Auf keinen Fall wir. Iris W. Maron
sie hätten die ganze Nacht geredet und erkannt, dass sie seelenverwandt sind oder ähnlich hohle Phrasen.
»War's gut?«
»Ja.«
»Und jetzt?«
»Mann, keine Ahnung! Das haben wir noch nicht besprochen. Wir haben am Sonntag ausgeschlafen und sind dann frühstücken gegangen und dann...«
Wenn er jetzt »in den Zoo« sagt, breche ich in hysterisches Gelächter aus.
»... haben wir uns verabschiedet«, sagt er stattdessen. »Und seither habe ich nichts von ihm gehört.«
»Ah. Klingt doch gut. Abschiedssex, sozusagen.«
»Hm, nein. Nein, ich denke nicht, dass das Abschiedssex war. Ich will ihn wiedersehen. Ich will... ihn zurück.«
Das Letzte sagt er ganz leise. Scheiße, es hat ihn wieder voll erwischt.
»Wie soll denn das gehen?«, frage ich. »Also, nicht, dass ich daran zweifle, dass du ihn wiederkriegst. Aber was dann? Weißt du nicht mehr, wie es war? Er hat dich wahnsinnig gemacht mit seiner Eifersucht und seiner Anhänglichkeit.«
»Ich weiß ganz genau, wie es war«, knurrt Thomas. »Aber das ändert nichts daran, dass ich ihn zurückwill. Mit ihm ist besser als ohne ihn. Und vielleicht... Also, das mit der offenen Beziehung hat für ihn nicht funktioniert. Ich denke, ich schlage ihm vor, dass wir es diesmal exklusiv versuchen.«
»Was?« Vor lauter Schreck verschlucke ich mich an meinem Whisky.
»Mensch, David«, gluckst Thomas in meinen Hustenanfall hinein. »Bitte krieg keinen Herzinfarkt deswegen!«
»Du kannst mit mir nicht solche Scherze machen.«
»Das war kein Scherz.«
»Bist du dir sicher?«
»Hm... Ja. Ja, ich bin mir sicher. Auch wenn es sich wirklich, wirklich komisch anfühlt.«
Ich brumme etwas Unverständliches als Antwort. Thomas weiß ohnehin, was ich denke. Oh Mann. Dann hat die allgemeine Verspießerung echt auch ihn ergriffen. Mein einziger Trost ist, dass es ohnehin nicht lange halten wird.
Wir schweigen uns eine Weile an. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte, das nicht zu einem Streit führen würde.
»So«, unterbricht Thomas die Stille schließlich. »Ich habe dir von meinem Samstag erzählt. Jetzt erzählst du von deinem.«
Ich nehme einen großen Schluck von meinem Whisky und seufze schwer.
»So schlecht?«, fragt Thomas belustigt und etwas sensationsgeil. Er liebt die Geschichten von meinen manchmal etwas schrägen Aufrissen. Nun, damit kann ich heute nicht dienen. Obwohl dieser Aufriss letztlich dann doch ziemlich schräg war...
»Nein, es war nicht schlecht. Eigentlich sogar echt gut.«
»Details! Wie sieht er aus?«
»Gut«, brumme ich. Viel zu gut. »Blonde Haare, grüne Augen. Sportlich. Etwas kleiner als ich. Und jünger. Aber nicht so jung. Denke ich. Keine Ahnung. Schwer einzuschätzen.«
Thomas lacht auf.
»Wieso brabbelst du so, Schatz? Was war der Haken an der Sache? Hat er einen krummen Schwanz?«
Thomas kichert über seinen billigen Kalauer, ich hingegen verdrehe nur die Augen. »An seinem Schwanz ist nichts auszusetzen.«
»Aber?«
»Kein Aber.«
»Schatz! Ich weiß, dass da was ist! Lass dir nicht alles so aus der Nase ziehen.«
Mit einem letzten großen Schluck trinke ich meinen Whisky aus. Ich hatte gehofft, dass ich es ihm nicht erzählen muss. Aber wie es aussieht, komme ich nicht darum herum. »Er ist mein Student.«
»Was?«
»Er studiert hier Archäologie. Am Mittwoch war er in meiner Lehrveranstaltung.«
»Fuck!«
»Ja.«
»Wusstest du das?«
»Natürlich nicht! Dann hätte ich ihn doch nicht mit zu dir genommen.«
»Wie hat er reagiert, als er dich wiedergesehen hat?«
»Gar nicht. Also, ich denke, er war erstaunt, dass ich kein Pilot bin«, brumme ich und Thomas lacht. »Aber er hat sich nichts anmerken lassen. Nach der Lehrveranstaltung ist er sofort abgehauen.«
»Und jetzt?«
»Versuchen wir es exklusiv miteinander«, erwidere ich zynisch. Das kann ich mir einfach nicht verkneifen.
