Wege, die man nicht vergißt. Dietmar Grieser
Ist das ein Journal?«
»Es ist die Anstalt, wo’s kleine Holz g’macht wird.«
Dem Unternehmen ist freilich keine Dauer beschieden: Die hohen Betriebskosten verteuern das Brennholz in einem Ausmaß, daß die Firma Phorus nach kaum dreißig Jahren in die Unrentabilität schlittert und liquidiert werden muß. Ein paar Jahre wurstelt noch der Nachfolger Matthias Feldmüller, seines Zeichens Schiffmeister und Holzhändler, weiter, dann wird der Betrieb endgültig eingestellt, und die »Commune«, die 1856 das Areal übernimmt, errichtet an der Stelle der vormaligen Holzzerkleinerungsanstalt eine Feuerlöschanlage, der, weitere drei Jahre später, eine Kavalleriekaserne, 1880 eine Detailmarkthalle und schließlich ein Blumengroßmarkt folgen. Doch die Erinnerung an das Unternehmen der Herren Pálffy, Hackelberg, Offenheimer, Reinscher, Unger und Schönfeld ist so stark, daß auch lange nach dem Firmenzusammenbruch der Begriff Phorus nichts von seinem Wohlklang eingebüßt hat und in den Straßennamen Phorusgasse und Phorusplatz fortlebt.
Erst in der NS-Ära der Jahre 1938–1945 tritt eine Zäsur ein, und das hat seinen Grund darin, daß die übereifrigen Beamten jener Magistratsabteilung, der die systemkonforme Überprüfung der Wiener Straßennamen obliegt, herausfinden, das seinerzeitige Phorus-Konsortium sei nicht nur mit aristokratischen, sondern – oh Schreck! – auch mit einer Reihe jüdischer Namen durchsetzt. Das darf nicht sein! Die Arisierer im seit dem 13. März 1938 von dem NS-Bürgermeister Hermann Neubacher dominierten Wiener Rathaus leisten ganze Arbeit: Die Phorusgasse wird am 9. Dezember 1938 in Maitzengasse umbenannt.
Ludwig Maitzen ist einer jener vier Wachebeamten, die beim fehlgeschlagenen Nazi-Putsch vom Juli 1934 mitgewirkt haben und, vom Militärgericht zum Tod verurteilt, im Hof des Wiener Landesgerichtes gehenkt worden sind. Die Polizeiakten berichten, daß Maitzen – im Gegensatz zu seinen Komplizen, die sich alle mit »Heil Hitler« von dieser Welt verabschiedet haben – vor seiner »Justifizierung« mit dem Gefängnisgeistlichen ein Gebet gesprochen hat.
Was die gegenständlichen Straßennamen betrifft, wird am 27. April 1945 der alte Zustand wiederhergestellt: Die Maitzengasse heißt wieder Phorusgasse, und dabei soll es bleiben, auch wenn heute kaum noch jemand mit dem alten Namen etwas anzufangen weiß. Wo zuletzt ein Blumengroßmarkt das Terrain des Phorusplatzes beherrschte, steht nun ein Pensionistenheim – nur der gute alte »Dreizehner« dreht unverändert seine Runden.
Zum Schluß noch ein Hinweis auf zwei weitere Wiener Straßennamen, die immer wieder zu Fehldeutungen verleiten: Der in Oberdöbling gelegene Platz »In der Krim« hat nichts mit der Schwarzmeer-Halbinsel gleichen Namens zu tun, sondern hält, wiewohl durch Verballhornung unkenntlich gemacht, die Erinnerung an einen einst populären Gastwirt namens Josef Grimmer wach. Und die Kärntnerstraße ist keine Huldigung an Österreichs südlichstes Bundesland, sondern verweist auf jene im Mittelalter Carnarium genannten Leichenhöfe, die sich an dieser Stelle des alten Wien befunden haben.
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