Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Mädchen, mit ihrem Collie Jonny gesehen hatte.

      Und danach war alles ganz schnell gegangen, sie war beinahe wie fremdgesteuert zum Bootsverleih gelaufen.

      Dort traf sie direkt auf den Besitzer, der dabei war, ein Paddelboot zu reparieren und dabei sehr geschickt agierte.

      Er war ein junger, ein wenig verwegen aussehender Mann, der sofort mit seiner Arbeit aufhörte und ihr interessiert entgegenblickte.

      »Hi, ich bin Kay … Kay Holl«, sagte er, »und wer bist du?« Er duzte sie wie selbstverständlich, und Roberta widersprach nicht.

      »Roberta«, sagte sie, und mehr erwartete er auch nicht. »Ein schöner Name, passt zu dir. Und jetzt willst du ein Ruderboot mieten.«

      Er setzte das als so selbstverständlich voraus, dass Roberta ihn nur staunend ansehen konnte.

      »Wieso Ruderboot? Es gibt auch Paddelboote, Segelboote«, sagte sie.

      Er lachte, zeigte ein so ­ma­kelloses Gebiss, dass er sehr gut als Model für eine Zahnpastawerbung durchgehen könnte.

      Er war überhaupt ein guter Typ, dieser Kay Holl, er sah sehr gut aus, wirkte offen und sehr sympathisch. Wäre sie durch ihre gescheiterte Ehe nicht so vorgeschädigt, und wäre er nicht jünger als sie, wäre er genau der Typ Mann, der ihr gefiel. Ein Mann, der in ihr Beuteschema passte, würde ihre Freundin Nicki jetzt keck behaupten. Gegen solche Bemerkungen wehrte Roberta sich immer, denn das Wort »Beuteschema« bedeutete für sie einen ganz ordentlichen Verschleiß an Männern. Das war bei ihr niemals der Fall gewesen. Aber sie war nicht hier, um eine Eroberung zu machen, sondern sich die Boote anzusehen.

      »Paddeln ist auch nichts für dich«, sagte er nach einem weiteren abschätzenden Blick. »Segeln ja, bei entsprechendem Wind, den wir heute nicht haben. Rudern, ja, ich denke, davon verstehst du etwas, und ich glaube auch, dass du dich jetzt mal so richtig auspowern willst. Habe ich recht? Sag einfach ja, und der Einer da drüben ist deiner.«

      Es war unglaublich. Sie hatte nicht daran gedacht, schon heute aufs Wasser zu gehen, sondern sie hatte sich eigentlich nur informieren wollen.

      Ehe sie ihm eine Antwort geben konnte, ging er zum Boot, blieb davor stehen.

      »Komm, überleg nicht lange. Du willst es doch, das sieht man dir an. Spontane Entscheidungen sind immer die besten.« Was sollte es.

      Roberta hatte sich für einen Marsch um den See sportlich angezogen. So konnte sie auch auf jeden Fall in ein Ruderboot steigen. Und es war überhaupt keine schlechte Idee, Frust abzubauen, davon hatte sie genug.

      »Okay, überredet«, lachte sie.

      Er schüttelte den Kopf, grinste.

      »Nö, nicht überredet, überzeugt. Viel Spaß, bleib draußen, solange du willst. Ich hab noch zu tun. Und heute herrscht kein großer Andrang bei mir, und auf dem See ist auch nicht viel los. Du kannst dich also so richtig ins Zeug legen. An den Wochenenden ist es ganz anders. Da prügeln sie sich beinahe um die Boote … nun ja, bei entsprechendem Wetter.«

      Er zuckte die Achseln.

      »Es ist, wie es ist.«

      Roberta war ganz schön aufgeregt, als er den Einer ins Wasser gleiten ließ. Doch als sie ein wenig später im Boot saß, war es nach wenigen Ruderschlägen so, als habe sie erst gestern zum letzten Male im Boot gesessen.

      Kay Holl winkte ihr zu, sie winkte zurück, dann ruderte sie zügig los.

      *

      Es war unglaublich.

      Roberta fühlte sich plötzlich so frei, so unbeschwert und vor allem so unglaublich jung.

      Bilder aus der Vergangenheit tauchten auf.

      Es war eine herrliche Zeit gewesen, als sie und ihre Mädels mit ihrer Studentenmannschaft Sieg um Sieg errungen hatten.

      Wie stolz waren sie gewesen, vor allem wie glücklich und froh.

