Seewölfe Paket 33. Fred McMason
sind mit ihrer leeren Galeone zwischen den Untiefen gerade noch so durchgesegelt, wenn ich das bemerken darf“, erklärte der Dritte. „Es sieht ganz danach aus, als hätten sie uns bewußt in die Irre gelockt.“
„Das sagte ich bereits eben“, erwiderte Don Julio. „Quatschen Sie mir nicht immer das nach, was ich gerade betonte. Die Erkenntnis ist nicht mehr neu, Señor Quieras.“
„Ja, ich weiß, entschuldigen Sie bitte. Ich muß erst mit der neuen Situation fertig werden.“
„Dann fangen Sie am besten gleich damit an.“
Don Julio drehte sich wieder zur Seite und blickte der Galeone nach, der sie ihr Desaster zu verdanken hatten.
Er glaubte, ein fernes Gelächter zu hören, ein Gelächter voller Schadenfreude. Die Kerle standen ausnahmslos an Deck und blickten neugierig herüber.
Voller Wut registrierte er, daß ein paar der Schwarzen wild hüpfend über die Decks sprangen und die Arme hochrissen.
Augenblicklich übermannte ihn wieder ein heilloser Zorn, und er schlug voller Wut auf den Handlauf des Schanzkleides.
Auf dem Schiff wurde es jetzt lebendig. Die meisten hatten den schweren Schock verdaut und sahen, was passiert war. Anfangs wollte es gar nicht in ihre Köpfe.
Jetzt versammelten sie sich auf dem Deck. Don Julio ließ sofort alle höheren Chargen zusammentreten.
„Wir beginnen sofort mit den Aufräumungsarbeiten“, ließ er über seinen Ersten Offizier verbreiten. „Wenn die Decks aufgeklart sind, wird mit allen Mitteln versucht, das Schiff vom Grund zu bringen. Dazu wird erforderlich sein, die Galeone zu leichtern. Wir beginnen nach den Aufräumungsarbeiten mit den schweren Kanonen. Sie werden nach achtern gebracht. Lassen Sie die Küste beobachten, Señor Quieras. Ich möchte wissen, ob wir bei Ebbe oder Flut aufgelaufen sind. In einer halben Stunde will ich Ihre Meldung, weil sie von allergrößter Wichtigkeit ist.“
Der Dritte salutierte und verschwand augenblicklich, er war heilfroh, etwas tun zu können und nicht in Don Julios unmittelbarer Umgebung zu stehen.
So ließ er von zwei Männern beobachten, ob der Wasserspiegel sank oder noch anstieg.
Die anderen begannen inzwischen damit, die Spieren, Hölzer, Segeltuchfetzen und Rahen zu bergen. Der Schiffszimmermann schlug vor, aus dem abgebrochenen Fockmast einen neuen, leider etwas kürzeren zu erstellen, der als Notbehelf vorerst ausreichen würde.
„Wie lange wird das dauern?“ wollte der Kommandant wissen.
„Etwa zwei Tage, es ist eine Menge Arbeit.“
„Schaffen Sie sie in einem Tag und einer Nacht. Bis dahin steht der Mast wieder. Nehmen Sie sich so viele Leute, wie Sie brauchen.“
Auf der Galeone wimmelte es jetzt wie in einem Ameisenhaufen.
Noch bevor die halbe Stunde vergangen war, kehrte der Dritte Offizier zerknirscht aufs Achterdeck zurück, wo Don Julio stand und aus schmalen Augen zu der Gegnergaleone blickte. Seine rechte Hand trommelte dabei ungeduldig auf dem Handlauf der Balustrade.
„Nun?“ fragte der Kommandant ungeduldig.
„Wir sind offenbar beim höchsten Punkt der Flut aufgelaufen“, teilte er zerknirscht mit. „Das Wasser läuft ab, wie ich eindeutig festgestellt habe.“
„Auch das noch. Ein Unglück kommt selten allein“, schnaubte Don Julio ärgerlich. „Wie hoch ist der Tidenhub an dieser Ecke?“
„Das haben wir noch nicht herausgefunden in der kurzen Zeit. Er scheint jedoch beträchtlich zu sein.“
„Natürlich, alles andere hätte mich auch sehr gewundert. Wir sind auf dieser Reise vom Pech verfolgt.“
Der trommelbäuchige Dicke bestätigte das eifrig. Don Julio hatte ja nur allzu recht!
