Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов
das Eure Feinde?" "Ja, Herr!" sagte der König. "Und wollt Ihr, daß ich Euch an ihnen rächen soll?" "Ja," sprach jener, "gerne!" Da legte Aucassin Hand ans Schwert, stürzte sich mitten unter sie, begann nach rechts und links um sich zu hauen und tötete viele. Doch als der König sah, daß er sie totschlug, fiel er ihm in den Zügel und rief: "Ach, lieber Herr, tötet sie mir nicht so ohne weiteres!" "Wie?" sprach Aucassin, "wollt Ihr denn nicht, daß ich Euch räche?" "Herr," sprach der König, "das habt Ihr schon zuviel getan. Es ist unter uns nicht Brauch, daß wir einander totschlagen." Die Feinde wandten sich zur Flucht, und der König kehrte mit Aucassin ins Schloß Torelore zurück.
Die Leute des Landes aber rieten dem König, Aucassin aus seinem Reiche zu jagen und Nicolette für seinen Sohn zurückzubehalten; denn sie scheine eine Frau von hohem Stande. Als Nicolette das hörte, war sie nicht sehr froh darüber und sprach: "Komm ich, Herr von Torelor, / Eurem Volk so närrisch vor, / daß ich solche Wünsche hätte?" / sprach die holde Nicolette. / "Wenn, von meinem Reiz beglückt, / mich mein Liebster an sich drückt, / nenn' ich alle Wonnen mein. / Ball und Tanz und Ringelreihn, / Fiedel, Geig' und Harfenspiel, / und was sonst der Welt gefiel, / gilt mir nichts dagegen."
Aucassin lebte auf der Burg Torelore herrlich und in Freuden; denn er hatte Nicolette, sein süßes Liebchen, bei sich. Doch als er in diesen Wonnen schwamm, kam ein Schiffsheer Sarazenen übers Meer daher, lief die Burg an und nahm sie im Sturm. Sie raubten das Gut und schleppten Männer und Weiber gefangen fort. Auch Nicolette und Aucassin ergriffen sie, banden dem Jungherrn Hände und Füße und warfen ihn in ein Schiff und Nicolette in ein anderes. Da erhob sich ein Sturm über dem Meere, der sie trennte. Aucassin landete beim Schloß Beaucaire und erfuhr, daß seine Eltern, während er in Torelore war, gestorben seien. Die Bürger führten ihn in sein Schloß und huldigten ihm, und er hielt sein Land im Frieden. Das Schiff aber, darin Nicolette war, gehörte dem König von Karthago, und der war ihr Vater. Sie wurde also mit großer Freude im Sarazenenlande aufgenommen und sollte einem Heidenkönig zur Frau gegeben werden; aber sie hatte keine Lust, sich zu vermählen. Sie verlangte eine Fiedel und lernte darauf spielen, und als man sie eines Tages einem mächtigen Sarazenenfürsten vermählen wollte, schlich sie in der Nacht davon, färbte sich Haupt und Antlitz, daß sie ganz dunkel wurde, ließ sich Rock und Mantel, Hemd und Hosen machen und kleidete sich so in die Tracht eines Spielmanns. Dann nahm sie die Fiedel, ging zu einem Schiffsmann und verhandelte mit ihm, daß er sie in sein Schiff nahm. Sie spannten die Segel aus und fuhren durch die hohe See, bis sie nach dem Lande Provence kamen. Dort stieg Nicolette aus und wanderte fiedelnd durch das Land, bis sie zum Schloß von Beaucaire kam, wo Aucassin wohnte. Sie trat vor Aucassin und sang ihm ein Lied, das von Nicolettes Abenteuern seit ihrer Trennung von ihrem Liebsten handelte. Als die Jungfrau sah, daß Aucassin sie noch liebte, salbte sie sich mit einem Pflänzlein, Schellkraut geheißen, und wurde wieder so schön, als sie je gewesen, dann ließ sie Aucassin durch die Vizegräfin, ihre Pflegemutter, benachrichtigen, daß Nicolette, sein süßes Lieb, aus fernen Landen gekommen sei, ihn aufzusuchen. Als nun Aucassin vernommen, / daß sein Lieb ins Land gekommen, / ward er aller Sorgen bar, / fröhlich, wie er niemals war, / und in ungeduld'ger Hast / eilt er in der Frau Palast. / In die Kammer trat er ein, / und das holde Mägdelein / sprang empor mit flinken Füßen, / um ihn jubelnd zu begrüßen. / Aucassin, der sel'ge Mann / zog mit Armen sie heran, / hielt sie zärtlich fest umfangen, / küßt ihr Augen, Mund und Wangen. / Also ließen sie's die Nacht; / aber als der Tag erwacht, / führt der Graf in stolzer Schar / die Geliebte zum Altar, / und das Kind in Glanz und Ehre / ward zur Dame von Beaucaire – /und sie lebten sonder Klage / lange wonnenreiche Tage. / Alles Glück, das sie begehrt, / war den beiden voll beschert. – / Mehr zu melden weiß ich nicht: /somit endet mein Gedicht, / endet Sang und Sage.
