Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов

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Burggrafen von Byzanz: "Ich, der Kaiser von Byzanz und Herr von Griechenland, tue zu wissen, daß der, welcher an meiner Statt das Reich beschützt, sobald er diesen Brief zu Gesicht bekommt, den Überbringer desselben auf der Stelle tötet oder töten läßt, so ihm sein Leben lieb ist." Solches stand in dem Briefe zu lesen, den Constans nach Byzanz tragen mußte, doch dieser wußte nicht, daß er seinen Tod trug. Der Jüngling nahm also den verschlossenen Brief, machte sich auf den Weg und gelangte nach vierzehn Tagen in die Hauptstadt. Als er durch das Tor ritt, war es gerade Mittagszeit, und er dachte bei sich, er wolle mit dem Überbringen des Briefes warten, bis der Burggraf gespeist hätte. Und da es gerade um St. Johannis und sehr heiß war, so trat er in einen Garten, ließ sein Roß weiden und legte sich in den Schatten eines Baumes, wo er alsbald einschlummerte.

      Es geschah aber, daß die schöne Kaiserstochter, als sie vom Mahle aufgestanden war, selbviert mit ihren Gefährtinnen in den Garten ging, und sie begannen einander zu haschen, so wie die Mägdlein es bisweilen der Kurzweil halber zu tun pflegen. Dabei gelangte sie zu dem Baume, unter welchem Constans schlief, und seine Wangen leuchteten purpurn wie Rosen. Als die Jungfrau ihn erblickte, betrachtete sie ihn mit Wohlgefallen und glaubte, daß sie nie in ihrem Leben ein so schönes Menschenbild gesehen habe. Dann rief sie ihre Vertraute und hieß die anderen den Garten verlassen. Die schöne Kaiserstochter nahm ihre Gespielin bei der Hand und führte sie dahin, wo der Schläfer lag. "Siehe," sprach sie, "das ist der schönste Jüngling, den ich jemals sah, und er trägt einen Brief. Ich wüßte gar zu gern, was darin geschrieben steht." Die beiden Mägdlein näherten sich dem Burschen und nahmen ihm seinen Brief fort, den die Kaiserstochter sofort aufbrach. Als sie ihn aber gelesen hatte, begann sie zu weinen und sagte: "Das sind traurige Sachen! Aber wenn ich wüßte, daß du schweigen kannst, so würde ich diese traurige Nachricht in eine freudige verwandeln." Die Gespielin mußte schwören, daß sie nichts ausplaudern wollte, und dann nahm die Kaiserstochter ein Pergament, auf dem das kaiserliche Siegel eingeprägt war und schrieb wie folgt: "Ich, König Moslin, Kaiser von Griechenland und Herr der Stadt Byzanz entbiete meinem Burggrafen Gruß. Ich befehle Euch, daß Ihr dem Überbringer dieses Briefes meine schöne Tochter unverzüglich nach unserer Sitte zur Gattin gebt, denn ich habe für wahr erfahren, daß er von hohem Range ist und durchaus würdig, meine Tochter zu ehelichen. Die ganze Stadt und das ganze Land soll feiern und es sich wohlergehen lassen." So schrieb die Kaiserstochter, und als sie fertig war, ging sie wieder in den Garten und schob den Brief in die Kapsel des schlafenden Boten. Darauf begann sie mit ihren Gespielen zu singen und zu lärmen, um ihn zu erwecken. Er erwachte alsbald und erschrak, als er sich von den Mägdlein umringt sah, die Kaiserstochter aber begrüßte ihn freundlich und fragte ihn, wohin er wolle. Sie erbot sich alsdann, ihn zum Burggrafen zu geleiten und führte ihn an der Hand ins Schloß, wo viele Leute versammelt waren, die sich alle von ihren Sitzen erhoben. Sie trat mit dem Jüngling in das Gemach des Burggrafen, öffnete die Kapsel und küßte Brief und Siegel ihres Vaters. Darauf zog sie sich mit dem Burggrafen in ein Nebenzimmer zurück, entfaltete den Brief und las ihn dem Burggrafen vor, dabei tat sie, als ob sie über die Maßen erstaunt wäre. "Herrin," sagte der Graf, "wir müssen den Willen Eures gnädigen Vaters erfüllen, sonst werden wir gar sehr getadelt werden." "Oho," erwiderte die Jungfrau, "wie kann ich in Abwesenheit meines Vaters verheiratet werden? Das wäre doch sonderbar und ich bin ganz und gar nicht damit einverstanden!" "Euer Vater befiehlt so," sagte der Graf, "da gibt es keine Widerrede!" Dann besprach sich der Burggraf mit den Baronen und zeigte ihnen den Brief, sie aber rieten alle, daß der Befehl des Kaisers alsogleich vollzogen werde. So heiratete also der Jüngling die Kaiserstochter und die Hochzeit dauerte vierzehn Tage; es herrschte große Freude in Byzanz, und in der ganzen Stadt tat man nichts als essen, trinken und Kurzweil treiben.

