Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов

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denn der Hunger und die Not quälten sie gar sehr. Als die Barone versammelt waren, wurde das Urteil dahingehend gefällt, daß die Königin am folgenden Tage verbrannt werden sollte, wenn sie keinen Kämpfer fände, der sie verteidigen würde.

      Da ereignete es sich, daß unser Herr Jesus Christus, der nicht wollte, daß die Frau umkäme, einen seiner Engel zum Einsiedler in den Wald sandte, welcher zu ihm folgendermaßen sprach: "Eremit, Gott befiehlt dir, daß du morgen frühe deinen Knaben in die Stadt Illefort sendest, damit er seine Mutter, welche die Gattin des Königs Oriant ist, vor dem Feuertode rettet. Er und die sechs anderen Kinder sind Söhne des Königs Oriant und der Königin Beatrix. Matabrune hat sie verleumdet, sie habe sieben Hunde geboren, und darum soll sie morgen verbrannt werden, wenn ihr keine Hilfe kommt. Aber Ihr sollt nicht zweifeln, daß ihr Gott helfen wird." Fernerhin befahl er, daß der Knabe getauft werde und den Namen Helias erhalte. Darauf verschwand der Engel. Als der Tag angebrochen war, weckte der Einsiedler den Knaben und sprach zu ihm: "Lieber Sohn, erhebe dich; du mußt nach Illefort gehen, deine Mutter vor dem Feuertode retten und von dem Verbrechen, dessen sie Matabrune beschuldigt hat, reinigen. Ferner mußt du dich taufen lassen und ein Christ werden, und du sollst den Namen Helias tragen." Der Eremit machte ihm einen Mantel aus Laub und bekleidete ihn damit; dann nahm er eine Stange in die Hand, und der Einsiedler begleitete ihn bis zum Waldesrande. Hier sprach er zu ihm: "Lieber Sohn, sei tapfer und verständig! Wisse, daß du der Sohn des Königs Oriant bist und sei versichert, daß Gott dir helfen wird." Darauf wies ihm der Einsiedler den Weg und zeigte ihm Illefort, wohin er gehen müsse. Dann trennte sich der Einsiedler von ihm, und der Knabe ging, um seine Mutter von der Schuld, deren sie Matabrune bezichtigt hatte, zu reinigen. Matabrune hatte durch Zauber erfahren, daß die Königin durch eines ihrer Kinder gerettet werden sollte, und sie schickte ihm unverzüglich zwei Diener entgegen, die ihn töten sollten. Der Knabe begegnete ihnen und fragte sie, welcher von ihnen seine Mutter wäre, denn er hatte nie ein Weib gesehen. Die Diener hielten ihn für toll; sie wußten jedoch, daß er es wäre, um dessentwillen sie ausgesandt waren. Einer zielte nach ihm, und der andere packte ihn. Da sprach das Kind: "Welches ist Matabrune? Mein Vater sagte mir, ich solle mich an sie wenden, und so will ich es tun." Dann nahm er seinen Stock und zerschlug dem einen die Schulter, darauf schlug er ihn so heftig, daß er ihm den Kopf zerschmetterte. Da wandte sich der andere zur Flucht, und der Knabe kam ungehindert nach Illefort.

      Als der Knabe in Illefort angekommen war, wunderte er sich höchlich über die Leute, die dort waren, und er sprach, er hätte nie geglaubt, daß es so viele Einsiedler auf der Welt gäbe, denn nie hatte er so viel Volks gesehen. Darauf gewahrte er den König, der sein Schwert umgegürtet hatte und auf einem Rosse ritt. Der Knabe hatte große Furcht. Als der König ihn erblickte, verwunderte er sich sehr, denn er glich einem Narren. Der Knabe trat auf den König zu und befragte ihn über alles, was er sah, und der König stand ihm gutmütig Rede und Antwort. Der Knabe fragte ihn nach dem Pferd, dem Zügel und dem Schwert sowie nach anderen Dingen; dann vernahm er einen Schrei und fragte, was das bedeute. Der König sagte ihm: "Freund, ich habe eine Frau, welche ohne Treu und Zucht war, sie hat mir sieben Hunde geboren und meine Barone haben sie verurteilt. Nun führt man sie zum Scheiterhaufen." – "Ha, guter König," versetzte der Knabe, "Ihr habt sie zu Unrecht verurteilt, denn das, was Ihr sagt, ist niemals wahr, und niemals tat sie solches. Vielmehr hat sie irgend jemand, Eure Mutter oder sonst wer, der sie nicht liebt, so treulos verleumdet. Wenn nun jemand käme, der für sie kämpfen wollte und denjenigen besiegen würde, der sie eines solchen Vergehens zeiht, wäre es dann nicht billig, daß die Frau ihrer Fesseln los und ledig würde?" – "Sicherlich, ja," sprach der König, "und ich wäre sehr froh darüber." – "Herr," erwiderte der Knabe, "ich bin gekommen, um für die Frau zu kämpfen, und ich will sie verteidigen!" Als der König seinen Sohn also reden hörte, wurde er sehr froh, aber er erkannte ihn nicht. Da ging der König zu seiner Mutter und sprach: "Mutter, es wäre grausam, diese Frau zu verbrennen. Bei Gott! Laßt sie in Ruhe, denn Ihr sündigt, wenn Ihr sie dieses Vergehens anklagt. Wenn Ihr aber darauf besteht, daß es so ist, so müßt Ihr einen Kämpfer suchen, der bestätigt, was Ihr gegen sie vorgebracht habt. Denn die Frau hat einen Kämpfer gefunden, der sie gut verteidigen wird." Als Matabrune dieses hörte, wurde sie zornig, denn sie sah ein, daß sie einen Kämpfer haben müsse. Sie ging zu Malquerre und sprach zu ihm: "Malquerre, lieber Freund, du mußt diesen Kampf gegen den Knaben bestehen. Und wenn der Knabe tot und die Frau verbrannt ist, so werden wir suchen, meinen Sohn umzubringen, dann bin ich Herrin und Königin in Illefort, und dann werden wir beide miteinander unsere Lust haben." – "Herrin," erwiderte er, "Ihr müßt schwören. Denn wenn ich schwören wollte, so würde ich einen Meineid leisten." – "Malquerre," sagte Matabrune, "darum sorge dich nicht! Ich verbiete es dir, daß du die Wahrheit sagst." – "Herrin," entgegnete Malquerre, "ich werde Euern Befehl erfüllen." Darauf begab sich Matabrune zum König und sprach: "Nun, König, laß deinen Knaben wappnen!" – "Gern, Mutter!" – "Herr," sprach der Knabe, "ich will zuerst getauft werden, denn mein Vater, der Einsiedler, sagte mir, ehe ich von ihm schied, daß ich getauft werden und den Namen Helias erhalten solle." Da ließ man den Knaben taufen, und er erhielt den Namen Helias. Es waren aber mehrere Barone am Hof, die sprachen: "Um Gottes willen, König, behaltet den Knaben bei Euch, denn er ist wunderschön, und Ihr müßt wissen, daß er Euch ähnlich sieht." Darauf ließ der König den Knaben bewaffnen und mit reicher Rüstung bekleiden. Auch Malquerre wurde prächtig ausgerüstet. Dann trug man die Heiltümer herbei, und zuerst schwur Malquerre, daß er die Königin habe bei einem Hunde liegen und sieben Hündlein zur Welt bringen sehen. Darauf wollte er das Heiltum küssen, aber er vermochte es nicht, sondern er schwankte, und sogleich sagten die Barone, daß er meineidig wäre. Nun schwur der Knabe Helias und sagte, daß alles erlogen sei, daß die Königin nie an solche Schandtat gedacht und daß sie jederzeit brav und züchtig mit dem König, ihrem Herrn, gelebt habe. Alle insgemein beteten für Helias, daß Gott ihm helfen möge, Malquerre, den Verräter, zu vernichten.

