Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов
Nach dreimonatlicher Abwesenheit kehrte der Bote nach Dondieu zurück und überreichte dem Seneschall das Schreiben. Die drei Beschützer erkannten das Siegel des Königs und erbrachen den Brief, als sie ihn aber gelesen hatten, da verwunderten sie sich sehr und weinten und seufzten. Dann berieten sich die drei Getreuen untereinander und sprachen: "Den Willen unseres Herrn müssen wir erfüllen, wenn wir auch Kummer und Mitleid im Herzen tragen." Die Nachricht, daß der König befohlen habe, sein Weib und sein Kind zu verbrennen, verbreitete sich bald im Lande und alles Volk verwunderte sich und fluchte dem König. Der Königin aber verheimlichte man den Befehl, bis sie ihr Wochenbett, das einen vollen Monat dauerte, verlassen hatte. Eines Tages rief sie den Seneschall zu sich und sprach: "Seneschall, mein Herz ist gramerfüllt über das lange Ausbleiben meines geliebten Herrn. Ist der Bote noch nicht zurück? Wisset, daß mein Herz schlimme Nachricht ahnt. Ich werde nie mehr froh sein, bis ich meinen Herrn wiedersehe. Oh, sagt es mir, wenn Ihr etwas von ihm wißt!" Der Seneschall antwortete mit Tränen in den Augen: "Oh, liebe Frau, es ist so weit gekommen, daß der König Euch haßt, wenn ich auch nicht weiß, warum. Lange haben wir es Euch verheimlicht, aber einmal müßt Ihr es erfahren. Unser Herr hat uns wissen lassen, daß wir, wenn uns unser Leben lieb ist, Euch und Euren Knaben auf dem Scheiterhaufen verbrennen müssen. Da er zu den Fasten zurückkehrt und Euch dann nicht mehr lebend vorfinden will, so muß innerhalb dreier Tage sein Befehl vollzogen sein." Da erschrak die junge Königin und ihr Herz krampfte sich zusammen. "Was habe ich getan, großer Gott," klagte sie, "daß ich so harten Tod erleiden soll? Womit hat es mein Kind verdient, daß es sterben muß?" Dann fiel sie vor dem Seneschall auf die Knie und bat ihn, ihr Kind zu schonen, wenn er auch mit ihr täte, was er wolle. Der Seneschall versprach ihr, sich mit seinen beiden Gefährten zu beraten. Da besprachen sie sich miteinander, und der Seneschall riet, sie wollten die Manekine so ziehen lassen, wie sie gekommen sei, auf einem mast- und segellosen Schiff, und sie der Hut Gottes anheimstellen. Ferner wollten sie Bilder aus Holz schnitzen lassen, die der Königin und ihrem Söhnlein glichen und diese vor allem Volke verbrennen, damit sie sich vor Strafe bewahrten. Als diese Vorbereitungen beendet waren, hießen sie die Königin mit ihrem Kind auf einen Zelter steigen und führten sie in die Verbannung. Am dritten Tage kamen sie an das Ufer des Meeres, wo das Schiff bereit stand. "Lieber Herr," sagte die Königin, "ich danke Euch, daß Ihr mich vor dem Feuer bewahrt habt. Ich bitte Euch, grüßt meinen Herrn, den König, und sagt ihm, daß ich ihn immer noch über alles auf der Welt liebe. Gott vergebe ihm seine Schuld und schenke ihm Ehre und Glück. Sehet, die Liebe der Menschen ist eitel, so verleihe mir Gott seine Huld, die unwandelbar ist und ohne Haß." Der Seneschall führte sie weinend in das Schiff, dann befahl er sie Gott und der heiligen Jungfrau und stieß den Nachen ins Meer.
Am neunten Tage landete die Barke am Ufer des Tiber. Ein Senator nahm die Manekine mit ihrem Kinde auf. Als der König heimkehrte, erfuhr er den Betrug und ließ seine Mutter lebendig einmauern, dann machte er sich auf die Suche nach seiner Frau. Nach siebenjähriger Wanderung gelangte er nach Rom und der Trauring führte das Wiedererkennen zwischen den beiden Gatten herbei. In Rom fand sich auch Joiens Vater ein, welcher, von Gewissensbissen gequält, beim Papst Vergebung für seine Sünden suchen wollte. Schließlich fand die Königin durch ein Wunder in einer Quelle ihre abgehauene Hand, welche auf das Gebet des heiligen Vaters sich wieder mit ihrem Arm vereinigte.
