Auf keinen Fall wir. Iris W. Maron

Auf keinen Fall wir - Iris W. Maron


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von Sven –, haben wir die Pizza schon aufgegessen. Drinks gibt es natürlich immer noch reichlich. Damit übersiedeln wir dann auch aufs Sofa.

      Dort angekommen, sieht Miri zum wiederholten Mal an diesem Abend auf ihr Handy und verzieht enttäuscht das Gesicht.

      »Was ist denn?«, frage ich.

      »Ach, nichts«, antwortet sie. »Ich habe Oskar nur vorhin im Zug geschrieben und ihm ein erfolgreiches Wochenende gewünscht. Er hat die Nachricht gelesen, aber er antwortet nicht.«

      »Was macht er denn dieses Wochenende?«

      »Er muss auf so ein dämliches gruppenbildendes Seminar mit seinen Kollegen.«

      »Klingt ja ätzend.«

      »Extrem. Trotzdem kann er mir doch schnell antworten«, mault sie.

      »Absolut«, stimme ich zu, weil ich weiß, dass sie jetzt Zustimmung braucht – auch wenn ich mir denke, dass der gute Oskar ihr vermutlich einfach nur nicht antworten will und es deswegen auch nicht tut. Den Kommentar verkneife ich mir jedoch, weil Miri immer sofort in die Luft geht, wenn ich Kritik an Oskar äußere.

      Miri nimmt einen großen Schluck von ihrem Cocktail, dann stellt sie das Glas ab, lässt sich seitlich gegen mich sinken und legt den Kopf auf meine Schulter.

      »In letzter Zeit ist Oskar so komisch«, sagt sie und seufzt.

      »Aha?«

      »Ja, er wirkt irgendwie zerstreut. Ich glaube, er hat ein Problem, aber er redet nicht mit mir darüber. So wie ganz am Anfang, als wir zusammengekommen sind. Weißt du noch?«

      Ich nicke. Ich erinnere mich. Das war damals schon wahnsinnig kompliziert mit den beiden. Oskar war zwar offenkundig scharf auf Miri – kein Wunder, sie ist wirklich hübsch (und das sage ich nicht nur, weil sie mir so ähnlich sieht) und wesentlich jünger als er.

      Dennoch war er immer ziemlich unnahbar und geheimniskrämerisch. Ich dachte, das hätten die beiden inzwischen im Griff. Schließlich sind sie schon zwei Jahre zusammen.

      »Dabei sollte er doch wissen, dass ich im helfen kann… Ich sehe doch, dass es ihm nicht gut geht. Aber er will nicht darüber reden. Er schließt mich aus. Letztens habe ich versucht, ihn zur Rede zu stellen. Ich habe ihm gesagt, dass ich das so nicht kann, dass er sich mir öffnen muss, dass ich ein Teil seines Lebens bin. Dass er mehr Zeit für mich haben muss. Wir sehen uns ja nur so wenig. Er ist dann völlig ausgerastet und hat gemeint, ich bevormunde ihn und ich wäre so fordernd. Keine Ahnung, vielleicht war es auch das Koks, er ist dann immer so...«

      »Das Koks?« Ich brülle fast. »Der Wichser kokst?«

      Miri schnaubt und sieht mich zynisch an.

      »Wer von uns noch nie härtere Drogen als Gras genommen hat, hebe die Hand«, sagt sie und hebt ihre Hand. Ich lasse meine wohl oder übel gesenkt und sehe Miri finster an.

      »Wer seine Hand nicht oben hat, unterlasse jegliche moralische Wertung«, fährt Miri fort.

      »Ich habe aber nie regelmäßig gekokst«, knurre ich. Habe ich wirklich nicht. Ich hatte mit Anfang Zwanzig eine Phase, in der ich beim Ausgehen Einiges ausprobiert habe, bin aber zum Glück an nichts hängen geblieben.

      »Du hast ja auch nicht so einen stressigen Job.«

      Oskar ist Investmentbanker. Einer von der üblen Sorte. Ein wandelndes Klischee von einem Banker.

      »Das ist doch kein Grund!«, beharre ich.

      »Nein, natürlich nicht«, gibt sie mir recht und ich bin ehrlich erleichtert. »Ich finde es ja auch scheiße, dass er kokst. Es ist ja aber nicht so oft… Und ich kann ihn doch nicht deswegen verlassen.«

      »Und wie du das kannst. Mir fallen auch noch tausend andere Gründe ein.«

      Miri verdreht die Augen. »Du hast einfach keine Ahnung, was es heißt, eine Beziehung zu führen und zueinander zu stehen. Da muss man manchmal auch Kompromisse eingehen.«

      »Du hast recht, ich habe wirklich keine Ahnung, was es heißt, auf einmal so scheiße dämlich zu sein!«

      »Sag mal, spinnst du?« Jetzt ist es Miri, die schreit.

