Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962). Andreas Roth

Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962) - Andreas Roth


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Babinger, welcher wiederum dafür sorgte, dass Krešeljaković Unannehmlichkeiten bekam, was wiederum Reiswitz verärgerte, da er selbst nun in den örtlichen Gelehrtenkreisen als nicht vertrauenswürdig galt. Dem Brief an Druffel ist aber zu entnehmen, dass sich die Wogen zunächst wieder glätteten.

      Allerdings ist der Reiswitz-Babinger-Korrespondenz noch ein weiterer Vorgang zu entnehmen, der Anlass dazu geben konnte, dass Reiswitz seine Zeit in Sarajevo 1928 nicht in guter Erinnerung behielt. So übersandte Babinger am 19.12.28 Reiswitz die Abschrift eines Briefes, welchen Krešeljaković am 02.12.28 an den Präsidenten der kroatischen Akademie der Wissenschaften und Künste („Südslawische Akademie“), den Historiker und Byzantologen Gavro Manojlović (1856–1939), expediert hatte. Aus diesem Schreiben, welches offensichtlich Manojlović an Babinger in deutscher Übersetzung weitergeleitet hatte, reagierte Krešeljaković auf gewisse Vorwürfe, die Babinger in Korrespondenz mit Manojlović gegenüber Krešeljaković erhoben hatte. Manojlović hatte sich damit wohl an Krešeljaković gewandt. Diesen Vorwürfen zufolge habe Krešeljaković behauptet, „die südslawische Akademie sammle orientalische Handschriften nur scheinbar für sich, tatsächlich aber für Berlin.“ In diese Machenschaften sei Babinger verwickelt, da er die Handschriften unter Preis in Sarajevo erwerbe und mit Gewinn für sich selbst an die Akademie weiterveräußere, welche sie dann nach „Berlin“ abgebe. Welche deutsche Einrichtung sich hinter „Berlin“ versteckte, wird aus dem Brief nicht klar.

      Krešeljaković gab gegenüber Manojlović an, dass der einzige, dem er über Babingers vermeintliche Machenschaften erzählt hatte, niemand anderes war als die Person, der er auch über Babingers angebliches Plagiat339 berichtete: Reiswitz.

      Allerdings, so Krešeljaković, habe er Reiswitz gegenüber lediglich gesagt, dass Babinger die Schriften „billig erhalten“ habe, da der Anbieter sich „in sehr schwierigen materiellen Verhältnissen“ befinde. Er habe keineswegs Reiswitz gesagt, dass Babinger die Ware mit Profit weiterverkaufe: „Ein Universitätsprofessor ist darauf nicht angewiesen.“

      Von wem aber hatte Babinger die Handschriften ursprünglich erworben? Es überrascht zunächst, dass es sich dabei laut Krešeljaković um den hochangesehenen und bibliophilen Orientalisten Safvet-beg Bašagić (1870–1934) handelte, welcher bis zu seiner Pensionierung 1927 als Kustos im Landesmuseum in Sarajevo gearbeitet hatte. Doch bereits 1926 verließ er – so zumindest schrieb Krešeljaković selbst in einem Nachruf auf den 1934 verstorbenen Bašagić340 – sein Bett nicht mehr, was wiederum eine Erklärung für dessen materielle Notlage sein könnte. Seine persönliche Bibliothek, welche sein Vater begonnen hatte, hatte er bereits an die Universität in Pressburg verkauft, wobei allein die Zahl der wertvollen Handschriften 266 betrug.341

      Doch sei der Verkauf an Babinger – den „Handschriften-Acquisiteuer“342 – laut Krešeljaković nur ein Einzelfall gewesen, ohne dass System dahinterstecke, bosnisches Kulturerbe nach Deutschland zu schmuggeln. Dies könnten neben Bašagić selbst zwei weitere bekannte Intellektuelle aus Sarajevo bezeugen, der Büchersammler und Direktor der Zemaljska Banka, Aleksandar Poljanić (?–1948) und Vejsil Ćurčić, der bis 1924 auch als Kustos im Landesmuseum angestellt war, zehn Jahre später die Museumsleitung übernahm und bis 1945 ausübte.

      Die Reiswitz gegenüber privatissime gemachten Anschuldigungen Krešeljakovićs an die Adresse Babingers, die letzterer, nachdem Reiswitz ihm davon unbedacht berichtet hatte, an Manojlović herangetragen hatte, führten bei Manojlović dazu, ein Exempel an Krešeljaković zu statuieren. 1929 wurde Krešeljaković an die bulgarische Grenze versetzt und ging 1932 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Der Schlusssatz seines Briefes an Manojlović vom 02.12.28 hatte Krešeljaković also nicht retten können: „Die südslawische Akademie und die Agramer Universität sind für mich als Kroaten Heiligtum, denen gegenüber ich … mich nicht versündigt habe.“343

      Reiswitz, auf der anderen Seite, war zunächst äußerst verstimmt wegen Babingers Indiskretion. Am 19.12.28 teilte er ihm brieflich mit, „dass Sie die Sache Kr. nun doch vor Manojlović brachten war nicht schön von Ihnen. Ich sagte Ihnen schon in Sarajevo, dass Sie mir damit riesig schaden würden“. Doch aus dem bereits erwähnten Brief Reiswitz’ an den Konsul von Druffel aus dem Jahre 1930 geht hervor, dass Babinger und Reiswitz sich schlussendlich versöhnten: „Babinger und ich haben uns in diesem Jahr seit Sarajevo oft gesehen, eigentlich sind wir sogar jetzt befreundet und jetzt, wo ich ihn besser kenne, weiss ich auch, dass er nicht der grobe Egoist ist, für den ich ihn früher gehalten habe“.

