Recht für Pflegeberufe. Theo Kienzle
persönlichen Daten ist in jedem Fall auch eine unerlaubte Handlung nach den Vorschriften der §§ 823 ff. BGB26. Die unzulässige Weitergabe stellt die Verletzung eines »sonstigen Rechts« nach § 823 Abs. 1 BGB dar.
2.5.3 Arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflicht
Für jeden Mitarbeiter einer Einrichtung besteht in der Regel zusätzlich durch eine Klausel im Arbeitsvertrag (auch im Ausbildungsvertrag) oder durch § 3, Abs. 1 TVöD eine Verschwiegenheitspflicht:
(1) Die Beschäftigten haben über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren; dies gilt auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.
Pflegekräfte haben allein aus diesem Grund über Tatsachen, die ihnen im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden, Stillschweigen zu bewahren. Wird diese Pflicht nicht beachtet, hat der jeweilige Träger als Arbeitgeber die Möglichkeit der (fristlosen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Folgen drohen zusätzlich zu der Möglichkeit einer Strafanzeige durch den zu pflegenden Menschen.
2.5.4 Schweigepflicht
Wichtigste Vorschrift zum Schutz der Privatsphäre ist im Bereich der Pflege die Schweigepflicht nach § 203 StGB:
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1. Arzt, […] oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
2. […]
6. […]
anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Kein Offenbaren […] liegt vor, wenn die […] genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. […] dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit […] mitwirken.
(5) […] auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart.
Es handelt sich hier um eine strafrechtliche Vorschrift zum Schutz des besonderen Vertrauens zwischen Patient und dem Arzt etc. sowie sonstigen Angehörigen eines Heilberufes somit ein fremdes Geheimnis aus dem persönlichen Bereich des zu pflegenden Menschen einem Dritten mitteilt, ohne hierzu berechtigt zu sein, wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft. Unter diese Strafandrohung fällt jede Weitergabe von Informationen, bei denen der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung hat. Dies gilt für die Untersuchungsbefunde, Dokumentationen und den Schriftwechsel sowie auch nicht-medizinische Angaben wie beispielsweise die wirtschaftlichen oder die familiären Verhältnisse. Selbst der Name des Bewohners oder Patienten bzw. die Tatsache, dass er sich in der Einrichtung aufhält, fällt unter die Schweigepflicht. Diese Verpflichtung trifft auch die berufsmäßigen Helfer des Arztes etc., also auch Pflegepersonal.
Auskünfte über Bewohner oder Patienten, insbesondere über deren Erkrankungen, dürfen aus den obigen Gründen nicht an Polizeibehörden weitergegeben werden.27 Bei der stationären Behandlung im Krankenhaus sind allerdings aufgrund der jeweiligen Meldegesetze der Bundesländer Patientenlisten zu führen, in die gegebenenfalls Einsicht genommen werden kann. Dies gilt allerdings nur für die Personalien.
Es liegt aber keine Strafbarkeit vor, wenn die mitgeteilte Tatsache kein Geheimnis darstellt, weil sie einem weiteren Personenkreis bekannt ist oder es sich um eine Bagatellinformation handelt.28 Die Strafbarkeit fehlt auch in denjenigen Fällen …
• in denen die Mitteilung aus übergeordneten Gründen, beispielsweise bei einer Seuchengefahr, erforderlich ist. Bei Seuchengefahr ist die Weitergabe durch ein spezielles Gesetz, das Infektionsschutzgesetz, gerechtfertigt. Dieses verpflichtet sogar bei bestimmten Erkrankungen, wie Typhus, Tuberkulose, Cholera etc. zur Meldung an die Gesundheitsämter.
• der Patient oder Bewohner der Weitergabe ausdrücklich zustimmt. Der Bewohner oder Patient kann seine Einwilligung zur Weitergabe der Informationen erteilen.
• die Weitergabe von Mitteilungen zum Bewohner oder Patienten durch den Notstand gerechtfertigt ist.
Die Offenbarung von Geheimnissen im Sinne von § 203 StGB kann beim Notstand (§ 34 StGB) oder Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) möglich sein. Die Mitteilung ist dann möglich und sogar notwendig, wenn dadurch Gefahren für Leib, Leben, Freiheit oder Eigentum, insbesondere des Bewohners oder Patienten oder auch Dritter, verhindert werden. Es gilt aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Verletzung der Schweigepflicht muss deshalb ein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr sein.
Dies gilt auch, wenn die betroffene Pflegekraft sich in einem Straf-oder Zivilprozess verteidigen muss. Mit der Schweigepflicht ist es dem Angehörigen des Heilberufes nicht nur verwehrt, das Geheimnis zu offenbaren, sondern es steht der Pflegekraft als Angehörige dieser Personengruppe auch ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Dies bedeutet, dass die Pflegekraft in einem Rechtsstreit die Aussage über die Geheimnisse, die ihr anvertraut worden sind, verweigern darf, sogar verweigern muss. Die Schweigepflicht und damit das Zeugnisverweigerungsrecht als dessen Folge bestehen gemäß § 203 Abs. 5 StGB sogar nach dem Tod des Betroffenen fort. Privatgeheimnisse oder Mitteilungen über Erkrankungen etc. dürfen somit selbst nach dem Tod des gepflegten Menschen Bewohners nicht weitergegeben werden.
Bei minderjährigen Kindern (unterhalb dem 14. Lebensjahr) sind die Eltern als Sorgeberechtigte auch berechtigt, über die Schweigepflicht zu entscheiden. Dies gilt in paradoxer Weise auch in Fällen des Kindesmissbrauchs oder der Misshandlung oder sonstiger unangemessener Pflege, Betreuung, Versorgung etc. Ärzte und Pflegepersonal sind jedoch dazu berechtigt, die Schweigepflicht zum Schutz des Kindes – sofern erforderlich – zu »brechen«. Rechtsgrundlage sind:
• der Notstand nach § 34 StGB und
• die Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. BGB
• sowie § 4 KKG.
Der Notstand stellt einen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund29 dar:
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn […], das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
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