Gleichheit oder Freiheit?. Von Kuehnelt-Leddihn Erik

Gleichheit oder Freiheit? - Von Kuehnelt-Leddihn Erik


Скачать книгу
Ansichten ihrer Wählerschaft getreulich zu vertreten und zu wiederholen; ist dies nicht der Fall, handelt es sich schon eher um eine Republik als um eine Demokratie. Im übrigen haben die Achtung der Rechte der Minderheiten, Redefreiheit und die der Herrschaft der Mehrheit23 auferlegten Einschränkungen nichts mit der Demokratie als solcher zu tun. Dieses sind Forderungen des Liberalismus, und ihre Anwesenheit in einer Demokratie (oder auch in einer Republik) hängt lediglich von der Annahme des liberalen Prinzips ab.

      Jefferson war nun aber in Wirklichkeit ein Agrarromantiker, der von einer Republik träumte, die, von einer Elite des Charakters und des Intellektes regiert, sich auf eine Freibauernschaft stützen sollte24. Dies bezeugt deutlich sein Brief an John Adams vom 28. Oktober 1814:

      »The natural aristocracy I consider as the most precious gift of nature, for the instruction, the trusts and government of society. And indeed, it would have been inconsistent in creation to have formed men for the social state, and not to have provided virtue and wisdom enough to manage the concerns of society. May we not even say that that form of government is the best which provides most effectually for a pure selection of these natural aristoi into the offices of government?«

      Und auf einer anderen Seite desselben Briefes fügt er hinzu:

      »Every one by his property, or by his satisfactory situation, is interested in the support of law and order. And such men may safely and advantageously reserve to themselves wholesome control over their public affairs, and a degree of freedom, which in the hands of the canaille of the cities of Europe, would be instantly perverted to the demolition and destruction of everything public.«25

      Seine einseitige und unchristliche Ablehnung des städtischen Proletariats und der gesamten Arbeiterklasse war so ausgesprochen, daß es schwer zu verstehen ist, wie er, wenn auch nur vorübergehend, zur erlauchten Würde eines Schutzpatrons des »Common Man« erhoben werden konnte. Diese wenig passende Rolle wurde ihm, einem Sklavenhalter, von der Propaganda während des letzten Krieges zugeschanzt. Schrieb er doch da zum Beispiel:

      »The mobs of great cities add just so much to the support of pure government, as sores do to the strength of the human body… I consider the class of artificers as the panders of vice, and the instruments by which the liberties of a country are generally overturned.«26

      In seinen späteren Jahren schienen sich seine Ansichten gemildert zu haben; das Wort democratic kommt in seiner Korrespondenz nur ein einziges Mal vor, einmal sprach er sogar von den »schweinischen Massen«, und das Frauenwahlrecht lehnte er immer rundweg ab27. Seine Liebe zur Scholle blieb unverändert, doch seine zutiefst agrarischen Anschauungen waren in seinen jüngeren Jahren mehr betont. In diesem Sinne schrieb er am 20. Dezember 1787 an Madison:

      »I think that our governments will remain virtuous for many centuries; as long as they are chiefly agricultural: and this will be as long as there are vacant lands in any part of America. When they get piled upon one another as in the large cities of Europe, they will become corrupt as in Europe.«28

      Wie man sieht, waren seine Ansichten selbst über die Möglichkeiten einer Republik sehr beschränkt und von äußeren Umständen abhängig gemacht. Für Frankreich zog er eine konstitutionelle Monarchie der Republik vor. In einem Brief, datiert vom 17. Mai 1792, den er an Washington gerichtet hatte, nannte er sich einen »republikanischen Föderalisten«, und in seiner ersten Antrittsrede als Präsident betonte er, daß er sowohl »Föderalist« als auch »Republikaner« sei.

