autor „Mil. A. Kostić“, noch überhaupt jemand wissen, wo sich der Palast des Prinzen Eugen von Savoyen befand, der 1717 Belgrad einnahm? Somit war die Gesellschaft dem Aufruf des Studenten Končar gefolgt.

      Neben Mano-Zisi, den Reiswitz 1931 kennenlernte426, tauchte am 02.09.1933 noch ein weiterer späterer Kunstschutz-Mitarbeiter Reiswitz’ auf als Mitglied der Gesellschaft: Graf Adam Oršić-Slavetić (1895–1968), der „tüchtige und energische Kustos“427 des am 01.04. desselben Jahres gegründeten Musems in Niš.428

      Zum letzten Mal fand die „Gesellschaft der Freunde der Altertümer“ Presseniederschlag am 23.04.1934 in einer kurzen Notiz in „Pravda“ über die offensichtlich dritte Jahreshauptversammlung, weiterhin unter dem Vorsitz von Aranđelović und dessen Stellvertreter Milan Kostić, einem pensionierten Gymnasialdirekor, welcher wohl auch der Autor des „Pravda“-Artikels vom 15.09.33 war. Hervorgehoben wurde im Jahresbericht der im vergangenenen Jahr durchgeführte Kurs für 17 Lehrer, die über die Wichtigkeit der Altertümer informiert wurden, um diese Botschaft in die Schulen weiterzutragen. Erwähnt wurden auch die beiden Kloster-Publikationen der Gesellschaft, die von Đurđe Bošković aus dem Jahre 1930/31 zu Gračanica (14 Seiten) und die von Mano-Zisi über Dečani (24 Seiten), die 1934 publiziert wurde. Zwei Anträge wurden angenommen, zum einen rief man auf zur Gründung eines „Rats zur Pflege der Altertümer“ (Savez za čuvanje starina), an welchem alle Gesellschaften zur Altertumspflege und alle neuen Museen beteiligt sein sollten, und zum anderen bot man allen Bezirksämtern (opštine) des Landes, aber insbesondere denen in der


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