Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов
essen Weichkäse und Fische. So empfiehlt es St. Benedikt!" Ysengrin sprach: "Davon wußte ich nichts. Aber gewährt mir Gastfreundschaft. Es ist spät und ich weiß nicht, wohin ich mich noch wenden soll." "Gastfreundschaft?" sagte Reinhart, "redet nicht davon! Nur ein Mönch oder ein Eremit kann bei mir Unterkunft finden. Geht anderswo hin!" Ysengrin sah ein, daß er unter keinen Umständen eingelassen werden würde; trotzdem fing er wieder an: "Fische? Ist das gutes Fleisch? Gebt mir doch einen Brocken, nur um zu verkosten!" Der schlaue Fuchs nahm drei Stücke Aal, die auf den Kohlen brieten und inzwischen gar geworden waren. Ein Stück aß er selbst, die anderen brachte er dem Wolf und sprach zu ihm: "Gevatter, tretet ein wenig näher und empfangt aus Nächstenliebe von unserer Speise. Aber wir erwarten, daß Ihr auch in unseren Orden eintreten werdet!" "Ich weiß es noch nicht, aber es ist möglich!" versetzte Ysengrin, "jedoch, lieber guter Meister, gebt mir geschwind das Essen!" Ysengrin erhielt es und verschlang es in einem Happ. "Wie dünket Euch darum?" fragte Reinhart. Der Feinschmecker zitterte und brannte vor Gier. "Es möge Euch tausendmal vergolten werden, Herr Reinhart!" sprach er, "aber gebt mir nur noch ein einziges Stück, süßer, lieber Gevatter, nur zum Anbeißen; dann will ich auch Eurem Orden beitreten." "Ich rate Euch sehr, Mönch zu werden," antwortete der listige Reinhart, "denn bei Euren Anlagen werdet Ihr es noch vor Pfingsten zum Prior oder Abt bringen." "Hätte ich dann Fische genug?" "Soviel Ihr essen wollt; aber zuvor müßt Ihr Euch Haar und Bart scheren lassen." Ysengrin begann zu brummen, als er vom Scheren reden hörte. "Wenn es sein muß, Gevatter, so schert mich geschwind!" Reinhart erwiderte: "Sogleich werdet Ihr eine große und breite Tonsur haben, nur muß erst das Wasser warm sein." Der Fuchs stellte Wasser aufs Feuer und ließ es kochen; dann kam er wieder und hieß den Wolf seinen Kopf durch ein Loch neben der Türe stecken. Ysengrin reckte den Hals vor und Reinhart goß ihm das kochende Wasser über den Schädel. Der Wolf biß die Zähne zusammen und fuhr zurück: "Reinhart!" schrie er, "ich bin hin. Das war ein schlechter Streich, Ihr habt mir eine zu große Platte geschoren." Reinhart streckte die Zunge einen halben Fuß weit aus dem Maul: "Herr, so ist es im Kloster der Brauch," sagte er, dann fuhr er fort: "Der heilige Orden erheischt es, daß wir in der ersten Nacht eine Probe bestehen. Wir wollen fischen gehen." Ysengrin entgegnete: "Gern werde ich alles tun, was die Regel verlangt." Reinhart schlüpfte durch einen Spalt und trat zu Ysengrin, der noch immer über seine Platte klagte, auf der keine Haut und kein Fell mehr geblieben war. Beide gingen von dannen, Reinhart voraus und der andere hinterher, bis sie zu einem Weiher gelangten.
Es war wenig vor Weihnacht, um die Zeit, da man die Schinken in Salz legt. Der Himmel war klar und sternenhell, und der Teich, in welchem Ysengrin fischen sollte, war fest zugefroren. Nur ein Loch war offen geblieben, welches die Bauern geschlagen hatten, um ihr Vieh zu tränken, und neben dem Loch war ein Eimer stehen geblieben. Reinhart ging vergnügt auf den Eimer zu, sah seinen Gevatter an und sprach: "Herr, diesen nehmt! Hier gibt es eine Menge Fische, und auf diese Weise pflegen wir sie zu fangen." "Bruder Reinhart!" erwiderte Ysengrin, "bindet mir diesen Eimer fest an den Schwanz!" Der andere nahm ihn und band ihn so fest er konnte. "Bruder," sagte er dann "jetzt haltet Euch ruhig, damit die Fische kommen." Dann drückte er sich unter ein Gebüsch und steckte die Schnauze zwischen die Füße, um zu beobachten, was jener anstellen würde. Das Wasser begann zu gefrieren und der Eimer an Ysengrins Schwanze fror mit ein, so daß der Schwanz fest an das Eis geheftet wurde. Nach einer Weile glaubte der Wolf, es sei nun genug, und er versuchte, den Eimer herauszuziehen. Lange zerrte er vergebens, dann rief er nach Reinhart, denn der Tag begann schon zu dämmern. Reinhart erhob den Kopf, öffnete die Augen und blickte sich um: "Bruder," sprach er, "laßt Eure Arbeit stehen, gehen wir heim, lieber Freund! Wir haben genug Fische gefangen." "Reinhart, es sind zuviel!" rief ihm Ysengrin zu. "Ich habe so viel gefangen, daß ich den Eimer gar nicht wieder herausziehen kann!" Reinhart antwortete lachend: "Wer zuviel begehrt, verliert alles."
