Hör nichts Böses. Kayla Gabriel

Hör nichts Böses - Kayla Gabriel


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macht uns zu einem recht ungewöhnlichen Paar.“

      Cassie stieß erneut geräuschvoll Luft aus und schüttelte den Kopf. Gabriel drehte sich um und lief im Kreis, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

      „Wie kann das nur echt sein? Als Orakel kann ich nicht leugnen, dass das Schicksal existiert, aber… wie kann ich plötzlich einfach zu jemandem gehören? Gestern habe ich noch mir selbst gehört.“ Sie rieb über ihre Arme, weil ihr trotz des sonnigen Wetters kühl war. „Ich schätze… ich dachte nur, ich hätte noch ein wenig Zeit, bis du mich findest.“

      Sie sah, dass Gabriel einen Moment erstarrte, bevor er fragend zu ihr herumwirbelte.

      „Was meinst du damit, bis ich dich finde?“, fragte er.

      „Nun, ich bin ein Orakel. Ich habe Bruchstücke meiner eigenen Zukunft gesehen. In dem Moment, in dem ich dein Gesicht beim Vogelkäfig sah, wusste ich, wer du bist.“

      „Was ist der Vogelkäfig?“, wollte er wissen. „Und wenn du wusstest, dass du einen Gefährten haben würdest, warum bist du dann jetzt so überrascht?“

      „Der Vogelkäfig ist der Ort, an dem uns Pere Mal eingesperrt hat“, erklärte Cassie, da sie beschlossen hatte, die einfachere Frage zu beantworten. Zum Glück ergriff Gabriel sofort die Gelegenheit, Fragen über Pere Mal zu stellen.

      „Wie viele von euch waren dort genau?“

      Cassie schüttelte den Kopf.

      „Ich weiß es nicht. Ich habe fünf oder sechs kennengelernt. Aber als sie uns aus dem Vogelkäfig geholt haben, wirkte es, als wären noch viel mehr da. Sie sperrten uns alle in unseren eigenen Räumlichkeiten ein.“

      „Und du denkst, Pere Mal wollte, dass du das Dritte Licht suchst?“, fragte er.

      „Er hat mich gebeten, nach dem Dritten Licht zu suchen, ja“, sagte Cassie zögernd. „Es ist nur… was weißt du über Orakel?“

      Gabriel blinzelte und rückte näher. Sie hatte jetzt eindeutig seine Neugier geweckt. Obwohl er die Statur eines Kriegers hatte, war ihr zukünftiger Gefährte vielleicht doch eher ein Gelehrter als ein Kämpfer.

      „Nur das, was ich gelesen habe, was nur sehr wenig ist.“

      Cassie nickte und versuchte, die richtigen Worte zu finden, um es ihm zu erklären.

      „Es gibt zwei Arten von Prophezeiungen: angebotene und angefragte. Angebotene entstehen irgendwie in mir. Ich bitte nicht um sie und ich habe keine Kontrolle darüber, wann sie mir erscheinen. Eine Prophezeiung anzufragen ist jedoch etwas anderes. Ich kann versuchen, spezifische Informationen zu finden, nach dem Ergebnis einer bestimmten Tat zu suchen.“

      „Und Pere Mal hat dich wahrscheinlich für Letzteres eingesetzt, nehme ich mal an.“

      „Ich glaube, er hat für beide Arten Verwendung gehabt, aber ja.“

      „Also warum hat er dich nicht einfach dazu gezwungen, den Namen des Dritten Lichtes zu erfragen?“

      „Es ist sehr schwierig Prophezeiungen zu Dingen zu machen, die eigentlich noch nicht bekannt sein sollten. Das Schicksal hat seine Methoden, um die Dinge unter Verschluss zu halten.“

      Gabriel warf ihr einen betroffenen Blick zu.

      „Das erklärt es aber nicht“, wandte er ein.

      „Eine Vision heraufzubeschwören erfordert ein Opfer. Je größer die Forderung, desto größer das Opfer. Pere Mal war gewillt, geduldig zu sein, weil er dann im Austausch nur kleinere Opfer darbringen musste. Wie beispielsweise sein Blut, Opfer von Mastkälbern, solche Sachen eben. Er war nicht bereit, die Art von Opfer zu bringen, die nötig wäre, um das Dritte Licht zu finden. Zumindest noch nicht.“

      „Ah“, murmelte Gabriel nickend. „Ich schätze, das macht uns zu echten Glückspilzen, dass wir dich gefunden haben, bevor er ein Opfer gefunden hat, das zu machen er bereit war.“

      „Ist das der einzige Grund?“, fragte Cassie verletzt.

