Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов
der sich als wahrhaft Liebender ausgab und doch ein falscher Verräter war. Er hat ihr Herz gestohlen und ist damit geflohen. Herr Iwein hat meine Herrin dem Tode nahegebracht. Ach, sie glaubte, er wolle ihr Herz bewahren und ihr nach Jahresfrist zurückstellen. Alle Tage des Jahres hat sie in ihrer Kammer angekreidet und jede Nacht hat sie die Tage gezählt, die verstrichen waren und die noch kommen sollten. Doch du kamst nicht. Ich will dich nicht anklagen, aber so viel will ich sagen, daß uns der verraten hat, der dich mit unserer Herrin verheiratete. Iwein, nun sorgt sie sich nicht mehr um dich, sondern sie befiehlt dir durch mich, daß du ihr nie wieder unter die Augen tretest und ihren Ring nicht länger behaltest. Gib ihn zurück, Verräter, dann geh, wohin du willst!"
Wie Iwein vor Kummer wahnsinnig wurde, wie er durch eine Zaubersalbe geheilt wurde und dann nach endlosen Abenteuern und Gefahren schließlich doch seine Laudine zurückgewann, das alles mögt ihr bei Meister Christian selber nachlesen.
Die Geburt des Schwanritters
Es geschah einmal, daß der König Oriant, welcher ein mächtiger und ruhmvoller Herrscher war, mit der Königin Beatrix, seiner Gemahlin, am Fenster seines Schlosses saß. Und sie blickten auf die Straße; da gewahrte der König eine Frau, welche zwei Kinder trug, die Zwillinge zu sein schienen. Der König sagte zur Königin: "Frau, es wundert mich sehr, daß wir kein Kind haben. Seht da, die arme Frau, welche deren zwei hat, und sogar sehr schöne, Zwillinge, wie mir scheint." Als die Dame die Worte ihres Gatten vernahm, sprach sie voll Zorn und Gram: "Ach Herr, ich könnte niemals glauben, daß eine Frau zwei Kinder auf einmal haben kann, wenn sie nicht bei zwei Männern gelegen ist." "Ha, Frau!" sagte der König, "Ihr redet schlecht. Denn wisset, bei Gott ist nichts unmöglich." Dann ließen sie von dieser Rede, bis der König eines Tages bei seiner Gattin lag und ihr mit Gottes Hilfe sieben Kinder erzeugte.
Der König Oriant hatte eine Mutter, welche eine böse alte Hexe war. Sie war sehr betrübt, als sie erfuhr, daß die Königin schwanger sei. Die Königin trug ihre Bürde, bis Gott ihr erlaubte, an einem Tage mit sieben Kindern niederzukommen. Bei ihrer Entbindung hatte sie keine andere Frau bei sich als die alte Matabrune, die Mutter des Königs Oriant, welche ein betrügerisches und böses Weib war. Sechs von den Kindern waren Söhne, das siebente aber war ein Mädchen, und aus allen ging späterhin ein edles Geschlecht hervor. Matabrune legte die Kinder in ihren Schoß und rief Marke, einen ihr Untergebenen, zu sich und zu sprach ihm: "Nehmt, Freund, und bringt diese Kinder an einen solchen Ort, daß man niemals wieder von ihnen reden höre. Tragt Sorge, daß Ihr sie tötet!" Marke nahm die Kinder und trug sie tief in den Wald, dort legte er sie ins Gras. Die Kindlein lächelten ihn an. Als Marke sie erblickte, hatte er großes Mitleid mit ihnen und sprach: "Gott soll mich verlassen, wenn ich euch ein Leid antue!" Er ließ also die Kinder dort und kehrte heim. Die alte Hexe schaute unter einer Stiege nach und fand eine Hündin, welche sieben Hündlein geworfen hatte. Diese nahm sie und ging zu ihrem Sohn. Als der König Oriant sie kommen sah, erhob er sich gegen sie und sprach: "Seid willkommen, Mutter! Was bringt Ihr Neues, Mutter?" "Ach," sagte die alte Matabrune, "lieber Sohn, ich bringe häßliche, schreckliche und böse Nachricht. Da, seht, womit Euch Eure Gattin beschenkt hat! Sie ist mit diesen sieben Hündlein niedergekommen. Sie ist die unzüchtigste Frau, die je gelebt hat, und verweigert sich keinem Manne. Gar oft habe ich sie mit einem anderen als mit Euch überrascht. Aber um Eurer Ehre willen habe ich geschwiegen. Jetzt aber hat sie diese sieben Hunde geboren. Laßt sie verbrennen! Denn es gab nie eine schlechtere Frau, als sie ist, und wenn Ihr es nicht tun wollt, so werde ich sie selber verbrennen!"