Die Nacht war vorüber, der Tag brach an, und die Sonne erhob sich im Osten. Alle Wege waren weiß vom Schnee. Herr Constant von Granches, ein behäbiger Ritter, hatte in der Nähe des Teiches genächtigt und sich nun samt seinem Jagdgefolge zufriedenen Gemütes erhoben. Er nahm sein Horn, rief den Hunden und ließ sich seinen Sattel bringen, während der Jagdtroß lärmte und schrie. Reinhart hörte es und floh, bis er seinen Bau erreicht hatte. Ysengrin hingegen mußte bleiben, er zog und zerrte mit solcher Wut, daß ihm fast die Haut barst. Während der Wolf sich so abquälte, kam ein Bursche des Weges, der zwei Hunde an der Leine führte. Er erblickte Ysengrin, der mitsamt seinem Glatzkopf auf dem Eise angefroren war und schrie: "Hoho! Der Wolf! Herbei, herbei!" Die Jäger sprangen samt den Hunden aus dem Hause. Herr Constant sprengte auf seinem Rosse hinterdrein und rief: "Laßt los, laßt die Hunde los!" Die Hundeführer koppelten die Hunde ab, und diese stürzten sich auf den Wolf, der sich nach Kräften wehrte. Herr Constant zog sein Schwert und schickte sich an, den Wolf gut zu treffen. Dieserhalb stieg er vom Pferde und ging über das Eis hinüber auf ihn los. Von hinten wollte er ihn treffen, aber er verfehlte ihn, kam durch den Schwung ins Gleiten und fiel so heftig hin, daß ihm der Kopf blutete. Mit Mühe erhob er sich und ging zornig wieder auf den Wolf los. Er gedachte ihn auf den Kopf zu treffen, aber der Schlag ging daneben: das Schwert traf nur den Schweif und schnitt ihn da, wo er angewachsen war, ratzibutz ab. Ysengrin fühlte sich frei, er sprang davon, von den Hunden verfolgt und gebissen, den Schwanz jedoch mußte er zu seinem Schmerz als Pfand zurücklassen. Er floh einen Abhang hinauf, und als er droben war, blieben die Hunde ermüdet stehen und kehrten um. Ysengrin aber eilte weiter, bis er den schützenden Wald erreicht hatte. Dort hielt er inne und schwur, er wolle sich an Reinhart blutig rächen.
Der neue Adam
Ein Eremit tadelte einstmals Adam und grollte ihm, daß er ein so leichtes Gebot übertreten habe, anstatt Mitleid mit ihm zu fühlen. Sein Gefährte wollte ihn züchtigen; er legte eine Maus zwischen zwei Schüsseln und sagte zu ihm: "Bruder, bis ich zurückgekehrt bin, sollst du nicht nachsehen, was zwischen diesen beiden Schüsseln verborgen ist." Als jener fort war, begann der andere nachzugrübeln: warum hat er mir dieses Gebot auferlegt? ich muß doch einmal sehen, was er zwischen die beiden Schüsseln versteckt hat. Er hob die obere Schüssel auf, und die Maus entwich. Als der Gefährte zurückkam und die Maus nicht mehr fand, sagte er: "Du tadeltest Adam, weil er ein so leichtes Gebot übertreten habe, und du hast ein noch leichteres nicht gehalten." Hierauf ließ der Eremit von seiner Anmaßung ab und vertauschte seinen Groll mit Mitleid.
Der Engel und der Waldbruder
Einst wurde ein Eremit vom Geiste der Lästerung versucht und grübelte darüber nach, wie doch die Urteile Gottes ungerecht seien, wie die Guten in Kummer und die Schlechten in Freuden lebten. Da erschien ihm ein Engel in Menschengestalt und sprach zu ihm: "Folge mir, denn Gott schickt mich, daß du mit mir gehest und ich dir den verborgenen Sinn seiner Urteile zeige." Und er führte ihn in das Haus eines biederen Mannes, der sie wohlwollend und gastfreundlich aufnahm und mit allem Nötigen bewirtete. Am anderen Morgen aber entwendete der Engel ihrem Gastfreunde einen Becher, welchen dieser sehr hoch schätzte. Hierüber begann der Eremit zu murren, denn er glaubte, jener sei nicht von Gott gesandt. Die nächste Nacht verbrachten sie im Hause eines Mannes, der ihnen ein schlechter Wirt war und der sie unfreundlich behandelte. Diesem gab der Engel den Becher, den er dem guten Gastgeber gestohlen hatte. Als der Eremit solches sah, wurde er noch betrübter und begann eine noch schlechtere Meinung von seinem Begleiter zu bekommen. Von dort weitergehend nächtigten sie ein drittes Mal im Hause eines guten Mannes, der sie mit großer Freude empfing und ihnen reichlich mit allem Notwendigen aufwartete. Am anderen Morgen gab er ihnen einen jungen Mann, seinen Diener, mit, daß er ihnen den Weg zeige. Diesen stürzte der Engel von einer Brücke herab und ertränkte ihn im Wasser. Als der Eremit solches sah, wurde er traurig und ärgerlich. In der vierten Nacht nahm sie ein trefflicher Mann aufs beste auf, brachte ihnen mit heiterer Miene reichliche Speise und ließ ihnen geeignete Lagerstätten herrichten. Aber das kleine Söhnchen des Gastwirtes, das einzige, das er hatte, begann in der Nacht zu weinen und hinderte sie am Schlafen. Da stand der Engel nächtlicherweile auf und erwürgte den Knaben. Als der Eremit solches sah, glaubte er, sein Gefährte sei der Satan selber und wollte sich von ihm trennen. Jetzt endlich redete der Engel und sprach: "Deshalb hat mich der Herr zu dir geschickt, daß ich dir den verborgenen Sinn seiner Urteile