QUARANTÄNE (The Death 1). John W. Vance

QUARANTÄNE (The Death 1) - John W. Vance


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ihn verächtlich an.

       Vasquez war schwer zu durchschauen. Viele in Quadrant 4 hielten ihn für arrogant und grausam. Es war nicht so, dass er Aggression gezeigt oder die Menschen gar misshandelt hätte, nur ging ihm jegliches Mitgefühl ab, und er schien sowohl seine Position als auch die Bewohner des Lagers zu hassen.

       Jetzt verschwand er über den Korridor.

       Lori schaute sich in dem trostlos aussehenden Wartebereich um. Dem Raum fehlte jegliche Ausschmückung; die getäfelten Wände waren einfach stumpf grau gestrichen, und weder die weiße Zwischendecke noch das gelbe Licht der Halogenlampen verbesserten den insgesamt schauderhaften Eindruck, den der Raum hinterließ, was Loris bange Vorahnung noch verschlimmerte.

       Neben ihr ging eine Tür auf, und heraus kam eine Frau.

       »Lori Roberts?«

       »Ja.«

       »Hi, ich bin Yvonne Foley, Direktorin für Lagerneueinteilung.«

       »Hallo«, erwiderte Lori befangen.

       »Bitte treten Sie ein und nehmen Sie Platz«, fuhr Yvonne fort, indem sie auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch zeigte.

       Lori stand auf, ging an ihr vorbei und setzte sich.

       Nachdem die Direktorin die Tür geschlossen hatte, ging sie zu ihrem Sessel und begann: »Ich weiß, Sie fragen sich, warum Sie hier sind.«

       »So ist es, das frage ich mich tatsächlich.«

       Yvonne ließ sich nieder, klappte einen Registerordner auf und fing an, darin zu blättern.

       Lori beugte sich nach vorne und sah ihren Namen auf einem Karteireiter.

       »Mrs. Roberts – oder darf ich Sie Lori nennen?«

       »Lori ist gut, ja.«

       »Danke. Ich mag das, so wirkt es … weniger förmlich.«

       Lori war eine findige Architektin, und einer der Gründe dafür, dass sie in ihrem Beruf herausragend war, bestand in ihrem Auge für Details. Sie betrachtete Yvonne, den Schreibtisch und die Umgebung, wobei sie auf Einzelheiten achtete, die sie darauf stoßen mochten, weshalb sie hier war oder was außerhalb des Lagers vor sich ging. Informationen waren wertvoll, zumal niemand genau wusste, was passierte. Auch Yvonnes Kleidung gab ihr vielleicht Hinweise. Der Tisch und das Büro insgesamt entsprachen dem Wartebereich dahin gehend, dass sie bar jeglicher hervorstechender Merkmale oder Farben waren. Der Raum hatte die gleichen tristen Wände und eine weiße Rasterdecke, während das Möbel aus schiefergrauem Metall bestand. Die einheitlichen Mauern waren abgesehen von einer einzelnen Uhr auf einer Seite kahl, und die ließ sich nicht gebrauchen, weil sie die falsche Zeit anzeigte. Neben einem Stapel weiterer Ordner stand eine einsame Lampe auf dem Tisch. Lori fielen aber auch die drei Aktenschränke hinter Yvonne auf; sie konnte sich nur vorstellen, welche Fülle an Informationen sie enthielten.

       »Ich komme gleich zur Sache. Heute Morgen erwähnte Lagerkommandant Brockman, dass Camp Sierra expandiert. Das ist eine großartige Neuigkeit für alle, doch wenn etwas größer wird, geht dies auch mit wachsenden Sorgen einher. Wir benötigen im Rahmen dieser Expansion mehr Hilfskräfte, verstehen Sie? Dazu zählen auch Architekten, Fachleute wie Sie.«

       Lori schluckte und wartete darauf, das Eine zu hören, von dem sie nie geglaubt hatte, es komme ihr einmal zu Ohren: Die Erlaubnis, von hier wegzuziehen.

       »Lori, aus diesen Seiten geht hervor, dass Sie Architektin sind und sogar zum Führungspersonal eines Unternehmens gehörten. Das ist einfach klasse.«

       »Sie lassen uns also von hier fort?«

       Yvonne blickte von dem Ordner auf und erwiderte: »Uns?«

       »Sie haben mich doch herbestellt, um mir zu sagen, dass meine Familie und ich ausgesucht wurden, um nach Camp Sierra zu ziehen, oder?«

       »Nein, nein, Ihre Familie wird Sie nicht dorthin begleiten, und überhaupt werden Sie noch nirgendwohin ziehen. Wir schicken Sie zum DIA; dort werden Sie mit einem Team arbeiten, das wir zusammengestellt haben.«

       »Das begreife ich nicht. Was meinen Sie damit, meine Familie wird mich nicht begleiten, und was ist der DIA?«

       »Lori, Sie sehen aufgebracht aus. Ich darf Ihnen versichern, alles wird gut werden. Freuen Sie sich; Sie wurden auserwählt, um uns beim Wiederaufbau zu helfen. Das ist eine Riesengelegenheit für Ihre Familie und Sie.«

       »Ich kann sie nicht verlassen, verstehen Sie das?«

       »Bitte beruhigen Sie sich, es gibt keinen Grund zur Aufregung«, entgegnete Yvonne.

