EQUALIZER. Michael Sloan
legen konnte, ein Kleiderbügel an der Rückseite der Tür, um die Anzugjacken aufzuhängen. Eine silberne Lampe auf einem kleinen Nachttisch. Das war vermutlich alles. Wahrscheinlich hatte jedes Zimmer ein winziges Bad.
McCall sah sich die Cocktailkellnerinnen an, die zwischen den Tischen umhergingen und immer wieder an die Bar traten, wo ein paar junge Barkeeper so schnell wie möglich die Drinks mixten. McCall erinnerte sich, dass Katia erzählt hatte, sie würde Drinks servieren und sie beide seien in der gleichen Branche. Er sah sie nicht.
Sein Blick wanderte wieder zu den Tänzerinnen. Er vermutete, dass sie zu bestimmten Gelegenheiten Dienstleistungen anbieten mussten, die wenig mit Tanzen zu tun hatten, höchstens in einem übertragenen Sinn. Und dann sah er sie, sie lehnte an einem silbernen Handlauf, der den erhöhten Raum um die Bar von den Cocktailtischen trennte. Sie trug ein wunderschönes schwarzes Kleid, das mehr von ihren Brüsten zeigte, als ihr vermutlich lieb war, denn er erinnerte sich daran, dass sie meist eher konservativ gekleidet war, wenn sie ins Bentleys kam. Tatsächlich hatte er sie nie in was anderes als Jeans im Restaurant gesehen, dazu dunkle Pullover in verschiedenen Farben und einen Windbreaker. Das hier war eine ganz andere Katia, ebenfalls mit perfektem Make-up, elegant und verführerisch, aber unnahbar. Ihre Körpersprache sagte, komm mir nicht zu nahe. Das Kleid reichte ihr bis knapp übers Knie, zeigte ihre wohlgeformten Beine, stellte sie jedoch nicht zur Schau. Sie hielt ein Champagnerglas in der Hand, nippte aber nur daran. Es war lediglich Staffage. Vielleicht war gar kein Champagner darin; wohl eher Ginger Ale.
McCall schob sich langsam durch die Menge und nahm eine Hundertdollarnote aus der Tasche. Sie sah ihn nicht, bis er fast neben ihr war. Als sie es tat, machte sie völlig desorientiert einen Schritt nach hinten.
»Was machst du denn hier?«
Er konnte sie kaum hören über Pink hinweg, die verlangte: »get this party started«.
»Lass uns tanzen«, sagte McCall.
»Ich tanze nicht.«
»Ich sehe auch nicht, dass du Cocktails servierst, und du bist nicht so angezogen, um nur zuzusehen.«
»Ich bin mit meinem Freund hier. Er ist an der Bar.«
»Du hast keinen Freund. Das hat mir Natalya gesagt.«
»Natalya hat dir gar nichts gesagt.«
»Nicht mit Worten. Du wirst bezahlt, um zu tanzen. Ich nehme an, das ist neu für dich. Hier sind meine hundert Dollar. Wie viele Tänze kriege ich dafür?«
»Einen.« Jetzt trat sie näher zu ihm und senkte die Stimme, auch wenn sie hätte schreien können und niemand sonst hätte es gehört. »Schau, Bobby, ich weiß nicht, wie du herausgefunden hast, dass ich hier arbeite.«
»Du hast ein Streichholzbriefchen vom Dolls zwischen den Fingern gedreht, als du gekommen bist, um Natalya abzuholen.«
»Das stimmt. Okay, das ist dir also aufgefallen. Ich mag dich. Ich bin froh, dass du gedacht hast, es wäre spaßig, hierherzukommen und mich zu besuchen. Ich war bei dir in der Arbeit, jetzt warst du bei mir. Belassen wir es dabei.«
»Lass uns tanzen«, wiederholte McCall und drückte ihr die Hundertdollarnote in die Hand.
Ihr Blick schweifte kurz an ihm vorbei. Er drehte sich um und bemerkte Kuzbec, im selben dreiteiligen Anzug mit der goldenen Uhrkette, der sie interessiert von der anderen Seite der Tanzfläche ansah. Er trank ebenfalls Champagner und sein Blick hätte einen Eisbären frösteln lassen.
»Du wirst mich noch in Schwierigkeiten bringen«, zischte sie und ihr tschetschenischer Akzent wurde deutlicher, weil sie Angst hatte.
