Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов

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füllte das Becken und goß das Wasser auf den Stein. Auf der Stelle zuckten mehr als ein Dutzend Blitze hernieder und die Wolken gossen Schnee, Regen und Hagel aus. Iwein glaubte von den rings um ihn einschlagenden Blitzen und von den splitternden Bäumen vergehen zu müssen. Aber alsbald sandte Gott wieder schönes Wetter, die Vögel kehrten auf die Tanne zurück und trieben ihr lustiges Spiel über der Wunderquelle. Kaum hatte sich der Sturm gelegt, so erschien, vor Zorn flammend wie Kohlenglut, ein Ritter mit solchem Lärm, als jage er einen Brunsthirsch: es war der Hüter der Quelle. Beider Blick verkündete, daß sie einander auf den Tod haßten. Mit mächtigen Lanzenstößen zersprengten sie einander Schild und Harnisch, die Lanzen zersplitterten und die Trümmer flogen in die Höhe. Dann gingen sie einander mit den Schwertern an und es entbrannte ein furchtbarer Kampf, doch keiner wich um eines Fußes Breite von der Stelle. Schließlich zerhieb Herr Iwein den Helm des Gegners, so daß das Blut von dessen Haupte strömte und die Maschen seines weißen Harnischs rötete. Auf den Tod verwundet floh der Fremde; im Galopp sprengte er nach seiner Burg, die Zugbrücke rasselte herunter und das Tor öffnete sich, hinten nach aber jagte Herr Iwein, ungestüm wie ein Falke, der einen Kranich verfolgt. So galoppierten sie beide durch das Stadttor und durch die menschenleeren Straßen und gelangten mit verhängten Zügeln vor das Tor des Schlosses. Der Zugang war so eng, daß zwei Ritter nicht nebeneinander eindringen konnten. Wie bei einer Rattenfalle befanden sich unter dem Tor zwei Schlagfallen, welche eine scharf geschliffene eiserne Falltür hielten. Trat jemand auf diese Vorrichtung, so sauste die Falltür herab und er war gefangen oder gar zerhackt. Der Quellwächter sprengte geradeswegs hindurch, Iwein aber, der hinter ihm herhastete, packte ihn schon am Sattelbogen, da trat sein Roß auf das Holzbrett, welches die Eisentüre hielt. Wie die Teufel in die Hölle, so fuhr die Falltür herab, durchschnitt den Sattel und trennte das Pferd mitten auseinander, ohne indessen, Gott sei Dank, Herrn Iwein zu berühren, dem nur die beiden Sporen von den Fersen gerissen wurden. Da stürzte er und der Todwunde entkam ihm. Eine ebensolche Tür, wie sie am äußeren Eingang sich befand, war auch innen angebracht. Der Schloßherr eilte hindurch und die Tür fiel hinter ihm herab. So war Herr Iwein gefangen.

      Auf einmal hörte er, wie sich das schmale Türchen eines Seitenraumes öffnete; eine wunderschöne Jungfrau trat heraus und schloß die Pforte hinter sich wieder zu. Als sie Herrn Iwein erblickte, erschrak sie: "Wenn man Euch hier bemerkt, Herr Ritter," rief sie, "so seid Ihr verloren. Unser Herr ist auf den Tod verwundet, und wohl weiß ich, daß Ihr sein Mörder seid. Unsere Herrin und ihre Leute sind trostlos und werden Euch gewißlich töten, wenn sie Euch hier erwischen." "Das steht bei Gott!" antwortete Iwein. "Sie sollen Euch aber nicht erwischen," hub Lunete, die Jungfrau, wieder an, "denn ich will Euch helfen, wie Ihr mir einst am Artushofe halfet, als ich als kleines blödes Mädchen dorthin kam. Da, nehmt dies Ringlein und stellt es mir zurück, wenn Ihr wieder frei seid!" Sie fügte hinzu, daß es mit dem Ringe diese Bewandtnis habe: wenn man ihn so anstecke, daß der Stein in der Faust verborgen sei, so brauche der, welcher den Ring am Finger trage, nichts mehr zu fürchten, denn er sei für jedermann unsichtbar, ebenso wie ein Baumstamm, den die Rinde verdeckt. Nach diesen Worten führte sie den Ritter in den Nebenraum, hieß ihn sich auf ein Ruhebett niederlassen und reichte ihm Speise und Trank. Nun kamen die Ritter und Bürger, die ihren Herrn rächen wollten, sie zogen die Falltüren in die Höhe und fanden die beiden Teile des toten Rosses, aber Iwein war nirgends zu sehen. Rasend vor Wut stürzten sie in den Saal und schlugen blindlings auf Wände, Betten und Bänke ein, aber das Bett, auf dem Iwein lag, blieb unberührt.