Als der König die Hunde sah und hörte, was seine Mutter zu ihm sprach, da wurde er sehr traurig und sagte: "Mutter, ich glaubte nie, daß es auf der Welt eine bessere und züchtigere Frau gibt als die meine. Ihr Fehltritt schmerzt mich arg. Aber, um Gottes willen, liebe Mutter, helft mir dies verheimlichen, denn ich habe sie geheiratet und habe ihr versprochen, ich wolle ihr treu und gnädig sein. Und wie könnte ich sie verbrennen lassen oder zusehen, wie sie verbrannt würde?" "Lieber Sohn," sagte die Alte, "Ihr zögert zu lange. Ich werde sie in einen Kerker werfen lassen." Da rief die Alte zwei ihrer Diener und trat zu dem Bette der guten Beatrix. "Du schmutzige, unzüchtige Dirne," sagte sie zu ihr, "jetzt tritt deine Schamlosigkeit ans Licht; sagtest du doch, daß eine Frau keine zwei Kinder haben könne, ohne sich zwei Männern hingegeben zu haben. Nun könnte mein Sohn sagen, daß du bei ihrer sieben gelegen bist. Nicht um das ganze Gold von Rußland würde er darauf verzichten, daß du morgen verbrannt wirst." "Die heilige Jungfrau", versetzte die Königin, "wird nicht zulassen, daß ich auf solche Weise umkomme, so wahr ich in Züchten gelebt habe!" "Das nützt dir nichts, du Hure!" sagte die alte Matabrune. Da packten die bösen, verräterischen Diener die gute Königin und schleppten sie in einen finsteren Kerker, wo die gute Frau weder Bett noch Linnen hatte. Darauf wurden die zwei Diener sogleich geblendet und sahen fürderhin das Licht nicht mehr. Die Frau aber litt große Pein.
Nun aber hört von den Kindern, welche im Walde an einem Fluß lagen, wo sie Marke eingehüllt in ein Fell zurückgelassen hatte. Jedes von ihnen hatte ein Kettlein um den Hals, und das war ihre Bestimmung: wenn sie diese Kettlein verlieren würden, so müßten sie geflügelte Schwäne werden. Solange sie dieselben aber trugen, hatten sie menschliche Gestalt. Siehe, da kam ein Einsiedler, welcher schon ein Jahr im Walde gelebt hatte, dorthin. Er gewahrte die Kinder und bat unseren Herrn, daß er ihnen nach seinem Gefallen Nahrung schicken möchte, davon sie leben könnten. Es dauerte nicht lange, da sandte Gott eine Ziege, welche die Kinder mit Milch versah, ebensogut wie es eine Frau getan hätte. Der Eremit trug die Kinder in sein Haus, und jeden Tag kam die Ziege dorthin. Und so nährte er die Kinder lange Zeit.
Da geschah es eines Tages, daß der Einsiedler in den Wald gegangen war und eines der Kinder mit sich genommen hatte. Der Förster Malquerre kam durch Zufall in das Haus des Einsiedlers, fand die sechs schönen Kinder und sah die Kettlein, die sie um den Hals trugen. Er sagte zu sich, wenn es mit dem Willen seiner Herrin geschehe, so wolle er ihnen die Kettlein wegnehmen. Der Verräter begab sich also zu einer Herrin und sprach: "Herrin, ich habe sechs wunderschöne Kinder in jenem Walde gefunden, und sie trugen sechs Kettlein um den Hals. Herrin, wenn Ihr es mir erlaubt, so werde ich gehen und sie ihnen nehmen." Als die Alte solches vernahm, wurde sie sehr bekümmert, denn sie merkte wohl, daß dies ihre Enkel wären, die Marke in den Wald gebracht hatte. Sie sprach zu Malquerre: "Geht wieder in die Einsiedelei und nehmt ihnen die Ketten ab, und wenn sie euch Widerstand leisten, so tötet sie!" Sogleich machte sich Malquerre auf den Weg. Matabrune rief Marke, sie wolle mit ihm reden; und er kam. Da führte sie ihn in ein Gemach und beschwor ihn, daß er ihr der Wahrheit gemäß erzähle, was er mit den sieben Kindern gemacht habe, die sie ihm anvertraut hätte, und wenn er lügen würde, so wolle sie ihn in Stücke zerreißen. Da sagte der wackere Mann: "So wißt, Herrin, daß ich sie lebendig im Walde zurückließ." Die Alte ließ ihn ergreifen und ihm die Augen ausreißen.
Malquerre wanderte so lange, bis er in die Einsiedelei kam. Es traf sich, daß der Eremit in den Wald gegangen war und eines der Kinder mit ihm. Als Malquerre die sechs Kinder und ihre Ketten erblickte und bemerkte, daß niemand zugegen war, da wurde er sehr froh. Er nahm die Kinder und jagte sie aus dem Hause, und jedesmal, wenn er eines ergriff, riß er ihm seine Kette ab. Und jene wurden zu weißen Schwänen und flogen auf einen Teich ihres Vaters, des Königs Oriant von Illefort. Als der Verräter dieses sah, erschrak er gewaltig. Darauf kehrte Malaquerre zu seiner Herrin zurück und brachte ihr die Kettlein. Matabrune ließ einen Goldschmied kommen und bat ihn, er möge aus den sechs Ketten eine Trinkschale verfertigen. Jener antwortete: "Gerne, Herrin!" Darauf nahm er eine der Ketten und schmiedete sie und verfertigte eine prächtige Schale daraus. Die übrigen fünf Ketten aber brachte der Goldschmied in Sicherheit, denn er merkte wohl, daß sie überaus kostbar waren. Als der Einsiedler und das Kind aus dem Walde zurückkamen und die übrigen Kinder nicht mehr zu Hause vorfanden, da wurden sie gar betrübt und zornig und gebärdeten sich ganz verzweifelt.
Kurz darauf ereignete es sich, daß Matabrune zum König Oriant, ihrem Sohne, ging und sprach: "Lieber Sohn, du bist zu sehr beschimpft; laß deine Frau verbrennen, denn es ist ein gar zu todeswürdiges Verbrechen, daß sie mit einem Hunde schlief." Da wurde der König sehr traurig; er berief alle seine Barone, damit sie ein Urteil über seine Frau sprechen