      In einem Einer war sie nur zum Spaß gerudert, und sie freute sich noch jetzt, dass ihr großartiger Coach sie dazu ermutigt hatte.

      Im Einer war man unabhängig, da war man der Chef und konnte alles bestimmen, Ruderschläge, Tempo, einfach alles.

      Roberta ruderte zügig zur Mitte des Sees und stellte fest, dass sie völlig aus der Übung war und dass es ganz schön anstrengend war.

      Sie ließ es langsamer angehen, dümpelte streckenweise träge vor sich hin, beobachtete Schwäne, die majestätisch über das Wasser glitten, stolz und schön.

      Und wenn man sie so sah, war es beinahe unvorstellbar, wie plump sie an Land aussahen.

      Enten näherten sich neugierig dem Boot, drehten jedoch sehr rasch wieder ab, als sie merkten, dass bei ihr nichts zu holen war.

      Sie waren verwöhnt, die Enten, denn die Wanderer, die Spaziergänger, brachten Brot mit, das sie an die Enten verfütterten, und das führte dazu, dass sie es ganz einfach erwarteten.

      Roberta musste lächeln.

      Es war schön!

      Es war wunderschön!

      Und es war friedlich, und das Wasser, das gegen das Boot schlug, hatte eine einschläfernde Wirkung. Nicht nur das, all ihre Probleme, all der Ärger schienen ganz weit weg zu sein.

      Roberta ruderte entspannt an der nicht bewohnten Seite des Sees entlang. Eine Spaziergängerin winkte ihr zu, sie winkte fröhlich zurück.

      Ja, fröhlich!

      Hier und jetzt beschloss Roberta, sich nicht unterkriegen zu lassen, sondern die Herausforderung anzunehmen. Es wäre doch gelacht, sie hatte bislang immer alles geschafft, warum nicht hier?

      Schon wollte sie umkehren und das Boot zurückbringen, als sie plötzlich das Gefühl hatte, auch noch am bewohnten Teil des Sees vorbeirudern zu müssen.

      Es war an überhaupt nichts festzumachen. Es war einfach nur ein Gefühl, was allerdings verwunderlich war, weil Roberta sich normalerweise nicht von ihren Gefühlen leiten ließ.

      Ein bitterer Zug umspielte ihre Lippen.

      Das hatte sie einmal gemacht, sich von ihren Gefühlen leiten lassen, obschon ihr Verstand direkt etwas anderes gesagt hatte. Damals bei Max. Das Ergebnis war bekannt.

      Es würde wohl noch eine ganze Weile dauern, bis sie das alles hinter sich hatte. Es tat nicht mehr weh, aber die Enttäuschung saß einfach noch zu tief. Es ging nicht nur ihr allein so. Kein Mensch konnte seine Vergangenheit einfach zu den Akten legen oder wegwerfen wie ein altes Kleidungsstück.

      Sie konnte es auf jeden Fall nicht, Erinnerungen tauchten immer wieder auf, manche waren schön, manche waren schmerzlich. Es war nicht alles schlecht gewesen, am Anfang war es wundervoll, doch das mochte auch daran gelegen haben, dass sie noch die rosarote Brille aufgesetzt hatte.

      Vorbei!

      Vorbei für immer, und es machte jetzt auch überhaupt keinen Sinn, sich wegen der vielen, unnütz vertanen Jahre zu grämen.

      Die Zeit heilte alle Wunden. Daran wollte sie glauben.

      Ein Vierer glitt an ihr vorüber, in dem junge Männer saßen, die ihr ein paar launige Worte zuriefen. Fast war sie geneigt, sich an sie dranzuhängen und ihnen zu zeigen, wie man es richtig machte. Vom Rudern verstanden sie nicht viel, aber sie hatten gute Laune, und das war ja schon mal etwas, und sie war nicht hier, um sich oder anderen Menschen etwas zu beweisen.

      Hier und da war doch noch das eine oder andere Boot zu sehen. Ruderboote, Paddelboote. Segelboote waren nicht auf dem See, doch das lag einzig und allein daran, dass es beinahe windstill war.

      Roberta konnte die Gefühle, die sie durchfluteten, überhaupt nicht beschreiben. Sie glitt pfeilschnell dahin, dann ließ sie sich wieder treiben. Sie hatte keine Eile.

      Sie befand sich bereits in der Nähe des bewohnten Teils des Sees und überlegte gerade, ob sie nicht doch umkehren sollte,


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