       »Was wird hier gespielt? Da ist doch was faul; wohin bringen Sie mich?«

       »Mrs. Roberts, glauben Sie mir, alles ist in bester Ordnung. Wir brauchen Fachpersonal wie Sie, um Pläne zur Erweiterung von Camp Sierra zu entwerfen, das ist alles. Das Team, dem wir dieses Projekt anvertrauen, wird an den DIA ausgelagert, das ist die Abkürzung für den internationalen Flughafen von Denver.« Yvonne betonte dies ausdrücklich, aber im ruhigen Tonfall.

       Lori konzentrierte sich auf sie und versuchte, irgendetwas anhand ihrer Körpersprache zu deuten.

       »Sie müssen heute Nachmittag zum Aufbruch bereit sein.«

       Obwohl sie in Gedanken verschiedene Szenarien durchspielte, beruhigte sie sich letzten Endes und begann, logisch zu denken. Hiermit tat sich eine Möglichkeit auf, das Lager zu verlassen, und falls alles gut ging, würde man ihr erlauben, mit David und Eric nach Camp Sierra überzusiedeln.

       »Wie lange werde ich fort sein?«

       »Das ist noch nicht sicher und hängt vor allem davon ab, wie schnell Ihr Team mit dem Projekt voranschreitet.«

       »Ah, okay, aber warum darf meine Familie nicht mitkommen?«

       »Wie in jedem Lager und jeder Noteinrichtung auf dem Kontinent verfügen wir hier nur über begrenzte Mittel und können deshalb nicht jeden versetzen, doch der Hauptgrund besteht darin, dass Sie sich auf Ihre Aufgabe konzentrieren sollen. Ihre Teilnahme ist wichtig.«

       »Tut mir leid, aber ich muss nachhaken: Warum ich – abgesehen davon, dass Sie Architekten brauchen?«

       »Ihr Fachgebiet war Städteplanung, und genau aus diesem Bereich suchen wir jemanden. Lori, viele Menschen haben ihre Leben gelassen; es gibt einfach nur noch wenige Experten wie Sie dort draußen, und Ihr…«

       »Was?«

       Yvonne schaute wieder auf und wich aus: »Ach, nichts eigentlich.«

       »Was bedeuten diese Zahlen?«, fragte Lori mit Blick auf eine Tabelle, die sie in ihrer Akte sah.

       »Es ist eine Liste Ihrer Blutwerte, die wir nach Ihrer Ankunft hinterlegt haben.«

       Das beunruhigte Lori. »Ist damit alles in Ordnung?«

       »Ja, alles bestens«, versicherte Yvonne und schlug den Ordner zu. »Wir brauchen Sie für dieses Projekt. Wie gesagt, Sie sollten sich freuen. Sie wurden ausdrücklich wegen Ihrer Fähigkeiten und Ihrem persönlichen Wesen ausgewählt. Vertrauen Sie mir, das ist etwas Gutes für Sie und Ihre Familie.«

       Lori dachte noch einmal über die Gelegenheit nach. Sie hoffte nur, diese Erklärung ergebe Sinn, denn ansonsten hätte sie nicht gewusst, wie sie es David und Eric unterbreiten sollte.

       »Haben Sie noch weitere Fragen?«

       »Kann ich mit meinem Mann und meinem Sohn Kontakt halten, während ich weg bin?«

       Yvonne zögerte, bevor sie antwortete: »Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.«

       »Gut. Das ist wirklich gut, danke«, erwiderte Lori und zwang sich zu einem verkniffenen Lächeln.

       »Ich danke Ihnen, Lori. Bitte melden Sie sich wegen der Abreisebestimmungen um 16 Uhr im Big Red.«

       »Ich werde da sein, besten Dank.«

       »Das wäre dann alles, ich wünsche Ihnen eine sichere Reise«, sagte Yvonne, ohne aufzuschauen, und notierte sich etwas auf der Akte.

       Lori verließ das Büro und schloss die Tür, ehe sie tief durchatmete.

       Die


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