Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов

Märchen aus Frankreich, Band 1 - Группа авторов


Скачать книгу
entkommen war; er rief sein Heer zusammen, zog vor Malbruiant, wo die Alte hauste, und belagerte die Stadt. Die Einwohner bereuten es alsbald, die alte Hexe aufgenommen zu haben; sie gingen zu Helias und überlieferten ihm die Stadt. Der König Helias zog in die Stadt ein, ging ins Schloß und ließ die Alte fesseln. Darauf befahl er, daß ein großes Feuer angezündet würde, und er warf Matabrune selbst hinein. Da wurde die alte Hexe verbrannt. Der König hatte seine Mutter herbeiholen lassen, und sie kam gern zu ihm und war sehr froh, daß die Alte verbrannt war, die ihr soviel Leids und so großes Unrecht angetan hatte.

       Die Manekine

      Es lebte einst ein weiser und gerechter König, der über ganz Ungarn herrschte; seine Gattin war eine armenische Königstochter von hoher Schönheit und übermenschlicher Güte, lange hätte man wandern müssen, um ihresgleichen zu suchen. In ihrer zehnjährigen Ehe hatte die Königin nur einer Tochter das Leben geschenkt, welche Joie hieß, weil durch ihre Geburt das ganze Land erfreut wurde. Der Tod, der auch die Großen der Erde nicht verschont, warf die Königin, noch ehe sie gealtert war, aufs Lager und verwandelte die Rosenfarbe ihres Leibes in Leichenblässe. Da sprach sie zu ihrem Gatten: "Herr, ich bitte Euch, daß ihr keine Frau nach mir heiratet. Wenn aber die Edlen Eures Landes nicht wollen, daß das ungarische Reich unserer Tochter verbleibt, und wenn Ihr Euch, um einen männlichen Erben zu erhalten, zu neuer Ehe entschließen müßt, so bitte ich Euch, daß Ihr nur eine Frau heiratet, welche mir gleicht." Das beschwur der König und dann schied die Königin aus diesem Leben.

      Kurz darauf versammelten sich die Barone und der älteste von ihnen sprach: "Das Königreich Ungarn würde in Bedrängnis geraten, wenn ein Weib es in seinen Händen hielte. Deshalb laßt uns zum König gehen und ihn von Herzen bitten, daß er nach unserem Rat eine neue Gattin nehme." So taten sie, aber der König antwortete, er habe seiner toten Gemahlin versprochen, nie eine Frau zu nehmen, welche ihr nicht an Schönheit und Güte gleichkäme. Als die Barone solches hörten, wählten sie zwölf Boten aus, welche ausziehen sollten, um eine der toten Königin ähnliche Jungfrau zu suchen. Die Boten erschauten die Tochter von manchem König und von manchem Grafen und litten manche Pein, aber das Ziel ihres Suchens erreichten sie nicht. Als der König beim heiligen Weihnachtsfeste zur Tafel saß, kamen die Boten zurück und berichteten, daß sie nirgends eine Frau gefunden hätten, welche der Verstorbenen gleiche. Nun geschah es aber, daß einer der Grafen die schöne Königstochter beim Mahle bediente, und als er sie anblickte, da schien es ihm, als sei sie ihre Mutter selber, nur daß sie um vieles jünger war. Nach dem Essen sagte er also zu den Baronen: "Ihr Herren, nie wird man ein solches Weib finden, wie es der König sucht, es sei denn, daß er seine Tochter heiratet." Da nickten die Barone zustimmend, aber der König, dem sie ihre Meinung vortrugen, lehnte ein solches Ansinnen ab. Wie aber die Großen des Landes auf der Wiederverheiratung bestanden und wie auch die Prälaten und Bischöfe ihren Dispens erteilten, da besann sich der König und bat dann, ihm bis Lichtmeß Frist zu gewähren.

      Einst trat der Vater unangemeldet in Joiens Gemach, er ergriff ihre Hand und setzte sich neben sie. Darauf schaute er ihr ins Gesicht und bemerkte, daß die Natur nie ein schöneres Weib gebildet hatte. Als er aber von ihr ging, war der Funke sündiger Liebe in seiner Brust entzündet. Eines Tages ließ er seine Tochter vor sich kommen und sprach zu ihr: "Liebe Tochter, erzürne dich nicht über das, was ich dir jetzt sagen werde!" "Vater," entgegnete diese, "Euer Wille ist mir nie mißfällig." "Liebe Tochter," hub der König wieder an, "ich habe deiner Mutter auf ihrem Totenbette versprochen, daß ich nach ihr keine andere Frau heiraten wolle als eine solche, die ihr gliche. Aber nur du allein kommst ihr auf der weiten Erde gleich. Sieh, meine Barone wollen nicht, daß das ungarische Reich ohne männlichen Erben bleibe, deshalb hat die Geistlichkeit mir die Erlaubnis erteilt, mich mit dir zu vermählen: du sollst gekrönte Königin von Ungarn sein!" "Vater," antwortete die Jungfrau, "laßt diese Worte! Ich würde lieber den Tod erleiden, als meiner Seele Seligkeit verlieren." "Töricht hast du mir geantwortet," rief der Vater voll Zorn, "wenn du dich meinem Willen nicht fügen willst, so werde ich dich zwingen!" Ohne Abschied ging er hinaus und die Jungfrau kehrte auf den Tod betrübt in ihre Kammer zurück.