      »Ist doch wahr! Wie kannst du diesen Arsch entschuldigen?!«

      »Ich liebe diesen Arsch!«

      »Du lässt dich von ihm behandeln wie der letzte Dreck!«

      »Das ist doch überhaupt nicht wahr!«

      »Natürlich ist das wahr! Er ist ein psychotischer Mistkerl und du lässt dir alles gefallen!« Inzwischen schreien wir beide.

      »Du bist immer so überheblich und rechthaberisch!«

      »Und du bist völlig verblendet, seit du mit dem zusammen bist!«

      »Wie gesagt, wer noch nie eine Beziehung hatte, sollte vielleicht einfach mal die Klappe halten!«

      Wir funkeln uns an wie zwei Boxer, kurz bevor sie aufeinander losgehen. Zum Glück sind die Zeiten, in denen wir uns tatsächlich gekloppt haben, schon lange vorbei. Miri ist mir körperlich zwar unterlegen, kämpft aber mit unfairen Mitteln. Ich habe am Unterarm eine Narbe von einer Bisswunde, die sie mir mal zugefügt hat. Zugegeben, ich hatte es verdient.

      Es vergeht bestimmt mehr als eine Minute, in der wir nichts sagen und uns nur zornig anstarren. Ich bin so stinksauer, dass ich richtig – und jenseits jeder Metaphorik – spüre, wie der Zorn mir den Hals abschnürt. Wie kann sie sich nur so behandeln lassen? Wie kann sie diesen Kerl entschuldigen? Und wie kann sie es wagen, mir vorzuwerfen, ich wäre überheblich und rechthaberisch? Ich mache mir Sorgen um sie, verdammte Scheiße!

      Gerade weil ich so wütend bin, macht eine Konfrontation keinen Sinn. Ich würde nur Sachen sagen, die ich nicht zurücknehmen kann, und Miri auch. Also stehe ich schließlich auf und gehe wortlos ins Bad. Ich werfe meinem Spiegelbild einen finsteren Blick zu, dann putze ich mir die Zähne, bis das Zahnfleisch blutet. Im Kopf höre ich immer noch Miris Worte.

      Als ich im Bad fertig bin, hole ich noch das Gästebettzeug aus meinem Schlafzimmer und werfe es im Wohnzimmer aufs Sofa. Miri sehe ich dabei nicht an. Ich weiß auch so, dass sie noch genauso kocht vor Wut wie ich. Also verziehe ich mich ins Schlafzimmer und knalle die Tür hinter mir zu.

      Kaum liege ich im Bett, tun mir meine Worte auch schon wieder leid – auch wenn ich, ganz ehrlich, wirklich recht habe. Miri benimmt sich, als hätte man ihr operativ das Hirn entfernt. Aber beschimpfen hätte ich sie deswegen nicht müssen.

      Ich schlafe nicht gut diese Nacht. Als ich morgens zerknautscht aufwache, will ich nichts mehr, als mich mit Miri zu versöhnen. Ich hasse es, wenn wir streiten. Da besucht sie mich einmal ohne ihren Kerl und dann das. Ich beschließe, als Friedensangebot Frühstück zu machen, also ziehe ich mich schnell an und gehe dann frische Brötchen holen. Zurück in der Wohnung lässt es sich nicht vermeiden, Miri zu wecken. Schließlich schläft sie auf dem Sofa und ich habe eine offene Küche.

      Miri wacht auf, als ich die Kaffeemaschine einschalte. Eine Weile wälzt sie sich noch hin und her, dann steht sie auf und tappst ins Bad. Sie sieht ähnlich verquollen aus wie ich, hat also wohl auch nicht gut geschlafen. Das könnte natürlich daran liegen, dass mein Sofa nicht unendlich bequem oder dass mein Kühlschrank bisweilen recht laut ist, aber das glaube ich nicht. Miri streitet so ungern mit mir wie ich mit ihr.

      Während Miri duscht, koche ich Eier und decke den Tisch. Ich habe gestern ziemlich viel eingekauft – wenn ich schon einmal Besuch von meiner Schwester habe, will ich ihr schließlich auch etwas bieten.

      Miri braucht eine Weile im Bad – das liegt wohl in der Familie. Also nehme ich mir in der Zwischenzeit einen Kaffee und checke am Handy meine Mails. Mit nassen Haaren und im Morgenmantel – welcher Mensch nimmt bitte einen Morgenmantel mit, wenn er übers Wochenende wegfährt? – kommt Miri schließlich zurück ins Wohnzimmer und setzt sich zu mir an den Esstisch.

      »Kaffee?«, frage ich.

      »Natürlich.«


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