      Während sie noch in ihrer Blindheit rasend um sich schlugen, trat eine Frau in den Saal, die war so schön, wie sie kein Sterblicher je gesehen. Doch war sie so gramgebeugt, daß sie dem Tode nahe schien. Das eine Mal schrie sie laut auf, dann sank sie wieder ohnmächtig zu Boden, darauf begann sie sich zu zerfleischen und ihre Haare zu raufen. Und siehe, die Leiche des Herrn wurde auf einer Bahre vorübergetragen, Kerzenträger gingen ihr voraus und Klosterfrauen, dann folgten Geistliche mit Meßbüchern und Weihrauchkesseln. Herr Iwein hörte die Wehklagen, und die Prozession zog vorüber, um die Bahre aber drängte sich eine staunende Menge, denn das Blut floß klar und purpurn aus den Wunden des Toten. Das war der sichere Beweis, daß der, welcher den Tod des Schloßherrn veranlaßt hatte, sich noch hier im Saale befinden mußte. Von neuem begann das Suchen und Schlagen, doch Herr Iwein rührte sich nicht. Die Frau aber schrie wie eine Wahnsinnige: "Ach Gott! Soll man den Mörder, den Schurken nicht finden, der meinen guten Herrn umgebracht hat. Guten? Den Besten der Guten! Hat sich ein Geist oder der leidige Feind unter uns gemengt, bin ich behext, daß meine Augen ihn nicht sehen? Ein Feigling ist er, wenn er mir nicht steht, er, der gegen meinen Herrn so mutig war. Wahrlich, er kann nicht von dieser Welt sein, wenn er meinem unvergleichlichen Herrn standhielt." Dann trugen sie die Leiche hinaus und begruben sie. Die Menge wurde schließlich des Suchens müde und zerstreute sich. Nun trat die Jungfrau wieder zu Iwein. "Herr", sagte sie, "wie ein Jagdhund nach einem Rebhuhn oder einer Wachtel spürt, so haben sie jeden Winkel abgesucht. Das muß Euch in Furcht gesetzt haben!" "Das ist richtig," antwortete Iwein, "aber nichtsdestoweniger möchte ich durch ein Fenster den Leichenzug da draußen beobachten." So sagte er, aber in Wahrheit kümmerte er sich weder um die Leiche noch um den Zug, sondern er sprach es, weil er die Herrin der Stadt schauen wollte. Lunete führte ihn an ein Fensterchen, durch welches er die schöne Frau erspähen konnte, welche immer noch ihrem toten Gatten nachtrauerte: "Euch, lieber Herr, kam nie ein Ritter gleich an Ehren weder noch an feiner Sitte. Freigebigkeit war Eure Freundin und Mut Euer Gefährte. Unter der Schar der Heiligen möge, teurer Herr, Eure Seele weilen." Dabei zerriß sie immer wieder mit den Händen ihr Gewand, dergestalt, daß Iwein sich nur mit Mühe zurückhalten ließ, sie daran zu hindern. Lunete mahnte ihn nochmals, ruhig und besonnen zu bleiben, dann ging auch sie, um an der Leichenfeier teilzunehmen.