      Lichtmeß kam und Barone, Ritter und Geistliche versammelten sich wieder am Hofe. Der König sagte ihnen, daß er ihrem Willen, ein anderes Weib zu nehmen, willfahren wolle, und alle waren sehr froh darüber. Joie aber hatte durch eine Späherin erfahren, daß die Großen des Landes kommen würden, sie vor den König zu holen. Als sie dieses hörte, geriet sie in große Furcht und wußte nicht, was sie tun sollte. Sie trennte sich von ihren Gefährtinnen, ohne daß diese es merkten, und eilte von Saal zu Saal. Endlich gelangte sie in einen Küchenraum, welcher mit der Hinterwand an einen Fluß grenzte. Alle die Küchenknechte waren ins Schloß gegangen, um dem Hoftag zuzuschauen, so daß Joie ganz allein war. Auf dem Anrichtetisch lag ein großes scharfes Küchenmesser, das ergriff sie und bat die Gottesmutter, daß sie ihr Kraft verleihe. Schon hörte sie, wie die Menge vor ihrer Kammer lärmte, wie man kam, um sie vor den König zu holen, da faßte sie das Messer fester und mit einem kräftigen Schlag trennte sie ihre linke Hand vom Arme und warf sie in den Fluß, dann schwanden ihr vor Schmerz die Sinne. Als sie wieder zu sich kam, wickelte sie den Stumpf in ein Tuch und trat mit totenblassem Antlitz in ihre Kammer, wo vier Grafen ihrer warteten. "Eine gute Nachricht bringen wir Euch, Jungfrau," redeten sie diese an, "freuet Euch, Ihr sollt Königin von Ungarn werden. Der König erwartet Euch im Schloß und trägt Euch durch uns auf, unverzüglich vor ihm zu erscheinen." Schweigend und bleich folgte die Jungfrau den vier Grafen vor den König, eine Schar Mägde begleitete sie. Der König nahm Joie bei der Hand und umarmte sie, dann bemerkte er das Blut an ihrem Arm. "Tochter," sprach er, "was ist Euch geschehen?" "Herr," erwiderte sie, "wohl weiß ich, was Ihr von mir verlangen wollt, aber Königin werde ich nicht. Seht, mir fehlt die linke Hand, und nach unserem Gesetz darf ein König keine Frau ehelichen, der eines ihrer Glieder fehlt." Als der König und die Barone den Stumpf sahen, da wurde ihre Freude in Leid verwandelt. Der König merkte wohl, daß sie solches aus freien Stücken getan hatte, um sich seinem Willen zu entziehen, und er befahl voll Zorn seinem Seneschall, daß er die Jungfrau heute über drei Tage zum Feuertode führe. Die Barone erschraken sehr, aber sie wagten nicht, ihren Kummer zu zeigen. Da ging der Hoftag in Trauer und Klagen auseinander, und der König zog sich auf ein fernes Schloß zurück. Der Seneschall blieb zurück, um Joie, die im Gefängnis schmachtete, zum Scheiterhaufen zu bringen. Die Nachricht, daß Joie verbrannt werden sollte, verbreitete sich im ganzen Lande, und besonders die Armen, denen sie oft Brot und Kleider gegeben hatte, waren von Zorn und Gram erfüllt. Der Seneschall beschloß, die Jungfrau zu retten; er ließ ein Fahrzeug mit Fleisch und Wein füllen, dann ließ er drei Rosse satteln, Joie mußte das eine besteigen und der Seneschall und der Kerkermeister ritten zu ihren Seiten. So verließen sie im Dunkel der Nacht die Stadt und ritten so lange, bis sie ans Ufer des Meeres kamen. Da sprach der Seneschall zu der Jungfrau: "Ihr wißt, Herrin, daß mir der König bei meinem Leben befahl, Euch ins Feuer zu werfen. Aber das Mitleid, das ich für Euch empfinde, läßt nicht zu, daß ich Euch unter solchen Qualen sterben sehe. Ich will Euch in einem segel- und mastlosen Boot aussetzen und Euch dem Schutze Gottes anheimstellen, er möge Euch geleiten und bewahren." "Ich bin Euch dankbar," versetzte die Jungfrau, "daß Ihr meinen Leib vor dem Feuer gerettet habt, denn lieber will ich ertrinken, wenn es Gott gefällt, als verbrennen. Ferner bitte ich den wahren Gott von Herzen, daß er meinem Vater die Sünde, die er an mir tat, vergeben möge, und daß er ihm mehr Freuden verleihen möge, als mir beschieden sind." Der Seneschall führte sie weinend in das Schiff, dann befahl er sie Gott und der heiligen Jungfrau und stieß den Nachen ins Meer.

      Am neunten Tage landete die Jungfrau mit Gottes Hilfe an der Küste Schottlands. Es war gerade Funkensonntag, und die Einwohner des Landes trieben Kurzweil am Meeresufer. Unter ihnen befand sich auch der Profoß. Er hatte sein Gesicht zum Meer gewendet und bemerkte den Nachen, der ohne Segel und Mast herantrieb. Als das Boot an Land kam, begab sich die Menge zum Strande und der Profoß begrüßte die Fremde: "Jungfrau, der wahrhaftige Gott gebe Euch Glück und Freude!" "Herr," entgegnete sie, "der, den Ihr anrieft, möge Euch erhören!" "Jungfrau, berichtet uns, wo Eure Heimat und wie Euer Name ist!" "Herr, ich bin eine Unglückliche, die hier ans Ufer trieb. Wenn es Euch gefällt, so rettet mich; mehr kann ich Euch nicht sagen." "Wenn Euch jemand Unrecht tat, Schöne, so seid Ihr


Скачать книгу