Hör nichts Böses. Kayla Gabriel

Hör nichts Böses - Kayla Gabriel


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Gabriel das Stadtgebiet erreichte, bestand absolut kein Zweifel daran, zu welchem Haus er gehen musste. Ein baufälliges weißes Cottage mitten in einer ansonsten ruhigen Wohnstraße brummte vor Aktivität und zog Gabriel wie einen Magneten an. Der größte Hinweis war das Schwadron besorgt dreinblickender, bulliger Kerle in dunklen Anzügen, was ein Bild war, das man bei jeder von Pere Mals Operationen vorfand. Der Kerl mochte ein eiskalter Killer und ein Irrer sein, der vorhatte das Universum auf seiner persönlichen Suche nach Macht zu zerstören, aber er besaß definitiv Geschmack, wenn es darum ging seine Crew einzukleiden.

      Auf der Straße vor dem Haus parkten vier große SUVs und einige von Pere Mals Kerlen scheuchten verwirrt aussehende junge Frauen in Handschellen im Gänsemarsch von der Eingangstür zu den Autos. Nach einer raschen Zählung kam Gabriel zu dem Schluss, dass bereits ein knappes Dutzend Hexen in die SUVs gequetscht worden sein mussten.

      Gabriel zog im Näherkommen sein Schwert, während sein Kopf schnell einen Plan ersann, wie er so viele von Pere Mals Handlangern wie möglich aus dem Weg räumen konnte, ohne eine ihrer Gefangen zu verletzen. Gabriel beschloss, so viele von Pere Mals Männern zu betäuben wie er konnte, da er davon ausging, dass die Frauen, wenn er sie erst mal befreit hatte, von allein fliehen würden.

      Die erste Überraschung war der Fakt, dass er es mehrere Schritte auf das Grundstück schaffte, ehe ihn auch nur einer der Bösewichte bemerkte. Gabriel war fast zwei Meter groß, bemerkenswert gut aussehend und im Moment strahlte er Magie in Wellen aus. Die Tatsache, dass seine Anwesenheit unbemerkt blieb, war ein Zeichen für das Chaos, das um ihn herum herrschte. Dutzende von Körpern bewegten sich in alle möglichen Richtungen, Männer luden Gepäck in die SUVs, manche der weiblichen Gefangenen schluchzten, während sie zu den wartenden Autos geschleift wurden.

      „Hey!“, erklang ein Schrei.

      Gabriel sah, wie einer von Pere Mals Kerlen eine große, gertenschlanke Blondine zu Boden stieß, bevor er eine Feuerwaffe zog. Gabriel holte eine kleine Phiole von Mere Maries Betäubungstrank aus seiner Tasche und schleuderte sie dem Kerl entgegen, der sofort wie ein Sack Kartoffeln zu Boden ging.

      Unglücklicherweise wählte die Blondine genau diesen Moment, um einen ohrenbetäubenden Alarmschrei auszustoßen, und nur Sekunden später musste sich Gabriel gegen ein weiteres halbes Dutzend Männer erwehren. Er wollte keinen von ihnen töten oder zum Krüppel machen, wenn es sich vermeiden ließ, weshalb er einige durch Schläge auf den Kopf oder Verwundungen der Gliedmaße außer Gefecht setzte. Dämonen zu töten, war eine Sache, aber er tötete Kith oder Menschen wirklich nur dann, wenn es keine andere Wahl gab.

      Gabriel drehte sich um und entdeckte zwei Männer, die einen wild kämpfenden Rotschopf an den Armen festhielten und sie zum letzten SUV zerrten. Ein anderer Mann folgte ihnen und schleppte zwei große Koffer hinter sich her. Die Frau schaute hoch und ihre hellgrauen Augen fingen Gabriels Blick ein. Da war etwas…

      Die Welt entglitt ihm einen Augenblick. Gabriels Bär war normalerweise sehr zurückhaltend, wenn nicht sogar schweigsam, und spielte hinter seiner menschlichen Seite immer die zweite Geige. Jetzt erwachte sein Bär jedoch und ein ausgeprägtes Empfinden von Hunger und Besitzgier vibrierte durch Gabriels gesamten Körper.

      Gefährtin. Der Gedanke sang in seinem Herzen auch dann noch, als ein Laut der Verleumdung über seine Lippen kam. Diese Frau, diese Fremde, war jetzt seine einzige Priorität. Ihre Augen lagen auf ihm und flehten um Hilfe.

      Er verlor plötzlich und völlig die Kontrolle. Sein Bär verdrängte ihn, Gabriel, tief in sein Innerstes. Der Bär brauchte die Frau. Der Bär wollte nicht, dass diese Männer sie anfassten.

      Dem Bären würde Folge geleistet werden.

      Ein wütendes Brüllen entriss sich Gabriels Kehle, als er seinen Zauberstab und Pistole los und sich selbst nach vorne fallen ließ, während sein Körper zuckte und sich wandelte. In der Sekunde, in der seine Verwandlung vollzogen war, setzte er sich in Bewegung und galoppierte auf die Frau und ihre Wachen zu.