      Siehe, da trat der Knabe zu seiner Mutter und sprach: "Herrin, vertraut auf Gott und seine Mutter, denn wisset wohl, daß ich mit Gottes Hilfe Euch von dem Vergehen reinigen werde, dessen Euch die alte Matabrune geziehen hat." Die Dame dankte ihm innig. Darauf bestieg Helias sein Roß, und der Kampf begann. Schließlich wurde Malquerre besiegt. Als die alte Hexe Matabrune sah, daß Malquerre besiegt war, floh sie auf ihr Schloß Malbruiant, denn sie wußte wohl, daß ihr Sohn, der König, sie sehr haßte. Als der Kampf beendet war, sagte der Knabe zum König: "Herr, ich habe mit Gottes Hilfe im Kampf gesiegt. Die Frau muß befreit werden." Da Malquerre sah, daß er besiegt war, rief er dem Knaben zu: "Knabe, töte mich nicht, sondern wisse, daß Matabrune all diese Frevel veranlaßt hat. Sie hieß mich die Ketten vom Halse der Kinder reißen, die deine Brüder waren." Der Knabe antwortete: "Du hast schlecht gedient und du sollst deinen Lohn empfangen." Da zog er sein Schwert und hieb ihm den Kopf ab.

      Nach dem Kampfe trat der König zur Königin und sprach: "Herrin, vergebt mir um Gottes willen, daß ich meine Pflicht gegen Euch vernachlässigt habe; aber meine Mutter hat all dies veranlaßt." "Herr," versetzte die Königin, "ich vergebe Euch aus ganzem Herzen!" Darauf wollte die Frau den Knaben küssen, aber dieser entzog sich ihr und sprach: "Herrin, das habe ich im Walde nicht gelernt, denn nie sah ich eine Frau oder Jungfrau, sondern nur wilde Tiere!" Als die Barone dies hörten, lachten sie laut. "Herr," sprach der Knabe alsdann, "laßt Marke kommen, denn ihm sind von Matabrune um meinet- und meiner Brüder willen die Augen ausgerissen worden." "Herr," sagte Marke, "da bin ich." Da wandte sich Helias zu ihm, hauchte ihm auf die Augen, und durch Gottes Kraft wurde er sogleich wieder sehend. Der König aber und die Barone verwunderten sich sehr. Darauf fragte der König den Knaben, wer er wäre und woher er käme. Der Knabe gab sich ihm als sein Sohn zu erkennen und erzählte ihm alles, was vorgefallen war. "Herr," sagte Helias alsdann, "kommt mit mir und Ihr sollt große Wunder unseres Herren schauen." Sie gingen zum Teich und Helias lockte die Schwäne herbei. Diese flogen herzu und liebkosten ihn mit den Flügeln. Darauf gab er jedem seine Kette und sie nahmen ihre menschliche Gestalt wieder an. Nur einer war darunter, dem sie fehlte, der schlug mit den Flügeln, riß sich mit dem Schnabel die Federn aus und gebärdete sich ganz verzweifelt. Als der König und die Königin dieses sahen, beweinten sie ihr Kind, das sie auf diese Weise verloren hatten.

      Am anderen Tage wurden die Kinder getauft und König Oriant und Königin Beatrix freuten sich ihres Nachwuchses. Der König entbot seine


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