      „Cassie“, sagte Gabriel, trat näher an sie heran und nahm ihre Hand.

      Seine Berührung sandte Hitzeschauer über Cassies Haut und als Gabriel an ihrer Hand ruckte, um sie näher an sich zu ziehen, konnte sie nicht widerstehen. Sie neigte den Kopf nach hinten und starrte in Gabriels Gesicht hoch. Interesse regte sich weiter unten in ihrem Körper, während sie beobachtete, wie sich seine Augen mit dem gleichen Hunger verdunkelten, den sie verspürte.

      Obwohl das wirbelnde Verlangen zwischen ihnen zu schnell anwuchs, passierte der Kuss ganz langsam. Gabriel drückte ihren Arm hinter sie und presste ihre ineinander verflochtenen Finger an ihren unteren Rücken. Ihre Körper schmiegten sich aneinander, woraufhin sich Cassies Körper anspannte und ihre Zehen sich voller Vorfreude krümmten.

      Gabriel strich mit einer Fingerspitze von ihrem Schlüsselbein zu ihrem Kiefer, seine Miene zeigte so etwas Ähnliches wie Verwunderung. Als er ihren Kiefer mit derselben Fingerspitze anhob und seine Augen auf ihren Mund sanken, öffneten sich Cassies Lippen einladend.

      Gabriel beugte sich nach unten und strich mit seinem Mund über ihren, eine brennende Verlockung. Er wich zurück und zögerte, bevor er zurückkehrte. Als er sie schließlich küsste, fanden ihre Lippen einander, als könnte nichts natürlicher, nichts richtiger sein.

      Gabriels Zunge berührte Cassies und entfachte ein Feuer tief in ihr. Sie schob ihre freie Hand zu seinem Hals hoch und vergrub ihre Finger in seinen Haaren. Gabriel gab einen leisen, tiefen Laut von sich, der Cassies Knie ganz schwach werden ließ, und sie knabberte an seiner Unterlippe. Ihre Augen schlossen sich und sie seufzte, während sie sich ihm entgegen reckte und mehr wollte.

      Einen Herzschlag später gab Gabriel sie frei und trat zurück, wobei er aufgewühlt wirkte. Cassies Augen flogen auf und ihre Finger zu ihren geschwollenen Lippen. Sie sah Furcht klar und deutlich auf Gabriels Gesicht, was sich wie eine Ohrfeige anfühlte.

      Ein humorloses Kichern entwich ihrer Kehle und Cassie schüttelte den Kopf.

      „Okay“, sagte sie mehr zu sich selbst. „Du bist offensichtlich nicht bereit dafür.“

      Sie wirbelte herum, ging zurück zur Hintertür und schnitt eine Grimasse, als sie entdeckte, dass der Bedienstete im Smoking sie vom Fenster aus beobachtete.

      „Cass, warte! Wohin gehst du?“, fragte Gabriel, der ihr folgte.

      „Ich werde meine Freundin Alice suchen. Ihr Kerle habt nur ein Mädchen von Dutzenden gerettet und ich sehe nicht, dass du es eilig hast, die anderen zu retten. Wenn du es nicht tun wirst, werde ich es eben tun“, entgegnete sie.

      „Wir sollten mit Rhys und Aeric reden, uns einen Plan überlegen“, sagte Gabriel. „Du weißt nicht einmal, wo sie ist!“

      „Nein, aber ich denke, ich weiß, wen ich fragen kann“, erwiderte Cassie, zog die Tür auf und stürmte ins Haus. „Ich habe meine Quellen. Und du kannst aufhören, dich als mein Beschützer aufzuspielen. Ich versichere dir, ich kann auf mich selbst achtgeben.“

      Sie stoppte abrupt, weil sie realisierte, dass sie gar nicht wusste, wie sie aus dem Haus rauskommen konnte. Als der Mann im Smoking eine Braue hochzog und zur anderen Seite des großen Wohnbereiches zeigte, nickte ihm Cassie widerwillig zu.

      „Du warst vier Jahre lang eine Gefangene. Wie kannst du da Quellen haben?“, verlangte Gabriel zu wissen.

      Cassie warf ihm über ihre Schulter einen bösen Blick zu und eilte zum Eingangsbereich des Herrenhauses, wobei sie nicht anhielt, bis sie aus der Eingangstür trat. Sie lief die breiten Marmorstufen hinab und sah sich um, während sie versuchte, einen kühlen Kopf zu erlangen.

      „Wo sind wir, Esplanade?“, fragte sie.

      „Ja, aber –“, versuchte es Gabriel.

      Cassie drehte sich um und schaute ihn an.

      „Kommst du mit oder nicht?“, wollte sie wissen.

      Ohne


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