      Erst viel später, als Andrew Jackson im Jahre 1828 als Präsidentschaftskandidat gegen John Quincy Adams, den Sohn John Adams’, auftrat, wurde jener von einigen seiner Anhänger ein »demokratischer Republikaner genannt«. Dies war nötig, als beide sich als Republikaner bekannten. Sein Nachfolger, Martin Van Buren, brüstete sich, wieder Republikaner zu sein, aber in der Folgezeit wurde der Ausdruck »demokratisch« als Parteibezeichnung immer mehr und mehr gebraucht. Immerhin, der Begründer der demokratischen Ideologie des heutigen Amerika ist und bleibt Andrew Jackson (7. Präsident, 1829–1837), dessen Reiterstandbild in Washington vor dem Weißen Hause prangt. In den vier Ecken des Jackson Square aber kann man die Statuen von vier Adeligen sehen, die den Amerikanern in ihrem Unabhängigkeitskampf zu Hilfe eilten, um für die Freiheit, nicht aber für die Gleichheit oder die Mehrheitsherrschaft zu kämpfen: Tadeusz Kościuszko, Baron von Steuben, der Marquis de Lafayette und der Graf Rochambeau. Graf Kazimierz Pułaski, der einzige General, der im Unabhängigkeitskrieg gefallen war, und Baron de Kalb sind anderswo verewigt. Fast unbekannt ist jedoch der Kronzeuge des Gegensatzes zwischen liberaler Freiheit und demokratischer Gleichheit: Charles-Armand Tuffin, Marquis de la Rouërie, dem ich in meinem Leftism (1974) ein langes Kapitel widmete. Er kam als Freiheitskämpfer noch vor Lafayette in die Vereinigten Staaten, verließ Amerika nach Lafayette, war ein persönlicher Freund Washingtons und ein Mitglied des Ordens der Cincinnati. Nach der Rückkehr nach Frankreich sah er bald die Gefahr der demokratischen Tyrannis und organisierte den bewaffneten Aufstand in der Bretagne. Schwer krank starb er versteckt in einem Schloß, wurde heimlich im Park bestattet, doch von den Jakobinern ausgegraben. Der Leichnam wurde geköpft, und sowohl die Schloßherren als auch seine Freunde endeten am Schafott.

      Diese besonderen Hinweise auf Amerika haben wir für nötig gehalten, denn die politische und kulturelle Propaganda der Vereinigten Staaten hat nur zu oft ein falsches Bild der amerikanischen Vergangenheit verbreitet, zumeist jakobinische Verfälschungen der amerikanischen Geschichte, die in der Regel von Linkselementen in Umlauf gesetzt wurden.

      Diejenigen aber, denen es daran gelegen ist, Klarheit und Ordnung ins politische Denken zu tragen und die Begriffe »Liberalismus«, »Demokratie« und »Republik« methodisch auseinanderzuhalten, haben es in öffentlichen Diskussionen allerdings nicht leicht. In Dokumenten und offiziellen Verlautbarungen kommt ein scholastisches distinguo in diesen Dingen immer als eine Überraschung29. (Leider kann man sich auf solche in den Reden unserer »Staatsmänner« nicht mehr gefaßt machen.) Selten ist sich auch jemand bewußt, daß der wichtigste Unterschied zwischen der festländischen und der angelsächsischen parlamentarischen Tradition in der wichtigen Legierung besteht, die unzertrennlich von der letztgenannten ist: »whiggery« oder Liberalismus im wirklichen Sinn des Wortes. Wenn die große Mehrzahl der Amerikaner und Engländer über »Demokratie« reden – und zu einem gewissen Grade muß man da auch die Schweizer einbeziehen —, schließen sie in ihrem Begriff der Demokratie das liberale Element ein, und dies trotz der Tatsache, daß Demokratie und Liberalismus sich auf zwei völlig verschiedene Probleme beziehen. Die Demokratie beschäftigt sich mit der Frage, WER herrschen soll, während sich der Liberalismus, unabhängig vom Rechtstitel des oder der Herrschenden, um das WIE des Regierens kümmert, denn sein Interesse ist die Freiheit des Regierten und nicht die Rechtstitel der Regierenden30. Eine Demokratie kann völlig illiberal sein31; der Volstead-Act, die Rechtsgrundlage des amerikanischen Alkoholverbotes (1920–1933), kam auf streng demokratischer Basis zustande, stellte aber zugleich einen unerhörten Eingriff in das Privatleben der Bürger dar. Der Faschismus, der nationale und internationale Sozialismus machten zu verschiedenen Zeiten den Anspruch, wesenhaft demokratisch zu sein, ein Anspruch, der nach ernstlicher Untersuchung in richtiger philosophischer und historischer Beleuchtung viel besser begründet ist, als es manche zugeben wollen. So ist es zum Beispiel gar nicht unwahrscheinlich, daß die Mehrzahl der Italiener Mussolini in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre ihre moralische Unterstützung gewährten. Auch der Anspruch der Sowjets auf die demokratische Etikette ist nicht ein schlaues politische Manöver der letzten Jahre, sondern Teil einer Terminologie, die schon von Lenin eingeführt und von Stalin während der zwanziger Jahre fortgesetzt wurde32. Eine »volksdemokratische« Republik gab es schon im Jahre 1939 unter russischer Ägide – die finnische volksdemokratische Republik unter Otto Kuusinnen mit dem Sitz in Terijoki. Wenn wir die Definition der Demokratie des heiligen Thomas annehmen (De Regimine Principum, I. 1.), werden wir sehen, daß die Diktatur eines Proletariats, das die Mehrheit in einem Land besitzt, viel demokratischer ist als die amerikanische Verfassung, in der, so abweichend von den heiligen Büchern des Kommunismus, weder das Wort »Demokratie«, noch auch der Begriff »Republik« erwähnt ist. Lediglich den Teilstaaten wird eine »republikanische Verfassung« vorgeschrieben. Auch die Declaration of Independence spricht


Скачать книгу