      Der Kaiser blieb lange fern, als er aber sein Geschäft beendet hatte, kehrte er in die Hauptstadt zurück. Als er auf zwei Tagereisen herangekommen war, kamen ihm Boten aus der Stadt entgegen, die fragte er, wie es drinnen stehe. Da sagten sie ihm, daß es nichts gebe als Freude und Kurzweil. "Warum das?" fragte der Kaiser. "Warum, Herr? Wißt Ihr denn das nicht?" "Ich weiß von nichts, so rede doch!" Da berichtete der Bote, was sich in der Abwesenheit des Kaisers zugetragen habe. Dieser erschrak und fragte, wieviel Zeit schon seit der Hochzeit verstrichen sei. "Herr," sagte der Bote, "es ist möglich, daß Eure Tochter schon schwanger ist, denn er hat sie schon vor mehr als drei Wochen geheiratet." "Da es sich nun einmal so verhält," versetzte der Kaiser, "so müssen wir es hinnehmen, zumal da wir nichts mehr daran ändern können." Und als er in die Stadt kam, legte er seine Hände auf das Haupt seiner Kinder und segnete sie, dann ließ er seinen Schwiegersohn zum Ritter schlagen und vermachte ihm nach seinem Hinscheiden sein ganzes Reich.

      Amicus und Amelius

      In einem deutschen Schlosse wurde zur Zeit des Frankenkönigs Pippin, einem edlen und frommen Ritter, ein Sohn geboren. Weil das Kind ihr einziges war, so versprachen die Eltern Gott und dem heiligen Petrus und Paulus, sie wollten es in Rom vom Papste taufen lassen, wenn sie am Leben blieben. Zur selben Zeit hatte der Graf von Antwerpen ein Gesicht während der Schwangerschaft seiner Frau, in welchem er sah, wie der Heilige Vater in Rom viele Kindlein taufte und im Glauben stärkte. Diesen Traum deutete man ihm dahin, daß er einen Sohn bekommen werde, den er vom Papste taufen lassen müsse. Das Kind wurde geboren und mit Sorgfalt auferzogen, als es aber zwei Jahre alt war, da trug es sein Vater nach Rom. In der Stadt Lucca traf er den deutschen Ritter, welcher zum gleichen Zwecke nach Rom zog, und sie taten sich zusammen; die Kindlein aber schlossen innige Freundschaft und aßen und schliefen miteinander. Die Knaben wurden in der Kirche des Heilandes vom Papste getauft und der Grafensohn erhielt den Namen Amelius, während der Ritterssohn Amicus genannt wurde. Nach der heiligen Handlung ließ der Papst zwei mit Gold und Edelsteinen verzierte Holzbecher bringen, welche einander völlig gleich waren, die gab er den Kindern und sprach: "Nehmt diese Gabe zur Erinnerung daran, daß ich euch in der Kirche des Heilandes getauft habe!" Dann kehrten die Eltern wieder voll Freude heim, jeder in sein Land.

      Dem deutschen Ritterssohn gab Gott große Weisheit, und als er das Mannesalter erreicht hatte, da raffte ein Fieber seinen Vater hinweg. Nach dem Tode des Vaters taten ihm seine Neider aus Haß mancherlei Unrecht, doch er trug geduldig, was man ihm antat. Schließlich trieben sie es so weit, daß sie ihn samt seinen Getreuen vom väterlichen Erbe verjagten, und er sprach zu seinen Begleitern: "Aus Haß haben mich meine Neider von meinem Erbe vertrieben, aber ich baue auf die Hilfe Gottes. Gehen wir an den Hof des Grafen Amelius, der mein Freund und Gefährte wurde. Dieser wird uns mit seiner Habe reich machen. Tut er das nicht, so ziehen wir zu Hildegard, der Königin und Gattin des Frankenkönigs Karl, welche gewöhnlich die Enterbten unterstützt." Sie begaben sich also an den Hof des Grafen, doch sie fanden ihn nicht, denn er war nach Deutschland gegangen, um seinen Freund über den Tod des Vaters zu trösten. Als der Graf denselben nicht antraf, ging er voll Unmut fort und beschloß, nicht eher heimzukehren, bis er seinen Gefährten Amicus gefunden habe. Ebenso suchte dieser seinerseits den Grafen ohne Unterlaß. Dabei kam er mit seinen Begleitern in das Haus eines Edelmannes, wo er beherbergt und bewirtet wurde. Der Edelmann aber sagte zu den Getreuen des Ritters: "Bleibt bei mir, ihr Herren, ich will eurem Herrn um seiner großen Weisheit willen meine Tochter geben und euch alle will ich reich an Gold und Gut machen." Dieser Rat gefiel ihnen und sie feierten mit großen Festen die Hochzeit des Amicus.

      Als sie ein Jahr und ein halbes dort verweilt hatten, sprach Amicus zu seinen Getreuen: "Wir haben übel gehandelt, daß wir es solange unterlassen haben, Amelius zu suchen." Und er ließ zwei seiner Gefolgsleute und seinen Becher zurück und machte sich auf gen Paris. Der Graf aber hatte Amicus ohne Unterlaß zwei Jahre lang gesucht und zog gleichfalls nach Paris. Auf dem Wege dorthin traf er einen Pilger, den fragte er nach Amicus, dem Landflüchtigen. Obwohl ihm der Pilger keine Auskunft geben konnte, schenkte er ihm doch seinen Mantel und bat ihn, für den Erfolg seines Suchens zu beten. Am nämlichen Abend traf Amicus den Pilger und fragte ihn nach dem Grafensohn von Antwerpen. "Spottet Ihr meiner," sprach da der Pilger voll Unmut, "Ihr selbst seid doch Amelius und habt mich erst heute nach Eurem Gefährten Amicus gefragt!" So ähnlich sahen die Freunde einander.

      Am anderen Morgen war Amelius wieder von Paris aufgebrochen und saß mit seinen Rittern in einer blühenden Wiese am Seinefluß beim Mahl. Als sie aber Amicus mit seinen bewaffneten Begleitern


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