QUARANTÄNE (The Death 1). John W. Vance
Haar; die nasse Hand wischte er daraufhin an seiner Hose ab. Während seines abgeschotteten Aufenthalts im Stall hatte er weiterhin Wert auf Körperhygiene gelegt, so gut es ging. Da er langes Haar nicht mochte, hatte er seinen dichten, schwarzen Schopf mit einer Schere kurzgehalten, die er fand. In seinen gleichfalls schwarzen Bart mischten sich nun graue Stellen. Er stutzte ihn regelmäßig, damit er nicht zu lang wurde.
Devins blaue Augen starrten eindringlich auf den Rand des Maisfelds, während er ungeduldig darauf wartete, wer hervortreten würde. Der Hund begann, am Boden zu schnuppern, und kam dann näher.
Devins quälende Warterei fand ein Ende, als eine schlanke Frau auftauchte. Da sie noch etwa 200 Fuß entfernt war, konnte Devin ihr Alter und ihre Verfassung nicht einschätzen. Sie trug Jeans und Stiefel sowie eine enge Lederjacke. Ihr langes, braunes Haar hatte sie zusammengebunden und hinten durch eine Baseballmütze gezogen. Sie hielt eine Waffe in den Händen – ein AR-Sturmgewehr, soweit er erkennen konnte.
Die Frau wies den Hund an, zum Haus zu gehen.
Devin schnellte zurück und duckte sich, damit sie ihn nicht entdeckte. Jetzt wünschte er sich, all die vergangenen Monate dazu genutzt zu haben, um sich auf angemessene Weise zu wappnen, statt sich in seinem Tun von Emotionen und einem schwachen Magen leiten zu lassen. Er brauchte irgendetwas, um sich zur Wehr setzen zu können – und zwar schnell. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie ihn nicht sah, eilte er in den einzigen Raum, der ihm einfiel: die Küche. Dort schnappte er sich ein langes Fleischmesser. Als er die Edelstahlklinge betrachtete, fühlte er sich ein wenig sicherer. Dann drängte sich ihm ein Bild auf: Er erinnerte sich, eine Flinte über dem Kamin im Wohnzimmer gesehen zu haben. Warum sie ihm zunächst nicht hatte einfallen wollen, diese Frage würde er sich später stellen. Jetzt lief er nach nebenan und nahm die Waffe herunter. Er kannte sich nicht damit aus – mit keinerlei Waffen. Sein ganzes bisheriges Leben war er davon überzeugt gewesen, keine zu brauchen. Einmal mehr wünschte er sich, die Zeit zurückdrehen zu können, um seine blauäugige Einstellung zu ändern. Er wusste nicht, wie man mit einer Flinte schoss, und jetzt war seine Zeit abgelaufen.
Die Bohlen unter dem Vorbau knarrten, als die Frau und der Hund heraufkamen. Dessen lange Nägel verursachten Klickgeräusche auf dem Holz, während er auf der überdachten Terrasse herumschnüffelte, die rund ums Haus führte.
Devin ging hinter einem breiten Schaukelsessel in Deckung, kniete sich hin und machte sich darauf gefasst, entdeckt zu werden.
Jetzt blieb ihm nur noch sein Hörsinn, weil seine Sicht eingeschränkt war. Angestrengt lauschend erkannte er, dass die beiden die Vordertür erreicht hatten. Er warf einen verstohlenen Blick über den Sessel hinweg zum Eingang, der nur 15 Fuß entfernt war, und sah den Messingknauf wackeln, als sie daran rüttelte, nur um herauszufinden, dass sie vor verschlossener Tür stand.
Devin sah, wie sie zu dem breiten Erkerfenster weiterging, an dem er zuvor gestanden hatte. Dort hörten ihre Schritte auf. Er konnte sich nur vorstellen, wie sie hereinschaute. Ein Winseln machte ihn und die Frau darauf aufmerksam, dass der Hund an der Hintertür stand.
Devin fiel ein, dass er sie nicht verriegelt hatte. Jetzt war er hin und her gerissen: Sollte er versuchen, dies nachzuholen, oder einfach zulassen, dass die beiden hereinkamen? Schließlich sah er ein, dass sie dies sowieso tun würden, abgesperrte Tür hin oder her.
Er schloss die Augen und lauschte weiter. Mit jedem Schritt, den die Frau um das Haus machte, nahm sein Blutdruck zu. Er packte die Flinte fester, während ihm der Schweiß von der Stirn rann.
Schließlich kam sie an der Hintertür an; er konnte hören, wie sie dem Hund etwas zuflüsterte.
Da kam ihm eine Idee: Er wusste nun, was er zu tun hatte.
Zwischen ihm und der Tür in der Küche befand sich eine Wand; er stand auf und lehnte sich dagegen. Jetzt war die Frau nur acht Fuß von ihm entfernt. Er wartete auf das Geräusch, das ihn zur Tat schreiten lassen würde.
