Auf keinen Fall wir. Iris W. Maron

Auf keinen Fall wir - Iris W. Maron


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Platz. Zu Semesterbeginn setzt Ruth sich immer mit uns allen zusammen, um den Stand unserer jeweiligen Projekte sowie die für dieses Semester geplanten Aktivitäten zu besprechen.

      »Also, erzählt mal, was tut sich bei euch momentan so?«, eröffnet Ruth dann auch gleich das Gespräch.

      »Jede Menge«, meine ich und lache. »Es war echt toll in den USA. Um die Technik sind sie wirklich zu beneiden. Ich wünschte, wir hätten ihre Drohnen.«

      »Glaube ich. Lief die Grabungskampagne erfolgreich?«

      »Ja, extrem. Wir haben einen wirklich vielversprechenden Überblick über das Areal bekommen. Ich schreibe momentan an einem Aufsatz über die Untersuchungen und werde die Ergebnisse auch auf der Tagung von Steve Miller in London in ein paar Wochen präsentieren.«

      »Super. Zeig mir den Aufsatz dann, wenn er fertig ist. Ich bin wirklich neugierig darauf.«

      »Klar, mache ich.«

      Ruth nickt noch einmal, dann wendet sie sich Doris zu. »Und bei dir?«

      »Ich habe das Gefühl, ich komme momentan vor lauter Verwaltung kaum zum Forschen«, meint Doris und wirft mir einen finsteren Blick zu, den ich gepflegt ignoriere. »Gestern habe ich die vakante Hilfskraftstelle ausgeschrieben.«

      »Oh, bekommen wir einen neuen Hiwi?«, frage ich.

      »Ja. Theres hat vor ein paar Wochen ihr Studium abgeschlossen.«

      »Ah.«

      »Außerdem planen David und ich die Lehrexkursion. Die Unterkunft ist schon gebucht und die Leute bei der Pfahlbausiedlung wissen auch Bescheid. Um die Anreise müssen wir uns noch kümmern. Ich schätze, David und ich fahren mit dem Auto, um die Geräte hinzubringen. Die Studis müssen dann allein mit der Bahn fahren.«

      »Das werden sie schon hinkriegen«, befinde ich.

      »Denke ich auch.«

      »Das wird bestimmt eine gute Exkursion«, meint Ruth. »Fabian, was machst du momentan?«

      »Mh… Es läuft gerade nicht so.«

      »Inwiefern?«

      »Ich weiß nicht. Die Dissertation ist momentan so… Keine Ahnung, ich glaube, ich habe eine kleine Sinnkrise.«

      Den Kommentar hätte Fabian sich mal besser verkneifen sollen, denn er provoziert damit eine lange und wenig freundliche Rede von Ruth. Das scheint Viktoria die Sprache zu verschlagen, denn sie meint bloß, bei ihr gäbe es nichts Neues.

      Es ist dann auch letztlich Anna, die den Vogel abschießt. Nachdem sie erzählt hat, dass sie ihre Dissertation vor zwei Tagen eingereicht hat – allgemeiner Jubel – und sie in den nächsten Wochen verteidigen wird, macht sie eine kleine Kunstpause.

      »Ich muss euch noch etwas erzählen«, fährt sie dann fort.

      Doris – die mir, glaube ich, in diesem Moment verzeiht – und ich werfen uns einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich wette, sie ist schwanger. Und ich wette, Doris denkt das auch.

      »Alex und ich werden heiraten!«, bricht es dann aus Anna heraus.

      Fast.

      Ich stimme in die allgemeinen Glückwünsche ein, auch wenn ich echt nicht weiß, was man da beglückwünschen soll. Die allgemeine Spießigkeit? Den Steuervorteil?

      Nach Annas Ankündigung ist der seriöse Teil der Besprechung gelaufen. Ruth informiert uns zwar noch schnell über einige Neuigkeiten im Studienplan und schafft es, dass wir uns kurz noch über die Lehrveranstaltungen austauschen, die wir dieses Semester halten. Dann aber reden wir nicht mehr über Dienstliches, sondern nur noch über Hochzeitspläne und darüber, was wir in den Semesterferien gemacht haben, wenn wir gerade nicht gearbeitet haben – bis Ruth uns schließlich ziemlich rüde rauswirft, da sie in eine Sitzung muss.

      Wie immer versammeln wir uns anschließend noch auf einen Kaffee in Doris' und meinem Büro. Wie es nicht anders zu erwarten war, dreht sich das Gespräch ziemlich schnell wieder um Annas geplante Hochzeit.

      »Ganz schöne Umbrüche bei dir«, sagt Fabian.

