Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962). Andreas Roth

Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962) - Andreas Roth


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Šoškić bedankte sich für die von Fischer über Reiswitz ausgerichteten Grüße und fuhr fort: „Auch ihm [Fischer] muss man so sehr dankbar sein, wie [sic, was] er gerade durch die letzte Reise für die Verständigung zwischen deutschen [sic] und Südslawen getan hat.“ Sie erwähnte zudem einen Radiovortrag Fischers, in welchem die Šoškićs selber zu Wort gekommen seien.399

      Neben Skopje und Prizren steuerte Reiswitz in der zweiten Septemberhälfte 1929 noch Tetovo, Bitola und Stobi an.400 Am 26.09. war er wieder in Belgrad, wo er noch bis zum 01.10. blieb.401 Einer seiner ersten Wege führte ihn in die deutsche Gesandtschaft, wo alle „lieb“ zu ihm gewesen seien.402 Mit dem Gesandten Köster kam er am 27.09. in einer Weinstube zusammen. Am nächsten Vormittag, dem 28.09., sah er zunächst endlich Petković, dann traf er sich mit Slobodan Jovanović und schließlich noch mit Friedrich Hüter (1897–1967), dem Belgrader Korrespondenten des zum Hugenbergkonzern gehörenden Scherl-Verlages. Zudem verfasste er das „Bewerbungsschreiben“ für die Ohrid-Konzession.403

      In diesem Brief an die Direktion des Nationalmuseums bat er Petković, bei den „zuständigen Regierungsstellen“ die Genehmigung für die Gradište-Grabungen zu erwirken, im Rahmen eines Abkommens zwischen dem „Deutschen Reichsinstitut für Archäologie“ und dem Belgrader Nationalmuseum. Die Genehmigung möge sich auf „den Berg, der zwischen Ochrid und Struga liegt“ erstrecken, die finanziellen Mittel würden deutscherseits aufgebracht und die Arbeiten von deutschen und südslawischen Gelehrten ausgeführt werden. Eigentümer der Funde bleibe der südslawische Staat, doch solle bald ein Abkommen geschlossen werden, um die Anfertigung von Dubletten für deutsche Zwecke zu regeln. Das alleinige Veröffentlichungsrecht erhalte das deutsche Reichsinstitut. Der Vertrag solle fünf Jahre laufen, mit einjähriger Kündigungsfrist zum Ende der Geltungsdauer.404 Bereits einen Tag später wurde Reiswitz’ Vorschlag vom Unterrichtsminister Božidar Maksimović (1886–1969) genehmigt, was darauf schließen lässt, dass die entscheidenden Vorgespräche mit Petković schon im Vorfeld zu einem in Reiswitz’ Sinne erfolgreichen Abschluss gebracht worden waren. Die geplante Übereinkunft war ohnehin im Einklang mit der „ideology of Europeanization“, die die „driving force“ der jugoslawischen Museumspolitik der 1930er Jahre bildete.405 Petković schickte Reiswitz am 05.10. den Ministerbeschluss in deutscher Übersetzung nach Berlin.406 Reiswitz leitete diesen am 15.10. sofort an Rodenwaldt weiter mit dem Hinweis, dass er, Reiswitz, sich nun an Köster wenden werde, um diesen dazu zu bringen, dem Auswärtigen Amt die Dringlichkeit der in Angriff zu nehmenden Grabungen zu dokumentieren im Zusammenhang mit der deutschen auswärtigen Kulturpolitik.407

      Diesen Schritt unternahm Reiswitz am 31.10.29 mit einem vierseitigen Schreiben an Köster. Er berichtete über den „guten Ausgang“ seiner Bemühungen, die Grabungskonzession zu erwirken und strich heraus, dass nun die finanziellen Mittel für den ersten, für das Frühjahr 1930 angepeilten Grabungsgang zu besorgen seien. Klar sei, wie wichtig Gradište dabei sein konnte, der deutschen Archäologie den Zugang zu den jugoslawischen Fundstellen zu sichern: „Ganz egal, ob Gradište das hält, was ich verspreche, oder nicht … in jedem Falle sind unsere Archäologen einmal unten und werden, wenn Gradište enttäuschen sollte, auf Grund der ersten Genehmigung bestimmt auch eine zweite erhalten“. Um die Gelder beim Auswärtigen Amt zu bewilligen, bat Reiswitz Köster darum, sich direkt an die Wilhelmstraße zu wenden und formulierte dem Gesandten diesen „Bericht“ sogar vor, wonach es „kulturpolitisch … ganz besonders wichtig sei“, dass sich Deutschland in Südserbien für wissenschaftliche Forschung einsetze.408 Reiswitz’ zusammenfassender, handschriftlicher dreiseitiger Übersicht seiner Ohridaktivitäten von 1918–1930 aus dem Nachlass zufolge ist Köster seiner Bitte nachgekommen.

      In dem Schreiben vom 31.10. ging Reiswitz noch auf andere Felder deutsch-jugoslawischer Kulturbeziehungen ein. Er riet Köster, dass deutsche Kunsthistoriker, die sich mit Kirchen und Klöstern in Südslawien befassten, sich unmittelbar zwecks der Erteilung möglicher Genehmigungen an Petković wenden sollten, „der ein aufrichtiger Deutschenfreund“ sei, den Köster unbedingt kennenlernen müsse, da er nicht nur „die wichtigste Instanz für alle archäol. und kunsthistor. Unternehmungen“ sondern auch ein „ganz besonders sympathischer Mensch“ sei.

