Der Gesang des Sturms. Liane Mars

Der Gesang des Sturms - Liane Mars


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sicher?«

      »Wärest du denn traurig darüber?«

      »Wie kannst du bloß so eine dämliche Frage stellen?«

      »Sie ist nicht dämlich«, entgegnete Elendar vehement und hätte noch mehr hinzugefügt, wenn Sirany nicht just in diesem Moment ihren Halt auf dem Ufer verloren hätte und mit einem Platsch ins Wasser gefallen wäre.

      Sie tauchte einmal vollständig unter und erinnerte Elendar daran, dass der Teich wirklich verdammt steil abfiel. Prustend und keuchend kam sie wieder an die Oberfläche. Hilflos paddelte sie herum und so etwas wie Panik spiegelte sich auf ihrem Gesicht.

      Im ersten Moment hatte Elendar lachen wollen, aber der Humor blieb ihm im Hals stecken. Endlich begriff er, was er sah. Sirany konnte ganz offensichtlich nicht schwimmen.

      Mit einem Fluch zog er sich die Schuhe von den Füßen, riss sich den Mantel herunter und sprang hinterher. Im Nu hatte er Sirany erreicht und gepackt, zog sie näher zu sich heran und hielt sie fest. Einander umklammernd paddelten sie für kurze Zeit still vor sich hin. Siranys Kleider waberten wie Quallen um sie herum und hüllten sie beide ein. Ab und an berührten sich ihre schlagenden Beine und Elendar spürte Siranys Herzschlag an seiner Brust, bemerkte mit erschreckender Klarheit ihre vor Kälte hart gewordenen Brustwarzen, die sich an ihn pressten.

      Damit sie nicht unterging, hatte er ihr die Arme unter die Achseln geschoben und die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt. Jetzt spürte er ihre schwarzen Haare auf seiner Haut, wie sie ab und zu von ihren Bewegungen in Schwung gerieten und sanft über seine Arme glitten.

      Ihre glitzernden Augen waren nur einen Hauch von seinem Gesicht entfernt, und als er in das tiefe Grün ihrer Iriden blickte, setzte sein Herz für einen winzigen Augenblick aus. Sein Körper reagierte instinktiv auf ihren Anblick, auf ihre Nähe. Normalerweise wäre er nun hastig von ihr abgerückt, doch hatte er in diesem Fall Angst, sie könnte wieder untergehen. Es blieb ihm nur zu hoffen, dass sie seine männliche Reaktion nicht als das erkannte, was sie war.

      Dann sah er den Schalk in ihren Augen blitzen und ihm dämmerte langsam etwas. Für eine Nichtschwimmerin hatte sie erstaunlich wenig Angst und bewegte sich ein wenig zu sicher in seinen Armen.

      »Kannst du wirklich nicht schwimmen?«, fragte er sie schließlich und seine Stimme klang ein wenig gepresster als sonst.

      »Klar kann ich schwimmen. Sonst hätte ich mich kaum so lange in diesem Teich halten können. Ich wäre direkt untergegangen«, erwiderte sie mit einem breiten Grinsen. »Wo ich schon mal in den Teich gefallen bin, dachte ich mir, das sei die einzige Möglichkeit, um dir mal eine kräftige Abkühlung zu verschaffen.« Sprachs, und schon schwang sie ihre Hände auf seinen Kopf und legte all ihr Gewicht in ihre Arme, um ihn unter Wasser zu drücken. Elendar war viel zu verblüfft, um zu reagieren. Sekunden später fand er sich selbst in einer wilden Wasserschlacht mit Sirany wieder.

      Von da an hatte sich die Stimmung zwischen ihnen verändert. Sirany konnte nicht genau sagen, was es war, aber es war spürbar, auf eine angenehme Art und Weise. Elendar blickte sie jetzt anders an, wenn er gerade dachte, sie würde es nicht sehen, und sie spürte seine Blicke als angenehmes Prickeln auf der Haut.

      Sie wusste ganz genau, mit welchen Problemen Elendar im Teich zu kämpfen gehabt hatte, und dieses Wissen beruhigte sie. Seine körperliche Reaktion zeigte ihr, dass er sie nicht als eine Art Schwester ansah, die es auszubilden galt.

      Sie musste sofort grinsen, wenn sie an den Moment zurückdachte, als sie aus dem Teich geklettert war und mit tropfendem Rock und wahrscheinlich ziemlich durchsichtigem Hemd am Ufer gestanden hatte. Elendar hatte sich rasch umgedreht, ihr zugerufen, sein Mantel liege im Matsch und sie könne ihn gern überziehen, und war eine Runde schwimmen gegangen, fadenscheinig behauptend, er wolle sich ein wenig abkühlen.