Der Fischfang des Wolfes
Ihr Herren! Es war um jene Zeit, da der Sommer zu Ende geht, um dem rauhen Winter Platz zu machen. Reinhart der Fuchs war in seinem Bau; er hatte nichts zum Beißen und zum Brechen und wußte nicht, woher er etwas nehmen sollte. Der Not gehorchend machte er sich also auf den Weg und strich durch ein Binsengestrüpp zwischen dem Wald und dem Fluß, bis er die Landstraße erreichte. Dort angekommen duckte er sich hinter eine Hecke und wartete auf Abenteuer. Siehe, da kamen Kaufleute, welche Fische vom Meere her brachten. Sie hatten eine Ladung frischer Heringe, denn letzte Woche war der Wind zum Fischfang günstig gewesen, und auch andere Arten guter Fische: von Neunaugen und Aalen waren ihre Körbe voll. Reinhart war noch einen Bogenschuß weit von ihnen entfernt. Als er den mit Fischen beladenen Wagen erblickte, lief er ein wenig voraus, doch so, daß die Kaufleute ihn nicht bemerkten, denn er wollte sie täuschen. Dann legte er sich mitten auf den Weg und stellte sich tot: er kniff die Augen zu, biß die Zähne zusammen und hielt den Atem an. Der eine Kaufmann sah ihn und rief seinem Gefährten zu: "Sieh, ist das ein Fuchs oder ein Köter?" "Es ist ein Fuchs," entgegnete jener, "pack ihn geschwind, den Hurensohn, damit er uns nicht entwischt, denn er ist schlau. Er soll uns seinen Pelz lassen!" Die Kaufleute liefen – der eine hinter dem andern her – auf Reinhart zu. Sie fanden ihn am Boden hingestreckt und drehten und wendeten ihn nach allen Seiten ohne Furcht, daß er sie beißen möchte. Sie schätzten den Rücken und den Hals, der eine sagte, er sei drei Groschen wert, doch der andere erwiderte: "Bei Gott, er ist mindestens viere wert und das ist noch billig! Wir haben nicht viel geladen; werfen wir ihn auf unseren Karren! Seht nur, was für eine saubere, weiße Kehle er hat!" Mit diesen Worten warfen sie ihn auf das Wägelchen und fuhren weiter.
Reinhart aber machte sich über die Körbe her. Mit den Zähnen öffnete er den einen und entnahm ihm mehr als dreißig Heringe: da war der Korb leer. Er fraß sie mit Genuß ohne Salz und Salbei, dann öffnete er den anderen Korb. Er steckte seine Schnauze hinein und zog drei Netze voll Aale hervor. Der Schlaumeier packte die Stricke mit den Zähnen, warf sich die Netze auf den Rücken und überlegte sich nun, wie er wieder vom Wagen herunterkommen sollte. Erst kniete er und spähte, dann schnellte er sich los und sprang mit einem Satz vom Wagen herab auf die Straße, während er um den Hals geschlungen seine Beute trug. Nachdem er seinen Sprung getan hatte, rief er den Kaufleuten zu: "Gott behüte euch! Dieser Haufen Aale ist mein, den Rest könnt ihr behalten." Als die Kaufleute solches hörten, erschraken sie und riefen: "Seht den Fuchs!" Sie sprangen vom Wagen herab und hofften Reinhart noch zu erwischen, aber umsonst. "Wehe!" sagten sie und rangen die Hände, "das ist ein schöner Schaden! Wir Toren haben Reinhart geglaubt! Nun hat er uns die Körbe aufgebunden, hat sich satt gefressen und nimmt uns noch drei Netze voll Aale mit. Möge er daran platzen!" "Ihr Herren! Wozu der Lärm? Ihr könnt reden, was ihr wollt. Ich bin Reinhart und werde schweigen."
Als die Kaufleute die Verfolgung aufgegeben hatten, ging Reinhart geradeswegs in seine Burg, wo ihn seine Angehörigen, die der Hunger quälte, mit Ungeduld erwarteten. Hermeline, seine treffliche Gattin, sprang ihm entgegen, und die Brüder Percehaie und Malebranche eilten auf ihren Vater zu, welcher in kurzem Trab, dick, vollgefressen und heiter daherkam, die Aale um seinen Hals geschlungen. Reinhart trat in seinen Bau und sperrte vorsorglich die Türe ab von wegen der Aale. Seine Kinder putzten ihm indes die Stiefel ab und häuteten die Fische, dann schnitten sie dieselben in Stücke und steckten diese auf kleine Bratspieße aus Haselgerten. Hierauf wurden die Kohlen angeblasen und die Fische auf die Glut gelegt.
Während die Aale brieten, siehe, da kam Herr Ysengrin, der Wolf, des Weges, welcher schon seit dem frühen Morgen umhergelaufen war, ohne nur das geringste gefangen zu haben. Hungrig schlich er sich durch das Holz auf Reinharts Bau los; denn er sah aus der Küche, in welcher die Aale am Spieße gedreht wurden, Rauch aufsteigen. Ysengrin witterte den Duft, der ihm fremd war: er kräuselte die Nase und leckte sich den Bart; darauf trat er zu einem Fenster, um zu erspähen, was es da gäbe. Die Frage war nur, wie er dahinein gelangen könne, denn gegen Bitten pflegte Reinhart unempfänglich zu sein. Der Wolf lief unstät umher, hier und da einen sehnsüchtigen Blick nach der Burg werfend, welche ihm unzugänglich blieb. Schließlich beschloß er, seinen Gevatter zu bitten, er möge ihm um Gottes willen ein wenig von seinem Fleische abgeben. Er rief also durch ein Loch: "Herr Gevatter, öffnet mir die Tür! Ich bringe Euch gute Nachricht!" Reinhart hörte und erkannte ihn wohl, dennoch hatte er taube Ohren für ihn. Ysengrin stand betrübt draußen und sprach: "Öffnet, lieber Herr!" "Wer seid Ihr?" fragte Reinhart lächelnd. "Ich bin es!" versetzte jener. "Wer ich?" "Euer Gevatter!" "Ach so, wir glaubten, Ihr wäret ein Landstreicher." "Nein," sprach Ysengrin, "öffnet!" "Ihr werdet Euch einen Augenblick gedulden müssen," sagte Reinhart, "bis die Mönche gespeist haben, die sich gerade zum Essen niedersetzen!" "Wie? sind das Mönche?" "Vielmehr," entgegnete jener, "eher Canonici. Sie sind vom Orden St. Benedikts und ich habe mich ihnen angeschlossen." "Um Gottes willen," sprach der Wolf, "redet Ihr die Wahrheit?" "Bei