Vom Kaiser Constans
Einst lebte in der Stadt Byzanz ein heidnischer Kaiser, welcher in der Sternkunde unterrichtet war und den Lauf der Planeten und des Mondes kannte; er sah die Wunder des Himmels und glaubte an die Offenbarungen des bösen Feindes. Dieser Kaiser, welcher Moslin hieß, ging eines Nachts bei hellem Mondlicht unerkannt mit einem Ritter durch die Straßen der Stadt. Da hörte er, wie in einem Hause, an dem sie vorbeigingen, ein Christenweib in Kindsnöten lag. Der Mann dieses Weibes aber betete zu Gott; bald betete er, daß sie entbinden möge und bald wieder, daß sie nicht entbinden möge. Da verwunderte sich der Kaiser und sprach zu dem Manne: "Sage mir, du Schurke, warum bittest du das eine Mal deinen Gott, daß er deine Frau entbinden lasse und das andere Mal wieder, daß er sie nicht entbinden lasse?" "Herr," entgegnete der Mann, "ich verstehe viel von jener Wissenschaft, die man Astrologie nennt, ich kenne den Lauf der Fixsterne und Planeten und weiß wohl, daß das Kind, wenn es zu unrechter Stunde geboren wird, ein grausamer Tod erwartet." "Sage mir," sprach der Kaiser, "was dir die Sterne künden!" "So wisset, Herr, daß dieser neugeborene Knabe dereinst die Kaiserstochter, welche vor acht Tagen das Licht erblickte, heiraten wird, und er wird Kaiser und Herr dieser Stadt und der ganzen Welt werden." Darauf ging der Kaiser mit dem Ritter weiter, und er befahl seinem Begleiter, das Kind heimlich wegzunehmen, so daß es niemand bemerke. Der Ritter ging in das Haus, wo gerade zwei Frauen mit der Wartung der Wöchnerin beschäftigt waren, während das Kind in Tüchlein gewickelt auf einem Sessel lag. Der Ritter ergriff das Kind, legte es auf eine Schüssel und brachte es dem Kaiser, ohne daß man es merkte. Da ließ der Kaiser mit einem Messer den Leib des Knäbleins vom Magen bis zum Nabel aufschneiden, und er sagte zu seinem Begleiter, nun würde dieser Hundesohn seine Tochter nicht mehr heiraten und nicht mehr Kaiser werden. Darauf wollte der Kaiser dem Kinde das Herz aus dem Leibe reißen, aber der Ritter wehrte es ihm und sprach: "Herr, um Gottes willen, was wollt Ihr tun? Das schickt sich nicht für Euch, und wenn man es erführe, würde man Euch tadeln. Laßt ihn nur, er ist mehr als tot. Wenn Ihr aber wollt, daß noch ein übriges geschehe, so will ich ihn ins Meer werfen und ertränken." "Ja," sprach der Kaiser, "werft ihn hinein, denn ich hasse ihn über die Maßen." Der Ritter wickelte das Kind in eine seidene Decke und trug es zum Meere. Als er aber am Ufer stand, fühlte er Mitleid mit dem Kinde und sagte, es solle nicht ertränkt werden; er ließ es also in seiner Hülle auf einem Misthaufen vor dem Tore eines Mönchsklosters liegen, in welchem die Mönche gerade ihre Morgenmesse sangen.
Als die Mönche ihren Gottesdienst beendet hatten, fanden sie das schreiende Kind und trugen es zu ihrem Abt. Dieser sah, daß es ein schöner Knabe war und beschloß, es aufzuziehen. Er ließ es auskleiden und gewahrte, daß sein Leib vom Magen bis zum Nabel gespalten war. Daher ließ er, als es Tag geworden war, die Ärzte rufen und fragte sie, um wieviel Gold sie das Kind heilen wollten. Sie forderten hundert Byzantinermünzen. Darauf ließ der Abt das Kind taufen und nannte es Constans, weil es soviel gekostet hatte. Die Ärzte aber bemühten sich so lange um das Kind, bis es geheilt war, denn sein zartes Fleisch wuchs bald wieder zusammen, wenn auch die Narbe blieb. Der Abt ließ den Knaben von einer Amme ernähren und dieser wuchs heran und gelangte zu großer Schönheit. Mit sieben Jahren schickte ihn der Abt in die Schule und bald übertraf er seine Gefährten an Fleiß und Wissen. Da der Abt bemerkte, wie stattlich der Knabe heranreifte, ließ er ihn auf allen seinen Reisen mit sich reiten. Einst geschah es, daß der Abt von Amts wegen eine Unterredung mit dem Kaiser hatte, welcher gerade auf einem Schlosse außerhalb der Stadt verweilte. Der Abt begab sich mit seinen Kaplänen, seinen Schildknappen und seinem Gefolge dorthin, und auch Constans befand sich darunter. Während der Abt mit dem Kaiser redete, mußte ihm der Jüngling seinen Filzhut halten. Der Kaiser betrachtete den Knaben und bemerkte, daß er so schön war, wie er nie zuvor einen gesehen hatte. Er fragte den Abt nach der Herkunft des Kindes, und dieser erzählte, wie es die Mönche vor fünfzehn Jahren mit zerschnittenem Leib auf dem Miste liegend gefunden hätten. Als der Kaiser dieses hörte, da wußte er, daß er der Knabe sei, dem er einst den Bauch gespalten hatte, um sein Herz herauszureißen, und er bat den Abt, er möge ihm den Burschen überlassen. Der Abt antwortete, er müsse zuerst den Konvent befragen, dann solle er ihn gern haben. Die Mönche rieten, man möge den Knaben nur schnell dem Kaiser schicken, damit er sich nicht erzürne. Nach kurzer Zeit wurde der Jüngling also dem Kaiser überliefert und dieser empfing ihn voll Zorn, daß solch ein hergelaufener Landstreicher seine Tochter heiraten solle; er überlegte aber in seinem Herzen, wie er ihn mit List aus der Welt schaffen könne, ohne daß es ruchbar würde.
Der Kaiser hatte um diese Zeit