Adel verpflichtet. Martina Winkelhofer

Adel verpflichtet - Martina Winkelhofer


Скачать книгу
Freier finden«, aus dem einzigen Grund: weil sie »nicht schön« seien.45

image

      Die gefeierte Schönheit Prinzessin Aglae Auersperg. Sie galt als schönstes Mädchen ihrer Generation, war die Tochter des langjährigen Ministerpräsidenten Adolph Auersperg und die beste Freundin der Kaisertochter Marie Valerie, um 1888.

      Dagegen konnte ein außergewöhnlich hübsches Mädchen ohne große Mitgift relativ leicht einen Mann finden. Prinzessin Aglae Auersperg, Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten Adolph Auersperg und beste Freundin der Kaisertochter Marie Valerie, war eine der bekanntesten Schönheiten der Gesellschaft. Obwohl ihr Vater durch seine Stellung als zweitgeborener Sohn kaum über eigenes Vermögen verfügte und ihr keine hohe Mitgift geben konnte, war sie wegen ihrer Schönheit eine der begehrtesten Partien. Sie heiratete schließlich den gut aussehenden und selbst äußerst begehrten jüngsten Sohn des Fürsten Kinsky. (Was dann doch einige Probleme aufwarf, denn in diesem Fall traf zwar Schönheit auf blendendes Aussehen, aber Geld für einen standesgemäßen Lebensstil war kaum vorhanden. Das gut aussehende Paar hatte jedoch Glück, denn ein reicher und kinderloser Onkel des Bräutigams setzte schließlich die beiden als seine Erben ein).46

      Mit Beginn der gesellschaftlichen Saison zur Faschingszeit setzte also die – inoffizielle – Jagd der Mütter und Töchter nach den besten Partien ein. Jeder potentielle Bewerber wurde taxiert, seine Familienverhältnisse durchleuchtet, mögliche Chancen auf Erbschaften ausgemacht, und in der Folge versucht, den Wunschkandidaten unauffällig einzuladen und bei Feiern mit der Tochter zusammenzusetzen.

      Alle Mütter besprachen mit ihren Verwandten mögliche Heiratskombinationen – die überhaupt einen Großteil der Korrespondenz von Aristokratinnen ausmachte. Genauso eifrig wie die eigenen Heiratspläne wurden jene der anderen beobachtet und kommentiert. Der Tratsch erreichte jetzt seinen jährlichen Höhepunkt. Da die Aristokratie eine vielfach miteinander verschwägerte Gruppe war, deren verwandtschaftliche Verbindungen Nichtmitglieder nur sehr schwer durchschauten, konnten bei den Heiratskombinationen (bei denen auch noch Tatsachen mit Wünschen vermischt wurden) Außenstehende kaum noch durchblicken. Jeder wusste von jedem, wessen Tochter auf der Suche war. Gleichzeitig hatte jede Familie Heiratswünsche, die oft dieselben waren wie jene der anderen Familien. So mancher Wunschschwiegersohn musste wieder aufgegeben werden, wenn sich herausstellte, dass ihn die Tochter doch nicht für sich gewinnen konnte: »Die Hoffnungen auf Georgl werden wohl wenig realen Hintergrund gehabt haben«.47 Hinzu kam noch, dass die Protagonisten, die jungen Damen und Herren, was ihre Herzensangelegenheiten betraf, eigene Vorstellungen hatten, die oft gar nichts mit jenen der Familien zu tun hatten. Oft wussten die lieben und eifersüchtig beobachtenden Konkurrenzfamilien mehr über den aktuellen Stand einer »Anbahnung« als die betreffende Familie selbst.

      Ein Beispiel für solch einen komplizierten Liebesreigen, das für unzählige dieser Art in den Korrespondenzen steht und zeigt wie kompliziert die Heiratsphase war: »Nanny hat mir die Confidence gemacht, dass Cari Trauttmansdorff in Maritschi Auersperg verliebt ist und man hofft, dass etwas daraus wird! Ich kenne mich nicht aus und glaube, die Auersperg ahnen nichts davon, denn Maritschi hat immer Courmacher. Sie ließen sie auch gestern allein zu einem Tanzerl zu Trauttmansdorff gehen. Die nächsten Tage wird (sic!) zeigen, was daran ist. Josl hat mir auch davon gesprochen was mir nicht angenehm ist. Cari soll ihre Liebe sein.«48

      Von den Müttern besonders beobachtet wurde stets, um wen sich die Söhne der höchsten Adelsfamilien bemühten: »Großes sujet de conversation bei Nanny ist dass Johannes Liechtenstein bei Amelitzy Fürstenberg anbeißen soll!«49 Die begehrten Erben der Aristokratie und deren Mütter mussten bei Heiratskonstellationen extrem vorsichtig sein, wenn sie nicht wollten, dass angebahnte Verbindungen zu früh bekannt wurden. So manche Familie täuschte harmlose Reisen vor, damit nur ja niemand eventuelle Heiratsgespräche herausfand – denn die Majoratsherren standen von allen heiratsfähigen Männern am meisten unter Beobachtung.50

image

      Die Komtessen »Pepe« und »Lintsch« Trauttmansdorff, um 1880.