      Inzwischen hatte aber die Frau, ohne es zu wissen, einen Rächer für den Tod ihres Gatten gefunden, und zwar einen stärkeren als sie selbst jemals hätte finden können: Amor hatte nämlich für sie Rache genommen, dadurch, daß er Iwein durch die Augen in das Herz getroffen hatte. Hierdurch hatte Herr Iwein eine Wunde erhalten, die nie wieder heilen sollte. Je länger Iwein die Frau durch das Fenster beobachtete, desto mehr verliebte er sich in sie und desto schöner erschien sie ihm. Gewiß, er wußte, daß sie ihn wegen der Tötung ihres Gatten hassen müsse, aber eine Frau hat mehr als tausend Gefühle. Vielleicht wird sich das Gefühl, daß sie zur Zeit hegt, noch einmal ändern? Sicher wird es das, ohne "vielleicht" und er wäre töricht, wenn er zuvor verzweifeln wollte, Gott gebe nur, daß es bald wechsle. Während er noch in solchen Gedanken befangen war, kehrte Lunete zurück, um ihm Gesellschaft zu leisten, ihn zu trösten und zu zerstreuen. "Herr Iwein," redete sie ihn an, "wie ist es Euch inzwischen ergangen?" "Nach Gefallen!" erwiderte er. "Nach Gefallen? Wie? Kann es einem nach Gefallen ergehen, wenn man zum Tode geholt werden soll?" "Gewiß, meine liebe Freundin," entgegnete er, "ich möchte jetzt nicht sterben, denn was ich sah, hat mir sehr gefallen und gefällt mir noch und wird mir immer mehr gefallen!" "Lassen wir das," sprach Lunete, "ich verstehe sehr wohl, worauf dieses Wort zielt, ich bin nicht so einfältig. Aber jetzt kommt, damit ich Eure Befreiung bewerkstellige. Heute Nacht noch oder morgen früh sollt Ihr in Sicherheit sein." "Oho," versetzte er, "ich will nicht wie ein Dieb davonschleichen. Mit mehr Ehren werde ich von dannen ziehen, wenn alles Volk draußen auf der Straße versammelt ist, als wenn ich nächtlicherweile mich aus dem Staube mache!"

      Die Jungfrau erinnerte sich sehr wohl an Iweins Worte, und da sie sehr gut mit ihrer Herrin stand, so benutzte sie die nächste Gelegenheit, um die Sache zur Sprache zu bringen. "Herrin," sprach sie, "es wundert mich sehr, daß Ihr Euch so sinnlos gebärdet; glaubt Ihr denn, den Herrn durch Eure Tränen zurückzugewinnen?" "Ach," entgegnete jene, "ich wünschte, ich stürbe vor Schmerz!" "Warum?" "Um ihm nachzufolgen!" "Ihm nach ...? Davor bewahre Euch Gott, vielmehr gebe er Euch wieder einen ebenso guten Gemahl, der auch ebenso tapfer ist." "Einen so trefflichen kann er mir nicht wiedergeben!" "Einen besseren wird er Euch geben, wenn Ihr ihn nehmen wollt, das will ich Euch beweisen." "Geh, schweig! Einen solchen werde ich nie finden!" "Doch, Herrin, wenn Ihr wollt. Denn, sagt mir doch – um Vergebung –, wer soll Euren Boden schützen, wenn König Artus herkommt, der, wie Ihr wißt, nächste Woche zur Quelle und zum Steinblock gelangen wird? Ihr solltet lieber einen Entschluß fassen, wie Ihr Eure Quelle verteidigen wollt, anstatt daß Ihr unaufhörlich jammert." "Geh!" zürnte die Herrin, "ich will nichts mehr davon hören!" "Auch gut, Frau!" schmollte


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