      Der Kerl mit dem Gepäck warf einen Blick auf Gabriel und rannte davon. Die Koffer ließ er, ohne zu zögern, zurück. Die anderen zwei Männer tauschten Blicke aus. Einer zog eine Pistole, während der andere die Frau zu dem wartenden Fahrzeug bugsierte.

      Gabriel erledigte den Ersten problemlos, indem er ihn mit einem einzigen Hieb niederschlug. Der andere Mann warf einen verängstigten Blick über seine Schulter und schluckte, ehe er die Frau nach hinten auf Gabriels wütende Gestalt zuschubste.

      Gabriel fing sie auf und drehte seinen Körper so, dass er sie vor der Wache und dem Auto abschirmte. Sein tierisches Gehirn wusste nicht so recht, was es als Nächstes tun sollte, was Gabriel die Möglichkeit gab, das Steuer wieder an sich zu reißen und seine eigenen Handlungen einen Moment zu bestimmen. Sein erster Gedanke war, dass er die Frau zuerst von dem überall vorherrschenden Chaos wegschaffen und dann weitersehen musste.

      Sich auf seine Hinterbeine erhebend gab Gabriel ein leises Grunzen von sich und scheuchte die Frau nach links, weg von den Autos und zu dem Nachbarshaus. Sie sah zu ihm, eindeutig in Todesangst, und floh.

      „Gabriel!“

      Er hörte Aerics starken nordischen Akzent in der Ferne, aber Gabriel wurde immer noch von seinem Bären beherrscht und war unfähig, sich von seiner Gefährtin abzuwenden. Er sank auf alle Viere und jagte ihr hinterher, überrascht, wie schnell sie war. Innerhalb kürzester Zeit gelang es ihm, sie auf der vorderen Veranda des Nachbarhauses in die Enge zu treiben.

      Der Rotschopf drehte sich um, starrte Gabriel an und schlang die Arme um ihren Körper. Der Bär in seinem Inneren zwang Gabriel dazu, einen Schritt auf sie zuzumachen, dann noch einen. Ehe er sich versah, war er ihr fast so nah, dass er sie berührte. Gabriel verfluchte sich, aber er hatte jetzt jegliche Kontrolle verloren.

      Er legte den Kopf schief, beugte sich zu ihr und atmete den Geruch seiner Gefährtin tief ein. Sie roch nach Vanille und Zimt, eine verlockende Kombination.

      „Bitte“, flüsterte die Frau, die silbernen Augen weit aufgerissen in ihrem herzförmigen Gesicht. „Bitte, tu mir nicht weh.“

      Gabriel entrang seinem Bären die Kontrolle. Er dämpfte seine Wut und trat einen kleinen Schritt nach hinten, um ihr ein wenig Freiraum zu geben, während er sich zurück in seine menschliche Gestalt wandelte.

      In den Augen der Frau blitzte Erkennen auf, ganz kurz Schock und Verstehen, und dann rollten ihre entzückenden Augen nach hinten. Sie brach ohne einen Laut zusammen und Gabriel hatte wirklich Schwierigkeiten sie rechtzeitig aufzufangen, bevor ihr liebreizender Körper auf die Betonstufen der Veranda knallte.

      „Verdammt nochmal, Gabriel.“

      Die Worte wurden in einem unverkennbar schottischen Grollen ausgesprochen, einem, das der Engländer nur allzu gut kannte.

      Gabriel drehte seinen Kopf und entdeckte, dass Rhys und Aeric hinter ihm standen, die Schwerter gezogen, aber gesenkt. Seine Wächterkollegen, einer dunkelhaarig und einer blond, beugten sich über einen Mann, der auf dem Boden zwischen ihnen kniete. Gabriel nahm an, dass es sich dabei um die einzige Wache handelte, die das Pech hatte, den Vorfall unbeschädigt überstanden zu haben. Jetzt würden sie ihn festhalten und über seinen Arbeitgeber befragen. Hinter ihnen war der Vorgarten mit einem Dutzend bewusstloser Wachen und einem ganzen Haufen Koffer übersät.

      „Wo sind die SUVs?“, fragte Gabriel verwirrt.

      „Fort“, antwortete Aeric und wedelte mit einer Hand. „Sie sind weggefahren, sobald sie sahen, dass ein riesiger Grizzly auf sie zukam.“

      „Ah“, sagte Gabriel und verlagerte die Frau in seinen Armen.

      „Hat sie die Verwandlung ausgelöst?“, erkundigte sich Rhys und linste um Gabriel herum, um einen Blick auf die bewusstlose Frau in seinen Armen zu erhaschen.

      Gabriel warf Rhys einen abschätzenden Blick zu und nickte dann.

      „Dann ist es dir also auch passiert“, sinnierte Rhys. Er sah sich nachdenklich im Garten um. „Ich schätze, wir sollten uns besser aus dem Staub machen, bevor die menschlichen Gesetzeshüter hier ankommen,


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