      »Du meinst, weil meine Diss jetzt auch fertig ist?«, erwidert Anna. »Alex hat mir den Antrag gemacht, nachdem ich sie eingereicht habe. Ich dachte, wir feiern, dass ich endlich fertig bin, aber da habe ich mich getäuscht.«

      Anna lächelt selig. Mit einem halben Ohr höre ich zu, wie sie von dem »wahnsinnig romantischen« Heiratsantrag erzählt, der offenbar ein exquisites Menü in einem Sternerestaurant, eine Wagenladung rote Rosen und allen Ernstes einen im Dessert versteckten Ring beinhaltet hat. Ich kann mir kaum etwas Lächerlicheres vorstellen. Es ist mir ein Rätsel, dass Frauen so was gut finden. Dabei ist Anna Wissenschaftlerin.

      »Wie lange läuft denn deine Stelle eigentlich noch?«, unterbreche ich sie schließlich.

      Anna rümpft die Nase und sieht mich indigniert an. Offenbar missfällt es ihr, dass ich sie auf den Boden der Tatsachen zurückhole. Tja. Ihr Pech.

      »Bis Oktober.«

      »Hast du schon eine Idee, wo du danach hinwillst?«, nimmt Doris mir die Worte aus dem Mund.

      Anna seufzt schwer. »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt in der Wissenschaft bleiben will. Ich müsste dann ja an eine andere Uni gehen und ich bin doch so gerne hier.«

      »Schon, aber wenn du weiterhin forschen willst, musst du nun einmal woandershin.«

      »Klar, aber jetzt, wo wir heiraten… Und dann wäre es höchstens für ein paar Jahre, bevor ich wieder umziehen müsste. Der Job ist wirklich nicht besonders gut mit einer Beziehung oder gar mit einer Familie vereinbar.«

      »Dafür sieht man immer wieder etwas Neues«, befinde ich. Dass man als Archäologe so oft umziehen muss, gehört zu den Dingen, die ich an dem Job liebe. Ich will nirgends lang bleiben. Kaum dass ich mich an einem Ort eingewöhnt habe, langweilt er mich auch schon. Es gibt so viele Orte, an denen ich noch leben will. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte eine Beziehung, die dem im Weg steht… Nein, so weit käme es nicht.

      Ich will ungebunden sein und frei. Mich von nichts und niemandem einengen lassen. Ich will spontan sein und woanders neu anfangen können, wenn mir danach ist. Ich will meine Entscheidungen alleine treffen und ohne, dass mir jemand seine Meinung aufzwingen will. Kompromisse fände ich furchtbar, sie wären für mich wie Selbstaufgabe. Ich bin mir zu wichtig, als dass ich mir das antun könnte.

      »Ja, dass man immer etwas Neues sieht, ist schon cool«, meint Fabian. »Aber alle paar Jahre in eine neue Stadt oder in ein neues Land zu gehen, ist doch auch extrem anstrengend. Ich kann mir nicht vorstellen, immer wieder neu beginnen und alles zurücklassen zu müssen.«

      »Eine gute Beziehung hält das aus«, entgegnet Doris. Sie hat seit Jahren eine Fernbeziehung und pendelt deswegen nach Leipzig.

      »Ach nein, ich weiß nicht«, sagt Anna und seufzt schwer. »Ich glaube nicht, dass Alex und ich das wollen.«

      Ich kann nur den Kopf schütteln. Auch wenn Anna oft nervt, ist sie ziemlich gut in dem, was sie macht. Und das will sie jetzt allen Ernstes aufgeben für eine Ehe, die sowieso in ein paar Jahren geschieden wird, und weil sie zu feige ist, dieses Provinznest, in dem sie schon immer lebt, zu verlassen?

      »Überleg dir das gut«, meine ich.

      Anna seufzt schwer und jammert noch ein bisschen über ihre unklaren Zukunftsaussichten. Wenigstens redet sie nicht mehr übers Heiraten.

      Lange bleiben Anna, Viktoria und Fabian nicht mehr. Nachdem sie gegangen sind, fahre ich meinen Computer hoch und bereite ein paar Dinge für meine Lehrveranstaltung vor, deren erste Einheit übermorgen ist. Dann zwingt Doris mich noch, mit ihr über die Exkursion zu reden – dabei gibt es für mich nicht mehr sonderlich viel zu tun. Strukturiert wie Doris ist, hat sie schon fast alles erledigt. Und eigentlich will sie auch gar nicht, dass ich ihr etwas abnehme.

      Es ist trotzdem schon recht spät, als ich die Uni wieder verlasse. Auf dem Heimweg gehe


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