Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов
ins Ohr und bat sie mit aufgehobenen Händen, sie möge mit ihm in seine schöne Heimat ziehen, um an seiner Seite als Königin zu herrschen. "Herr," sagte sie, "ich ergebe mich in Euern Willen. Aber ich fürchte, mein Vater wird nicht in diese Heirat einwilligen, denn er hat mich schon für einen andern bestimmt." Es bedurfte geringer Überredungskunst, um sie zur Flucht mit ihm zu bewegen. Darauf verließ Cleomades das Gemach, um sie im Garten zu erwarten. Die Prinzessin weckte indessen ihre Gespielinnen und erzählte ihnen, daß der berühmte Ritter Cleomades gekommen sei, um sie mit sich in sein Land zu führen. Die Jungfrauen, die gleichfalls schon viel von der Tapferkeit des spanischen Königssohnes gehört hatten, lobten ihre Wahl und redeten ihr zu, mit ihm zu fliehen. Darauf traten sie alle vier in das Gärtlein und die Wärterinnen trugen dem Paar einen Imbiß auf und baten den Königssohn, sie sobald als möglich in sein Land zu rufen. Die Prinzessin aber war bekümmert, daß sie ihre Eltern verlassen sollte, und Cleomades mußte ihr versprechen, daß er ihr noch einmal Gelegenheit geben wolle, sie zu sehen. Die Wärterinnen mahnten nun die Liebenden, nicht länger mehr zu verharren, denn König Carmans hatte die Gewohnheit, bei Tagesanbruch sich zu erheben und sich mit seinem Gefolge im Schloßpark zu ergehen. Schon dämmerte der Tag herauf und die eine der Dienerinnen stieg auf den Turm, von dem aus man den Park übersehen konnte. Da sah sie, wie der König und die Königin sich mit einer Schar von Damen und Rittern unter einer Pinie niedergelassen hatten. Hurtig stieg sie wieder herab und bat den Königssohn, unverzüglich seinen Plan auszuführen. Der Jüngling hob Clarmondine auf sein Roß und band sie fest, um sie vor dem Fallen zu bewahren, die Mägde befestigten Körbe mit Speisen und Wein an den Seiten des Flugzeugs und dann setzte er sich selbst vor die Prinzessin auf das Zauberpferd; er drehte den Zapfen, der den Flug nach aufwärts regelte, und schwebte mit seinem Lieb dem jungen Tag entgegen. Zunächst steuerte er ganz langsam und hielt sich nahe am großen Turm, von wo man den Park, den die ersten Strahlen der Sonne beschienen, überblicken konnte. König Carmans lustwandelte dort mit seinen Begleitern. Da hub Cleomades von seiner luftigen Höhe aus zu reden an: "Herr, sucht Eure schöne Tochter nicht, denn Euer Suchen ist umsonst. Ich habe mich Eurer Tochter ergeben und sie hat mir ihre Huld gewährt. Nun fliegen wir nach Spanien in mein Heimatland, unser Hochzeitsfest zu halten. Und damit Ihr wißt, wer Eure Tochter entführt: ich bin von edler Art und weit in ferne Lande drang meines Namens Ruhm, Cleomades heiße ich, mein Vater trägt die Krone Spaniens." Die Königin blickte in die Höhe und rief: "Ach, mein Kind, wohin gehst du?" Dann fiel sie bewußtlos vor Gram zu Boden. Während die Herren und Damen des Hofes sich um die ohnmächtige Königin bemühten, flog das Liebespaar in blitzschneller Fahrt westwärts, der König Carmans aber faßte sich an die Stirn und glaubte, ein schwerer Traum habe ihn gequält.
Cleomades reiste mit der Prinzessin so lange durch die Luft, bis an einem Dienstag Morgen die Sonne vor ihren Augen die Türme Sevillas vergoldete. Da sprach der Königssohn: "Nun freut Euch, süßes Lieb, wir sind am Ziel!" "Herr," sprach die Jungfrau, "ich bitte Euch, Ihr wollet mich hier an einem geschützten Orte absteigen lassen. Ich bedarf zunächst der Ruhe, ehe ich vor Eure Eltern trete, denn ich zittere vor Angst und Kälte." Der Jüngling trug sie in einen Garten von Pinien und Lorbeerbäumen, der sich außerhalb der Mauern ausdehnte, und setzte sie unter einem Olivenbaume ab. Die Jungfrau streckte sich ermattet auf den grünen Rasen, und nachdem sie ein wenig geruht hatte, begehrte sie zu essen. "Wenn es Euch nicht mißfällt, Liebste," sprach Cleomades, "so möchte ich jetzt meine Eltern und meine Schwester aufsuchen und sie bitten, Euch hier abzuholen." "Holt sie, Herr, und laßt mich indes hier ruhen. Die Glieder schmerzen mich und ich kann mich so nicht vor dem Volke zeigen." "So erholt Euch, bis ich wiederkomme und lauscht dem Sang der Vögel, die in den Zweigen zwitschern!" Cleomades eilte in sein väterliches Schloß und ließ die Jungfrau mit dem Pferd im Garten, die sich mit Singen die Zeit vertrieb. Crompart, der Falsche, hatte sich an diesem Morgen früh erhoben und erging sich in dem nämlichen Garten, um Heilkräuter zu sammeln. Er hörte das Lied der Jungfrau und wandte sich der Gegend zu, aus der die Töne kamen. Clarmondine erschrak, als sie das Scheusal erblickte; sie verstummte augenblicklich und rief mit lauter Stimme nach ihrem Geliebten. Crompart freute sich in seinem treulosen Herzen, denn er glaubte, eine Gelegenheit zur Rache gefunden zu haben. Überdies gefiel ihm die Jungfrau, und er dachte, wenn er Marina nicht bekommen könne, so wolle er wenigstens diese zu seiner Liebsten machen. Als er sie nach Cleomades rufen hörte, erriet er den Zusammenhang. "Erschreckt nicht," sagte er, "ich will Euch kein Leid tun!" "Herr, mir graut vor Euch! Bitte, geht, denn gleich wird Cleomades zurückkehren, dem ich angehöre." "Eben dieser ist es, der mich sendet," entgegnete der Zwerg listig, "er befiehlt Euch, daß Ihr zu ihm kommt; ich werde Euch auf dem Roß zu ihm tragen, denn er lehrte mich, es zu behandeln, und daran mögt ihr erkennen, daß ich sein Vertrauter bin." Die Jungfrau glaubte den Worten des Schurken und erhob sich. Der Bucklige setzte sie auf das Zauberpferd und band sie fest, dann hing er Fleisch und Wein an die Seite des Tieres und stieg selber auf. Hurtig drehte er den Zapfen, und in rasender Fahrt erhob sich das Flugzeug in die Wolken.