»Nicht, wenn du mit mir tanzt«, sagte McCall. »Ist das deine erste Nacht hier als Tänzerin?«
»Ja.«
»Bin ich dein erster Tanz?«
Sie nickte.
»Das ist eine ziemliche Ehre. Besser ich als irgendeiner der stumpfsinnigen Aktienmakler da an der Bar. Komm schon, du führst. Ich folge. Ich bin nicht gerade Michael Jackson auf der Tanzfläche.«
Das brachte sie zum Lächeln. Sie steckte sich den Schein in den Ausschnitt und nahm ihn an der Hand, führte ihn durch die Cocktailtische hindurch auf die überfüllte Tanzfläche.
»Ich kann mir niemanden Besseren vorstellen, um mein erster Tanzpartner zu sein«, sagte sie fast mit einem Flüstern.
»Warte, bis ich dir ein paarmal auf die Füße getreten bin, bevor du dieses Urteil fällst.«
Er nahm sie in die Arme und sie tanzten, bewegten sich nur langsam vor und zurück, nicht im Takt der Musik, sondern zu einem Rhythmus, der in ihren Köpfen langsamer klang.
»Wie ist dein voller Name?«, fragte McCall. »Da wir ja Tanzpartner sind, sollte ich das wissen.«
»Katia Rossovkaya,«
»Keine Russin.«
»Tschetschenin.«
»Hundert Dollar pro Tanz. Wie lautete der alte Songtext? Ten cents a dance? Die Inflation ist ganz schön hoch im Dolls.«
»Es sind drei Tänze. Ich wollte dich nur abschrecken.«
»Was bekommt man dafür noch?«
Sie versteifte sich in seinen Armen und antwortete nicht. McCall nickte in Richtung einiger der erfahreneren Tänzerinnen auf der Tanzfläche, die ihre Magie auf ihre neuen Tanzpartner wirken ließen.
»Wie viele von denen müssen die Treppe hochgehen?«
»Was weißt du darüber?«
Jetzt klang sie alarmiert und ihr Blick hetzte über die Tanzfläche, neben der Kuzbec sie immer noch beobachtete.
»Ich weiß gar nichts. Deswegen bin ich da. Ich versuche, einen Eindruck von deren Operation zu bekommen. Ein paar von den Tänzerinnen sehen so aus, als machten sie das schon eine Weile. Andere sind weniger selbstsicher, aber sie nähern sich an. Sie haben vermutlich keine andere Wahl.«
»Ich auch nicht.«
»Sicher hast du die. Du sagst ihnen, dass du nur tanzt, und das ist alles.«
»Du kennst die nicht.«
»Doch, das tue ich.« Ihre Augen richteten sich kurz über seine Schulter. »Vergiss den Chauffeur. Der wird dir nichts tun. Das würde er nicht wagen.« McCall tanzte mit ihr von dieser Seite der Tanzfläche und dem jungen Tschetschenen weg. Pink wurde durch Beyoncé ersetzt, die ihrem Mann sagte, dass er ihr schon einen Ring anstecken müsse, wenn er was von ihr wolle. Diva-Abend im Dolls. »Wer wartete auf dich auf dem Rücksitz des Lexus?«
Sie packte seinen Arm ein wenig fester. »Bobby, hör zu …«
»Nenn mich Robert«, sagte er leise. »Niemand, der mich wirklich kennt, nennt mich Bobby.«
»Robert, ich weiß es zu schätzen, dass du versuchst, mir zu helfen. Aber ich hab dir gesagt, du kannst nichts machen. Diese Leute können Monster sein. Sie werden dir wehtun. Ich weiß, womit ich es zu tun habe. Ich komme klar. Du musst jetzt gehen.«
»Ich hatte noch nicht meine drei Tänze.«
McCall ließ den Blick über die Tanzfläche schweifen und suchte die Menge nach dem gut gekleideten Killer ab, den er in Moses’ Antiquitätengeschäft gesehen hatte und für einen Moment auf dem Rücksitz des Lexus. Er fand ihn nicht.
»Wie heißt der Mann?«
»Das brauchst du nicht zu wissen.«
»In meinem früheren Leben hatte ich es satt, dass die Leute mir das gesagt haben. Wem gehört der Laden?«
»Sein Name ist Borislav Kirov.«
»Und wie lange dauert es, bis man von der Tänzerin zur Nutte wird?«
Sie biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf, als sei die Situation völlig hoffnungslos.
»Was