Wolfgang Amadeus Mozart. Hermann Abert

Wolfgang Amadeus Mozart - Hermann  Abert


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diesen Stimmungskreis biegt freilich nach dem entschieden zu tändelnd geratenen Andantino erst wieder das Menuett ein, ein in seinen Stimmungsumschlägen seltsam zerrissenes Stück, in das nur das Trio einige Beruhigung hineinbringt. Auch die Schlußfuge fällt mit ihrem chromatischen Thema114

      in den alten vergrämten Ton zurück. Sie ist rein technisch durchaus nicht einwandfrei, aber im Ausdruck weit besser und lebendiger gelungen als die des ersten Quartetts, geradezu ergreifend ist die stille Resignation der Coda.

      Mit den sechs dem Baron v. Dürnitz gewidmeten Sonaten (K.-V. 279–284, S. XX. 1–6), die Mozart auf der Mannheimer und Pariser Reise öfters vorgetragen hat, betrat er zum ersten Male das Gebiet der Klaviersonate. Die zum Teil recht wesentlichen Verschiedenheiten der einzelnen Stücke in Bau und Charakter legen die Vermutung nahe, daß er nach Empfang seines Auftrags auf eine ältere Mappe zurückgegriffen hat115; freilich muß dabei bemerkt werden, daß die Sonate damals noch keine so feste Form angenommen hatte wie die Sinfonie. Neben Sonaten von der Form J. Haydns (K.-V. 280, 281) steht die in Es-Dur (K.-V. 282), die den Bau der romantischen Violinsonaten aufweist, und die in D-Dur (K.-V. 284), die mit ihrem Polonäsenrondo und dem Variationenfinale auf französische Muster hindeutet. Am treuesten folgen dem von den Italienern stark beeinflußten Wiener Modestil die ganze erste und das Allegro der dritten Sonate mit ihrem behaglich lockeren Bau und der in figurativen Themen, gebrochenen Akkorden und Albertischen Bässen schwelgenden Spielfreudigkeit. In den andern erheben sich besonders die Durchführungen zu größerer Gediegenheit im Sinne Haydns, der auch in manchen Übergangsthemen und Schlußsätzen sein Wesen treibt (vgl. Nr. 2, 4 und 5), auch ist das Rondo der dritten bereits ein Stück von hohem, lebendigem Schwung. Aber Selbstbekenntnisse im Sinne der Quartette hat Mozart hier der Sonate noch nicht anvertraut, von jener Romantik huschen nur ab und zu flüchtige Schatten über die Szene116. Nur Nr. 6 geht auch hierin ihren eigenen Weg. Sie ist zugleich die erste, die die Ausdrucksmöglichkeiten des neuen Hammerklaviers vollständig erschöpft, während die andern über die alte Clavichordtechnik nicht wesentlich hinausgehen. In der Durchführung des ersten Satzes umzieht sich plötzlich der heitere Himmel, und der Hörer wird auf Grund eines Motivs, das aus einem Nebengedanken gewonnen ist117, in einen gärenden Strudel der Leidenschaft hineingerissen, schließlich zerflattert die Melodik überhaupt, und erst nachdem hastig ein ganzer Kreis von Molltonarten durchmessen ist, wird in einem kurzen Crescendoanlauf das Hauptthema wieder erreicht. Das ist die Joh. Schobert verwandte Seite in Mozarts Wesen, die hier plötzlich mit Urgewalt wieder hervorbricht. Auch in dem nach französischen Vorbildern die Sonate beschließenden Variationensatz glaubt man Mozarts Genius im Verlaufe der Arbeit Feuer fangen zu sehen. Nachdem die ersten Variationen auf Grund bestimmter Spielfiguren das Thema melodisch umspielt haben, gewinnt von der klagenden Mollvariation ab das poetische Element die Vorherrschaft und sucht in der 8.–10. Variation dem Thema neue Seiten abzugewinnen118, wobei namentlich die neunte und zehnte bereits stark an die Art Beethovens streifen; leider hält die dem Modegeschmack folgende Adagiovariation diese Höhe nicht fest.

      Zwei Vorläufer haben diese Variationen in den Variationen über ein Menuett von Fischer (K.-V. 179, S. XXI. 3) und über "Mio caro Adone" aus Salieris "Fiera di Venezia" von 1772 (K.-V. 180, S. XXI. 4) aus demselben Zeitabschnitt119. Während jene nach der Sitte der Zeit im wesentlichen rein ornamental gehalten sind und die melodische Linie des Themas dem Hörer stets gegenwärtig halten120, folgen die Salierivariationen dem älteren deutschen, noch von J. Haydn in seinen A-Dur-Variationen geübten und später von Beethoven in größtem Maßstab wieder aufgenommenen Brauch, statt der äußeren, melodischen Erscheinung des Themas vielmehr seinen geistigen Gehalt zu variieren und daraus ganz neue Tongebilde hervorzulocken. Das Fischersche Menuett bleibt stets deutlich erkennbar, die Salierische Arie dagegen muß es sich gefallen lassen, in eine Reihe kleiner, selbständiger Charakterstücke umgegossen zu werden, von denen das letzte sich sogar unter Aufgabe des Grundrhythmus einem französischen Singspielliedchen nähert, halb humoristisch schließt sich daran dann noch die italienische Bettelkadenz. Bedeutend sind diese Stücke freilich nicht, aber das Prinzip ist bemerkenswert; Mozart ist in seinen späteren Werken nur noch in einzelnen Fällen darauf zurückgekommen.