Hier müssen wir unser Liebespaar seinem Schicksal überlassen und geben es dem Leser anheim, sich selber auszumalen, welche Gefahren und Abenteuer die Liebenden noch zu bestehen hatten, bis sie endlich wieder miteinander vereinigt wurden.
Der Tänzer Unserer lieben Frau
Es war einmal ein Gaukler, der tanzend und springend von Ort zu Ort zog, bis er der ewigen Wanderfahrt und aller Weltlust müde ward. Da gab er all seine Habe hin und trat in das Kloster zu Clairvaux ein. Der neue Laienbruder war zwar schön und stattlich von Gestalt, doch die Bräuche und Sitten des Klosters kannte er nicht. Er hatte ja seine ganze Zeit mit Springen, Tanzen und Räderschlagen verbracht und nie hatte ein Mensch den Gedanken gehabt, ihm das Vaterunser, das Ave oder gar das Kredo zu lehren. Voll Demut staunte er alles im Kloster an, er sah, wie die Brüder nie ihr frommes Schweigen brachen, und so ging auch er wie ein Stummer umher, bis er von den Brüdern verlacht und mit Zwang zum Reden gebracht wurde. Er sah, wie jeder auf seine Weise dem Herrn diente, wie die Priester am Altar ihr heiliges Amt vollzogen, wie die Diakonen die Evangelien lasen, wie die Klosterschüler im Chor den Psalter sangen, und wie selbst der kleinste von ihnen ohne Zaudern das Vaterunser aufsagen konnte. Da stand er beschämt: ach er allein, er konnte nichts! Oft stand er lauschend vor den Zellen und hörte Klagen und Weherufe von drinnen hervortönen, und wie er den Grund des Weinens reiflich überlegte, fand er, daß die da drinnen Gott für ihre Schuld um Gnade anflehten. "Ach," sprach er, "was tue ich hier? Ich kann nichts als müßig stehen und gaffen! Ich bin das Brot nicht wert, das man mir gibt. Ach, wenn man es merkt, so werden sie mich mit Schande verjagen, weil ich zu gar nichts nütze bin!" In seinem Gram flüchtete er aus des Tages Licht in eine unterirdische Kapelle, wo zwischen Kerzen das Bild der Gottesmutter stand. Dort verkroch er sich sorgenvoll in einen Winkel. Plötzlich klang tief und voll die Münsterglocke, welche die Brüder zur Messe lud. Er hob das Haupt und sprang auf: "Soll ich hier liegen, während alle andern wetteifern, Unsere Frau zu loben? Was säum' ich noch? Bin ich nicht auch in mancherlei Künsten erfahren? Nach Kräften dient ihr ein jeder, so will auch ich tun, was ich kann!" Rasch warf er die lange Kutte beiseite und gürtete sich sein dünnes Jäckchen um die Lenden. Dann trat er demutsvoll vor das Bild der Gottesmutter und sprach: "Dir, Königin ob allen Königinnen befehle ich Seele und Leib! Zu dir komme ich voll Vertrauen, oh nimm mit meinem Eifer vorlieb! Die schönsten Spiele, die ich kann, wähle ich dir zur Lust, so wie ein Böcklein auf der Heide vor seiner Mutter hüpft und springt. Du verschmähst nie, was dir ein Herz aus Liebe bietet, sieh, was ich habe, bring ich dir!" Und während droben die Hymnen erschollen, beginnt er mit vollen Kräften zu tanzen, bald vor- und bald rückwärts, auf und nieder, er geht auf den Händen durch die Kapelle und überschlägt sich in der Luft, alle Arten von Tänzen springt er mit kunstgerechtem Schwung, und nach jedem Tanz verneigt er sich vor dem Bilde: "Das tu' ich nur für dich, daß sich dein Auge daran erfreue, erfreust du doch die ganze Welt!" Und wiederum hebt er an, die Hand auf die Stirn gelegt, mit kleinen Schritten zierlich in der Runde zu gehen, dabei weint er und betet: "O Frau, dir singe ich Ehre und Preis mit Herz und Leib, mit Hand und Fuß. Da droben singen sie Lobeshymnen: laß mich dein treuer Tänzer sein und gib mir in deinem himmlischen Palast eine kleine Wohnung, denn dein bin ich ganz und gar." Solange der Sang von oben klingt, tanzt er ruhelos, bis ihm der Atem vergeht und die Glieder den Dienst versagen: da sinkt er in Ohnmacht taumelnd zu den Füßen