Thomas bekommt einen ziemlichen Lachanfall. Als er sich wieder beruhigt hat, fragt er: »Aber ernsthaft: Hast du mit ihm geredet?«
»Nein. Wahrscheinlich bricht er die Lehrveranstaltung ohnehin ab.«
»Wenn nicht, wirst du mit ihm reden müssen.«
»Wozu soll das gut sein?«
»Das ist doch eine beschissene Situation.«
»Aber sie wird nicht besser, wenn wir drüber reden.«
»David, du kannst das nicht so stehen lassen. Tu wenigstens so, als wärst du erwachsen.«
»Du klingst wie Konrad.«
Thomas seufzt genervt. »Du kennst Konrad doch gar nicht. Und du weißt, dass ich recht habe. Das Thema zu ignorieren, macht einfach keinen Sinn.«
»Was soll es bringen, darüber zu sprechen? Es ist doch ohnehin klar, dass wir am besten so weitermachen, wie es heute gelaufen ist.«
»Ist es das?«
»Ja, natürlich.«
»Und was, wenn er das anders sieht?«
»Wieso sollte er?«
»Vielleicht will er ja ein klärendes Gespräch.«
»Dann soll er darum bitten.«
»In der Situation bist aber eindeutig du am längeren Hebel. Du musst auf ihn zugehen. Du hast ihn angelogen, du hast ihn abgeschleppt und jetzt bist du sein Dozent.«
»Danke für die Zusammenfassung«, knurre ich.
»Schaff klare Fronten, David«, erwidert Thomas erstaunlich gelassen.
Bevor er sich für Konrad, Moral und Monogamie entschieden hat, mochte ich ihn echt lieber.
Der Rest der Woche verläuft unspektakulär. Ich knie mich in meine Arbeit und schaffe es, den Aufsatz mit nur minimaler Verspätung fertigzustellen. Er ist brillant, also sollte das kein Problem sein. Danach stürze ich mich auf die überfällige Auswertung meiner neuesten Daten. Das unterbreche ich nur am Sonntag für eine Mountainbiketour mit Manuel, einem Kumpel, den ich aus dem Fitnessstudio kenne. Er stammt aus Argentinien, ist Physiker und arbeitet auch hier an der Uni. Ein unterhaltsamer Typ, für jeden Spaß zu haben. Mit ihm ist es jedenfalls nie langweilig. Er ist eine Hete, aber dafür kann er ja nichts.
Leider habe ich trotz des vollen Programms genug Zeit, über das Sven-Problem nachzudenken. Auch wenn ich es wirklich am liebsten ignorieren würde, fürchte ich, Thomas hat recht. Ich werde mit Sven sprechen müssen, wenn er meine Lehrveranstaltung weiter besuchen will. Von mir aus kann er das. Nachdem wir »die Fronten geklärt« haben, sollte wieder alles passen und wir können das Thema abhaken.
Ich muss ihm nur klarmachen, dass es kein Problem für mich ist, sein Dozent zu sein und ihn objektiv zu beurteilen. Und dass nichts zwischen uns passieren wird. Nicht, dass er sich noch etwas einbildet. Man hört immer wieder von Studierenden, die ihren Dozenten nachstellen. Beiderlei Geschlechts jeweils, im Übrigen.
Allerdings brauche ich einen Vorwand, um ihn zu mir zu bitten. Ich werde ihn schließlich nicht vor sämtlichen Studierenden auffordern, länger zu bleiben, damit ich mit ihm