      Später versuchte Elendar, sich nichts anmerken zu lassen. Er hielt weiterhin den gewohnten Abstand zu ihr, nutzte aber doch jede Gelegenheit, um ihn zu durchbrechen. Sei es beim Bogenschießen, wenn sie den Bogen angeblich nicht richtig hielt, oder bei der Selbstverteidigung, wenn er sie manchmal ein klein wenig zu lange im Klammergriff hielt. An manchen Tagen ergab sich keine Gelegenheit und dann spürte Sirany, dass sie etwas vermisste.

      Seine kurzen Berührungen, und waren sie noch so flüchtig, waren Balsam für ihre Seele. Sie mochte es, wie er sie ansah, und freute sich, wenn er mit ihr lachte. Es war eine gute Zeit.

      Natürlich war es nicht die ganze Zeit einfach. Oft war Elendar gestresst oder gereizt. Dann fauchte er sie an oder behandelte sie wie Luft. In dem Fall war Sirany geduldig und wartete auf bessere Laune.

      Was er ihr kurz vor ihrem Sturz in den Teich anvertraut hatte, beschäftigte sie sehr. Sie wusste, dass seine oftmals angespannte Stimmung damit zu tun haben musste. Sie fragte sich oft, von welchen mächtigen Männern er seine Befehle bekam. Wer erteilte ihm die Aufträge? Und was musste er dann tun? Und vor allem: Was hatte es mit seiner Andeutung über Alexej auf sich?

      Sirany war nicht dumm. Sie spürte, dass solche Worte wie aus Elendars Mund tödlich sein konnten. Alexej war Gottkönig. Seine Kraft durfte nicht angezweifelt werden. Allein der eine Satz hätte gereicht, um sie beide zum Tode zu verurteilen.

       Alexej ist kein Gott.

      So etwas durfte man in einem sharisch besetzten Land niemals sagen. Niemals!

      Sirany sprach Elendar deshalb nicht erneut darauf an und mied solche Themen. Sie hatte das Gefühl, der Politik der Mächtigen viel zu nahe zu kommen. Gefährlich nahe. Daher trat sie einen großen Schritt zurück und befasste sich lieber mit Dingen, die sie begriff.

      Bogenschießen zum Beispiel.

      Bis Elendar erneut etwas tat, was sie überraschte. Er lud sie ein ins Lager. Das war etwa ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung. Dass er ihr einen festen Zeitpunkt nannte und sich dabei seltsam unbehaglich bewegte, verwirrte Sirany, machte sie aber neugierig. Normalerweise kam sie immer dann, wenn sie Zeit hatte. Waren die Männer dann nicht in der Zeltstatt anzutreffen, was häufig geschah, kam sie einfach ein andermal wieder. Jetzt wollte Elendar sie zu einer bestimmten Zeit sehen.

      Er bat sie sogar, ein Kleid anzuziehen. Ein schönes.

      Sirany kam die Sache sonderbar vor, doch sie tat wie geheißen. Also zog sie ihr bestes Kleid an – ihre Mutter hatte es in zahlreichen stürmischen Nächten für sie genäht – und frisierte sich sorgsam die Haare. Nach langem Überlegen trug sie sogar etwas Beerensaft auf ihre Lippen auf, puderte sich die Wangen und zog sich die Augenlider mit Kohle nach.

      Dann starrte sie ihr Spiegelbild an und fragte sich zum ersten Mal, wie Elendar sie sehen mochte.

      Durch das viele Arbeiten unter freiem Himmel hatte sie leicht rötliche Wangen, die durch das Puder nun betont wurden. Ihre Lippen waren voll und schön geschwungen, das wusste sie, nur welche Art von Lippen Elendar gefielen, wusste sie nicht.

      Seufzend fuhr sie sich über das Kleid, das sich sanft an ihre Haut schmiegte. Ihre Hüften waren im letzten Jahr breiter geworden, die Taille etwas schmaler. Das Einzige, was sich nicht geändert hatte, war ihr Brustumfang.

      Stirnrunzelnd betrachtete sie die kleinen Erhebungen, straffte sich und schob die Brust nach vorn. Das Kleid war ein wenig zu tief ausgeschnitten für ihren Geschmack, doch das war nun nicht mehr zu ändern.

      Rasch zog sie sich ihre dicken Lederstiefel an, wickelte sich in ihren warmen Mantel und verließ wie viele Male zuvor das Haus durch den Hintereingang, nachdem sie ihren Eltern einen schönen Abend gewünscht hatte.

      Die beiden sahen sich vielsagend an, nachdem sie ihre Tochter erblickt hatten und sie dann gegangen war. Schminke war für sie ein eindeutiges Indiz für ihre Vermutungen.

      »Du musst bald mit ihr reden«, murmelte Sarn. »Ich mache mir große Sorgen um sie.«

      »Weil unsere Tochter erwachsen geworden ist und sich zum ersten Mal verliebt hat? Oder weil dir ihr


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