      Dann legte er Köster Milorad Šoškić ans Herz, der Köster bald in Belgrad besuchen wolle und erwähnte ferner die geplante Veröffentlichung von Šoškićs Jenaer Dissertation in der „neuen Südosteuropäischen Bibliothek“, was natürlich auch Werbung in eigener Sache für Reiswitz gleichkam. Ebenso machte er Köster auf Professor Mirko Jovanović aufmerksam, welcher am Seminar für zukünftige orthodoxe Priester in Prizren (Srpska Pravoslavna Bogoslovija Sv. Kirila I Metodija) lehrte, und ein Stipendum suche für einen seiner 1930 das Studium beendenden Schüler, der beabsichtige, in Deutschland Germanistik zu studieren.

      Ein wesentlich sensibleres Thema, welches Reiswitz danach ansprach, war das deutsche Schulwesen in Jugoslawien.409 Im Zusammenhang mit einer neu erlassenen Schulverordnung410, welche „für die Minoritäten“ sehr ungünstige Bestimmungen in sich trage, habe Reiswitz der seit Juli 1929 im Amt befindliche Presseattaché der jugoslawischen Gesandtschaft in Berlin, Omer Kajmaković (1890–1969)411, mitgeteilt, dass der Gesandte selbst, Živojin Balugdžić, die Regierung in Belgrad ersucht habe, die neuen Bestimmungen „bei den Deutschen durch administratives weitgehendes Entgegenkommen stillschweigend zu annulieren.“

      Wie Köster auf Reiswitz’ Auskunft aus zweiter Hand reagierte, und ob ihm Reiswitz’ Mitteilung von Nutzen war, ist nicht überliefert. Das deutsche Schulwesen und die Stellung der deutschen Volksgruppe waren für Köster, der zuvor deutscher Gesandter in Riga war, sicherlich keine gänzlich neue Problematik. Er setzte sich in der Tat auch für die „Verbesserung der Schulgesetzgebung“ ein und hatte „erste Erfolge“.412 Reiswitz hatte sicherlich Bedenken, dass er mit seinen möglicherweise als indiskret oder anmaßend verstandenden Ratschlägen den Gesandten verstimmt haben könnte. Einerseits ließ er Köster wissen, dass er weitere Details zu der pikanten Schulgesetzproblematik ihm lieber persönlich mitteilen wolle, andererseits erläuterte er am Ende des Schreibens etwas verschwurbelt, dass er sich keinesfalls „hineinmischen“ oder „wichtig tun“ wolle, sondern dass er „allein aus dem Bedürfnis heraus“ handele, „in dieser letzten Endes doch so egozentrischen wissenschaftlichen Tätigkeit einmal auch praktisch durch und bei meiner Arbeit wirken zu können.“ Unverkennbar ist, wie Reiswitz einerseits Kösters Ressourcen in Anspruch nehmen wollte, andererseits aber auch bereitwillig eine kleine Gegenleistung erbrachte.

      Reiswitz’ Rolle als Initiator der Gradište-Konzession und als Mittler zwischen den beteiligten jugoslawischen und deutschen Instanzen kam nun vorerst zu Ende. Der eigentliche Vertrag liegt als Entwurf im Archv der Serbischen Akademie der Kunst und Wissenschaft in Sremski Karlovci und ist undatiert. Als vertragsschließende Parteien waren das DAI, vertreten durch Unverzagt und Reiswitz, und das Belgrader Nationalmuseum, vertreten durch Petković, vorgesehen. In einigen Punkten ging das Abkommen noch über die von Reiswitz Ende September 1929 Petković gegenüber gemachten Vorschläge hinaus. So verpflichtete sich das DAI, bei den Grabungen jugoslawische Arbeiter zu beschäftigen. Andererseits erhielt das DAI das Recht, von der Ausgrabung zurückzutreten, falls die im Jahre 1930 durchzuführende Probegrabung nicht zu einem „befriedigenden Ergebnis“ führte. Als Laufzeit wurden nun nicht fünf Jahre festgelegt, sondern der Zeitraum „bis zur Erledigung des von den deutschen Sachverständigen geplanten wissenschaftlichen Zieles“, welcher aber im Vertragsentwurf nicht genauer spezifiziert wurde. Die Konzession erstreckte sich „auf die Untersuchung des Gradište bei Ohrid“.413

      Am 05.12. schrieb er an Petković, um ihn darauf hinzuweisen, dass sich die Mittelbeschaffung für die erste Grabungskampagne, die im April oder Mai 1930 stattfinden sollte, „in einem so armen Lande, wie es Deutschland jetzt geworden ist“ noch eine Woche verzögere, und dass „nur ein Archäologe“ und er selbst die erste „kleine Schürfung“ vornehmen werden. Er kündigte an, dass sich Rodenwaldt bald an Petković wegen der „Einzelheiten“ wenden werde. Zudem ließ er Petković wissen, dass er selbst im Moment „sehr viel“ arbeite und „sehr still“ lebe.

      Rodenwaldt trat dann tatsächlich am 09.12. in Aktion,


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