Der Knauf drehte sich, und die Tür wurde einen Spaltbreit aufgestoßen; das alte Erlenholz ächzte, als sie vollständig geöffnet wurde.
Das war Devins Zeichen. Er trat mit der Flinte im Anschlag hinter der Wand hervor. Aber wer auch immer diese Frau war – sie hatte sich auf so etwas gefasst gemacht und legte bereits auf ihn an.
»Sofort stehen bleiben, das ist mein Haus!«, schrie er sie an.
»Tun Sie nichts Unbesonnenes, ich suche nur etwas zu essen«, erklärte die Frau. »Es sah so aus, als sei niemand hier.«
»Tja, da täuschen Sie sich!«, krächzte Devin, während er den Griff der Flinte mit seiner klammen Hand noch fester packte. Sein rechter Zeigefinger lag am Abzug, schussbereit falls nötig.
»Nehmen Sie einfach die Waffe runter, dann tue ich es auch«, verlangte die Frau in ruhigem Ton, während sie Devin über den kurzen Lauf ihres AR-15 hinweg anstarrte.
»Sie zuerst«, entgegnete er.
Der Hund begann, kaum hörbar zu knurren. Er fletschte die Zähne und ging in Angriffsstellung. Als Devin ihn ansah, wusste er, dass er unterliegen würde.
»Brando, ganz ruhig. Dieser freundliche Mann wird uns nicht erschießen«, beschwichtigte die Frau, ohne ihre wachsamen Augen von Devin abzuwenden.
Brando trat einen Schritt vorwärts.
Devin war drauf und dran, den Kopf zu verlieren. »Sagen Sie dem Köter, er soll Sitz machen oder so!«
»Er folgt nur, wenn er will.«
Devin wusste nicht, was er tun sollte; Furcht bestimmte sein Verhalten.
Brando hob langsam seine rechte Vorderpfote und stellte sie wieder hin. Er bewegte sich zaghaft auf Devin zu, pirschte sich an wie ein Raubtier auf Beutezug.
»Verschwinden Sie jetzt!«, schrie Devin, dessen Stimme wegen der Schutzmaske dumpf klang.
»Wir gehen ja schon, keine Sorge. Knallen Sie uns bloß nicht von hinten ab.«
Nachdem er das gehört hatte, verspürte Devin einen Hauch von Überlegenheit.
»Komm, Brando, so freundlich ist unser Gastgeber doch nicht.«
Doch der Hund ließ nicht von Devin ab. Sein Knurren war lauter geworden, und seine weißen Zähne ließ er jetzt deutlich erkennen.
Die Frau ging rückwärts, bis sie gegen die Fliegengittertür stieß.
»Brando, Junge, jetzt komm«, befahl sie.
Das Tier wollte nicht hören; ein Streifen seines dichten, schwarzen Rückenfells sträubte sich.
»Ich schieße auf das Vieh, ich sag’s Ihnen!«
»Egal, was Sie tun, zielen Sie nicht auf ihn. Ich bringe ihn dazu, bei Fuß zu kommen, geben Sie mir bloß etwas Zeit«, bat sie.
Brando knurrte immer lauter, bis er wieder bellte. Devin zuckte zusammen und richtete die Flinte auf ihn. Der Hund sperrte sein Maul auf und stürzte los. Er vergrub die Zähne in Devins rechtem Arm. Der schrie vor Schmerz auf und drückte ab, doch nichts geschah, weil die Flinte nicht entsichert war.
Brando schüttelte heftig den Kopf, während er fester zubiss. Solche Schmerzen hatte Devin noch nie erlebt. Er ließ die Waffe fallen und taumelte rückwärts, ehe er über die Kante eines dicken Perserteppichs im Wohnzimmer stolperte.
Das Tier ließ ihn einfach nicht los. Schließlich ging Devin rücklings nieder, und der Hund mit ihm. Dabei brüllte er noch vor Schmerz, was jedoch abrupt aufhörte, als er mit dem Kopf gegen den Couchtisch schlug. Die Wucht des Aufpralls war so heftig, dass sein Blickfeld verschwamm, bevor es endgültig schwarz wurde.
Lager 13 der Katastrophenschutzbehörde, Region VIII, 50 Meilen östlich des internationalen Flughafens Denver
Aus den Lautsprechern plärrte der Morgenappell und beendete Lori Roberts’ kurzen Schlaf. Nachdem sie sich die ganze Nacht lang hin und her gewälzt hatte, war sie gerade eine Stunde zuvor erschöpft weggetreten.
Die anderen, mit denen sie in dem großen Allzweckzelt lag – ihr Ehemann David und ihr Sohn Eric – waren schon wach und machten sich für den bevorstehenden Tag fertig, von