      Den Abschluß dieser ganzen Reihe von Werken bildet die opera buffa "La finta giardiniera". Sie ist von einem unbekannten Dichter verfaßt121 und 1774 im Karneval mit der Musik P. Anfossis zu Rom im "Teatro alle Dame" erstmals aufgeführt worden. Um ihr gerecht zu werden, müssen wir uns zunächst in der Geschichte der ganzen, für Mozart ja so überaus wichtigen Gattung etwas näher umsehen. Es ist dies um so notwendiger, als sie bis jetzt von der Forschung ziemlich stiefmütterlich behandelt worden ist. Hier liegt zugleich auch eine der größten Lücken in der Mozartforschung vor. Dem stolzen Bau des Figaro und Don Giovanni fehlt eigentlich die geschichtliche Unterlage noch vollständig; um so merkwürdiger wirkt die auch von Männern wie Jahn befolgte Methode, unter flüchtiger Behandlung einzelner, auf gut Glück herausgegriffener Vorgänger Mozart einfach für den Höhepunkt der ganzen Gattung zu erklären. Hier muß tatsächlich die ganze Arbeit nochmals geleistet werden.

      Fußnoten

      1 S.o.S. 102.

      2 B III 122.

      3 S.o.S. 170.

      4 B I 63. Das Dekret vom 28. Aug. 1772 bei Pirckmayer in den Mitteil. der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 1876, 150.

      5 Von Leopold offenbar beeinflußt ist Dom. Hagenauers Tagebuchnotiz: "L. Mozart hatte das Unglück, hier immer verfolgt zu werden und war lange nicht so beliebt, wie in anderen größten Städten Europas." Engl, Mozart S. 5. Eine Ehrenrettung des Erzbischofs versucht Pirckmayer a.a.O., vgl. dazu auch Deiters bei Jahn I4 394, Anm. 37.

      6 Vgl. die Schilderung bei Koch-Sternfeld a.a.O. S. 44 f.

      7 K. R[isbeck], Briefe eines reisenden Franzosen I 158: "In Rücksicht auf den Kopf kann man von dem jetzigen Fürsten nichts Gutes genug sagen, aber – sein Herz kenne ich nicht. Er weiß, daß er den Salzburgern nicht sehr angenehm ist, und verachtet sie daher und verschließt sich."

      8 Am 19. Febr. 1778 schreibt Wolfgang dem Vater: "Ich getrauete mir nicht recht zu widersprechen, weil ich schnurgerade von Salzburg herkam, wo man einem das Widersprechen abgewöhnt."

      9 Eine Charakteristik des Erzbischofs bei Koch-Sternfeld S. 312 f.

      10 Ebenda S. 43.

      11 J I4 394.

      12 Darauf weist Pirckmayer a.a.O. mit Recht an der Hand eines Gehälterverzeichnisses hin.

      13 Seiffert DTB IX 2, XXV ff.

      14 Meißner gehörte zu seinen Lieblingen, aber auch er erhielt nach L. Mozarts Bericht (B III 207) durch den Oberhofmarschall die Mahnung, "da er wegen eines Katarrhs ein paar mal nicht gesungen, daß er singen und auch die Kirchendienste fleißig verrichten möchte, sonst wollte er ihn wegjagen. Das ist die Belohnung des großen Favoriten".

      15 Treffend bemerkt Burney, Reise III 275: "Die Musiker fast einer jeden Stadt beneiden einer den andern und alle beneiden einmütiglich die Italiener, welche in ihr Land kommen. Ich hingegen ... glaube, daß an beiden Seiten große Vorurteile herrschen. Indessen muß man eingestehen, daß man den Italienern liebkoset, schmeichelt und oft zweimal soviel Gehalt bezahlt, als selbst denen unter den Einheimischen, die größere Verdienste besitzen."

      16 S.o.S. 35 f.

      17 Ironisch schreibt Wolfgang dem Vater aus Mannheim am 4. Nov. 1777: "Ich habe ihm [Ramm] das Konzert heute auf dem Pianoforte beim Cannabich vorgespielt, und obwohl man wußte, daß es von mir ist, so gefiel es doch sehr. Kein Mensch sagte, daß es nicht gut gesetzt sei; weil es die Leute hier nicht verstehen – – sie sollen nur den Erzbischof fragen,


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