      Ebenso wenig wie es die Quellenlage zulässt, die Verdachtsmomente in Bezug auf Babinger abschließend aufzuhellen, ebenso wenig Klarheit gibt es hinsichtlich einer möglichen Nebenerwerbsquelle für Reiswitz selbst im Zusammenhang mit dem Transfer von Kulturgut. In einem Briefentwurf an seinen Vetter Hans Kurd Freiherr von Reiswitz und Kaderžin (1878–1949)344 vom 10.12.28 erläuterte Reiswitz sein Vorhaben. So habe er einen Tag vor seiner Abreise nach Deutschland mit dem Kustos Miodrag Grbić die Vereinbarung getroffen, dass dieser dem Vetter Hans „alle Antiquitäten, die das Museum selbst nicht kaufen kann, da es nicht viel Geld hat“ zum „Einkaufpreise“ anbieten werde. Monatlich habe Grbić ursprünglich sogar zehn Kleinplastiken offeriert, doch Reiswitz hielt drei für realistischer. Was die „Gewinnbeteiligung“ anbelangt, so möge Hans Kurd darüber befinden. Im weiteren Verlauf des Briefes betonte Reiswitz, dass er darauf bestanden habe, dass der zweite Kustos des Museums, Jozo Petrović, dieser Vereinbarung zustimmen müsse. Inwieweit diese angedachte Geschäftsidee in die Tat umgesetzt wurde, ist fraglich, ebenso wie die Legalität des Vorhabens. Es ist jedoch mehr als unwahrscheinlich, dass Reiswitz etwas Derartiges eruiert hätte, wenn es, in welcher Form auch immer, juristisch fragwürdig gewesen wäre.

      Neben Krešeljaković lernte Reiswitz auch Derviš M. Korkut (1888–1969) in Sarajevo kennen. Korkut sollte im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielen im Zusammenhang mit der Rettung der mehr als 700 Jahre alten Haggadah von Sarajevo, einer ursprünglich aus Spanien stammenden jüdischen Handschrift, die Korkut 1942 dem deutschen Zugriff entzog, in dem er sie buchstäblich in letzter Minute aus dem Landesmuseum schmuggelte und bei einem Imam bis zum Kriegsende versteckte. Doch der muslimische Korkut rettete nicht nur ein jüdisches Buch, sondern auch ein jüdisches Mädchen, die Tochter eines verstorbenen Kollegen, Donkica Papo, die er in seinem eigenen Haus versteckte und als muslimisches Dienstmädchen ausgab.345 Für diese Tat wurde er 1994 zusammen mit seiner Ehefrau Servet von der Gedenkstätte Yad Vashem als einer der „Righteous Among the Nations“ anerkannt.346

      Korkut übernahm 1921 die Funktion des Sektionschefs im jugoslawischen Kultusministerium, kündigte aber 1923, um in die Politik zu gehen als Generalsekretär der Muslimischen Partei (Jugoslovenska Muslimanska Narodna Organizacija). Doch am 05.03.1927 wechselte er wieder in den Staatsdienst als Bibliothekar am Landesmuseum.347

      Reiswitz konsultierte Korkut offensichtlich im Kontext seiner Bogumilenrecherche. In einem Brief an Babinger vom 15.11.28 findet sich eine äußerst kryptische Passage: „Das Hasen-fell-Buch der Herren Korkut Vukovic Petronic348 stellte sich als eine der beliebten Wichtigkeitsblähungen heraus und hätte uns überdies beinahe einen noch einen Schwanz von Unannehmlichkeiten gebracht. Mit den Bogomilen hat es überhaupt nichts zu tun. Näheres mündlich.“ Einen Monat später erwähnte auch Babinger dieses mysteriöse Hasenfellbuch in seinem Brief an Reiswitz vom 11.12.28: „Ich bin mächtig gespannt, was Sie alles erzählen werden über das Hasenfell“.

      Die zweite Erwähnung Korkuts erfolgte in Reiswitz’ Brief an Babinger vom 19.12.28. Augenscheinlich hatten Reiswitz und Korkut einen kameradschaftlichen Disput über die Erfindung des Luftschiffes: „Korkut behauptete mir gegenüber einmal, Graf Zeppelin hätte seine Erfindung von einem Kroaten namens Schwarz349. Ich erwiderte daraufhin, dass ich um Beweise bäte und ehe ich diese nicht hätte, nicht daran glauben würde.“

      Schließlich erwähnte Reiswitz Korkut beiläufig noch einmal in einem Brief an Böckschen vom 25.07.29. Korkuts Visitenkarte hat sich im Nachlass erhalten, auf welcher sein Titel „Sektionschef “ durchgestrichen ist und handschriftlich „Kustos des bosn.-herz. Landesmuseums Sarajewo“ hinzugefügt wurde.

      Während


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