Er verschwand eiligst, um weiterhin das Wasser zu beobachten, obwohl das kaum noch Sinn hatte.
Unter der riesigen Blinde, die jetzt ebenfalls größtenteils nur noch aus Trümmern bestand, konnte Don Julio etwas später die Sandbank erkennen, die ihnen zum Schicksal geworden war. Sie war breit und ausladend und zog sich bis zum Ufer hin.
Sie saßen in einer schmalen Rinne fest und würden sich wahrscheinlich noch tiefer in den Untergrund bohren, wenn die Ebbe ihren niedrigsten Stand erreicht hatte.
Feine Aussichten waren das.
Don Julio ließ die Arbeiten unterbrechen, um zu retten, was noch zu retten war. Zuerst mußte umgestaut und geleichtert werden, oder sie mußten auf den nächsten Höhepunkt der Flut warten. Jetzt aber waren erst mal die schweren Geschütze an der Reihe, die von vorn nach achtern gebracht werden mußten.
Eine Schinderei ohnegleichen begann für die schwitzenden und verzweifelten Spanier.
7.
Für die Schwarzen auf der „Isabella“ war das Aufbrummen des gigantischen Brocken ein solcher Spaß, wie sie noch keinen erlebt hatten.
Sie benahmen sich wie Kinder, als der Bug der „Casco“ sich hob, sie auf Grund geriet und den Fockmast verlor.
Krachen, Gebrüll und anhaltendes Dröhnen waren zu hören, dazwischen das gellende Geschrei entsetzter und genervter Männer.
Dogon, der schwarze Anführer, krümmte sich auf dem Deck zusammen und hieb wieder mit aller Kraft auf seine schwarzen Schenkel. Sein Lachen riß die anderen automatisch mit, und so wurde an Deck der „Isabella“ eine Lachsalve nach der anderen zum Himmel geschickt.
„Denen haben wir es aber besorgt“, sagte Jean Ribault, der sich das Grinsen ebenfalls nicht verkneifen konnte. „Was gäbe ich darum, wenn Hasard das Schauspiel jetzt sehen könnte!“
„War wirklich ein toller Spaß“, bestätigte der Profos.
Sie alle standen am Schanzkleid und sahen zu dem Riesen hinüber, der wie ein kranker Wal auf die Sandbank getrieben war und dort hoffnungslos und wahrscheinlich für längere Zeit festsaß.
„Wie geht es denn jetzt weiter?“ fragte er neugierig. „Überlassen wir die Dons sich selbst und segeln weiter?“
„Vorerst bleiben wir noch in der Nähe und beobachten. Sie können uns nichts mehr tun, denn sie sind vollauf mit sich selbst beschäftigt. Wir gehen dort vorn an der nächsten Landzunge vor Anker, lassen die Segel aber lose im Gei hängen.“
„Hattest du nicht einmal was von einer Idee gesagt?“ bohrte der Profos. „Du hast doch etwas ausgeheckt, Jean.“
Der Franzose grinste bis zu den Ohren.
„Eine Idee hätte ich schon“, sagte er. „Nach unserer Devise, den Dons zu schaden, wo immer es nur geht, sollten wir sie nicht unbehelligt lassen. Wenn Spanien das schöne Schiff nicht mehr hat, wäre es doch ein herber Verlust, von dem Konvoi mal ganz abgesehen, oder meint ihr das nicht auch?“
„Klar, so ’n Rieseneimer ist ein ganz schöner Verlust“, sagte Jack Finnegan. „Mit der Kriegsgaleone können sie beispielsweise keine Sklaven mehr einfangen oder andere Schiffe versenken oder Aufstände niederschlagen. Ein Schiff haben sie dann zumindest weniger, ebenfalls von dem Konvoi mal ganz abgesehen.“
Die Kerle lachten sich eins.
„Was hast du vor?“ fragte von Hutten den Freund.
„Genau weiß ich es noch nicht. Aber ich schlage vor, daß wir zuerst Dogon und seine Leute in Sicherheit bringen. Sie können es kaum erwarten, wieder nach Hause in ihre Heimat zu gelangen.“ Er wandte sich an den amüsierten und immer noch grinsenden schwarzen Riesen.
„Wie weit ist es von hier bis zu euch?“ fragte er.
„Oh, nicht mehr weit, Masterkapitän“, erwiderte Dogon. „Wenn wir laufen – und wir werden schnell laufen –, sind