      Gegen Ende einer Saison begannen sich die Paare, die sich gefunden hatten, herauszukristallisieren. Man versuchte zwar, bis zur offiziellen Verlobung, die Nachricht einer etwaigen Verbindung dezent zurückzuhalten. Doch die Standesgenossen wussten immer sehr schnell, wer sich gefunden hatte oder kurz vor einer Verlobung stand. Eine Briefstelle: »Es ist ein Gemunkl, das A. Festetics Carl Windischgrätz heirathen soll!«51

      Hatte ein junger Mann bei einer Komtess erste Absichten (denn die Initiative ging nur von Männern aus), suchte er längere Konversationen, machte Komplimente und bat sie öfter als üblich zum Tanz. Wer während einer Saison zweimal mit derselben den Kotillon tanzte, wurde fast schon als ihr Verlobter betrachtet – zumindest ging man davon aus, dass derjenige bald bei den Eltern vorsprechen werde. Eine anständige Komtess hatte auf diese Aufmerksamkeiten entweder freundlich zu akzeptieren oder deutlich abzulehnen.52 Unkontrolliertes Flirten, das »Sammeln« von Verehrern galt als ordinär und verpönt – so gerne sich junge Frauen auch in der Aufmerksamkeit der Männer sonnten. Als die junge Prinzessin Nora Hohenlohe bei einem Ball ihre sechs Kotillontänzer um sich versammelte – einer saß zu ihrer Rechten, einer zu ihrer Linken, die übrigen vier hinter ihr – und sich im Kreis ihrer Bewunderer sonnte, streifte sie beim Erscheinen der Mutter ein böser Blick. Das wahre Donnerwetter kam aber erst bei der Heimfahrt, als sie von ihrer Mutter mit einer Strafpredigt bedacht wurde, deren Inhalt sie, wie sie sich ausdrückte, »nicht wiederholen kann und will«.53 Der Ruf einer jungen Frau musste tadellos sein und bleiben, umso mehr als dieser als Kapital für eine erfolgreiche Heirat unverzichtbar war.

      Ließ ein junger Mann ernste Absichten erkennen, zogen die Eltern der jungen Frau Erkundigungen ein. Danach musste der Bewerber in einem persönlichen Gespräch mit ihnen seine Absichten sowie seine Aussichten auf Vermögen und Laufbahn darbringen. Die Familie der Komtess musste stets darauf achten, sie nicht zu kompromittieren, indem man versuchte, den Lauf der Dinge etwas zu beschleunigen. Weder ließen sich die jungen Männer drängen, noch war dies ungeduldige Verhalten seitens der Familie gut für weitere, künftige Bekanntschaften, da sich drängende Eltern schnell herumsprachen. Übereilte Einladungen oder unvorsichtige Äußerungen konnten schnell zu einem Abbruch des Werbens führen. Überreichte der Mann seiner auserwählten Komtess jedoch kleine Aufmerksamkeiten, befand sich das Paar schon in einer Vor-Verlobungsphase.

image

      Brautpaar Esterhazy-Stockau, um 1885.

      Wenn sich ein Paar in seinen Gefühlen – oder zumindest Erwartungen – einig war und die Eltern beider ihr Einverständnis gegeben hatten, begannen, vor der offiziellen Bekanntgabe der Verlobung, die Verhandlungen über die Mitgift. Und hier kam es nicht selten zu wahren Feilschereien. Hinsichtlich des finanziellen Aspekts einer Heirat dachte der Adel sehr praktisch: Eine perfekte Verbindung zur Wahrung des Stammbaums war gut, eine zusätzliche solide finanzielle Grundlage einer Ehe noch besser. Beide Seiten, die Familie der Braut wie des Bräutigams, versuchten herauszuholen, was nur ging. Die Mitgift der Braut sollte so hoch wie möglich sein, entsprechend annehmbar das Heiratsgut des Bräutigams. So manche Familie flunkerte bei den ersten finanziellen Erkundigungen, die die Familie des Bräutigams einholten. Zähe Nachverhandlungen, immer vor dem drohenden Hintergrund einer geplatzten Verlobung, die für beide Seiten peinlich wäre, waren an der Tagesordnung. Manche Familien einigten sich schnell, manche rangen um jede Kleinigkeit. Manche hatten zu hoch gepokert und mussten nun die Karten offen auf den Tisch legen, und manche weigerten sich, zu geben, was sie versprochen hatten: »So empörte man sich bei den Mitgift-Verhandlungen anlässlich einer Verbindung der Familien Trauttmansdorff und Auersperg, dass der Brautvater alle »über’s Ohr« gehaut habe und statt der versprochenen hohen Summe lediglich einen Minimalbetrag zu bezahlen gedachte.«54

      Die reichen und mächtigen Familien ließen sich freilich nicht »über’s Ohr hauen«. Im Fall etwa einer Tochter des regierenden


Скачать книгу