Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов

Märchen aus Frankreich, Band 1 - Группа авторов


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und dachte häufig an den Becher, wenn er an Gott hätte denken sollen. Deshalb habe ich ihn ihm zu seinem Heile genommen und jenem schlechten Wirte, der uns in seinem Hause übel aufnahm, gegeben, damit er seine Vergeltung noch in diesem Leben empfange, denn im Jenseits wird ihm kein Lohn mehr zuteil werden. Jenen Diener aber habe ich ertränkt, weil er sich vorgenommen hatte, am folgenden Tage seinen Herrn zu töten, und so habe ich unseren guten Gastgeber vor dem Tode errettet, seinen Diener aber vor einer Mordtat, damit er, ohnehin schon ein Mörder dem Vorsatze nach, um etwas weniger in der Hölle bestraft werde. Unser vierter Gastfreund endlich tat viel Gutes, ehe er den Sohn hatte und bewahrte alles, was er an Lebensmitteln und Kleidung erübrigte, für die Armen auf; als aber sein Knabe geboren war, zog er seine Hand von den Werken der Barmherzigkeit zurück und bestimmte alles für seinen Sohn. Ich habe ihm den Anlaß zur Habsucht genommen und gleichzeitig die Seele des unschuldigen Kindes ins Paradies gebracht." Als der Eremit solches hörte, wurde er von jeder Versuchung befreit und begann die Urteile Gottes, deren Sinn verborgen ist, mit lauter Stimme zu preisen.

      Der Wolf in der Vorratskammer

      Es wird erzählt, daß der Fuchs den mageren Wolf überredete, ihm in eine Vorratskammer Stehlens halber zu folgen. Der Wolf aber fraß so viel, daß er durch die enge Öffnung, die ihm Einlaß gewährt hatte, nicht mehr herauskonnte, und er mußte so lange fasten, bis er seine ehemalige Magerkeit wieder erreicht hatte. Er wurde indes überrascht und geprügelt und mußte unter Zurücklassung seines Pelzes flüchten.

      Der büßende Räuber

      In einem Hause jenseits des großen Sees bei Neuenburg in der Diözese Lausanne wohnte ein Geistlicher namens Wilhelm, der wegen der Wunder, die Gott um seinetwillen gewirkt haben soll, für heilig gilt. Ein Ritter, der ihn besuchte, fragte ihn, warum er sich so durch Fasten, Tränen und Bußhemden abtöte und abmühe. Der Geistliche antwortete, es drohe ihm am Tage des Gerichts ein Flammenmeer von der Größe des Sees, und es bedürfe der ganzen Kraft seiner Buße, um dem höllischen Feuer zu entgehen. Und er erzählte als Beispiel, daß ein Räuber, der seinen Gegnern entfloh, sich in Gestalt des Kreuzes zu Boden warf, als er sah, daß kein Entrinnen mehr möglich sei, und bekannte, er habe den Tod wohl verdient; weil er Gott beleidigt habe. Er weinte darüber, gestand, daß er ein Sünder sei und bat seine Verfolger, daß sie, um Gott mit ihm zu versöhnen, seine Glieder der Marter preisgäben. Einem Eremiten, der schon viele Jahre in den Bergen büßend verbracht hatte, wurde offenbart, wie Engel die Seele dieses Räubers unter Lobgesängen in den Himmel trugen. Dafür wußte der Eremit Gott keinen Dank, sondern er ärgerte sich und bedachte, daß er, der sich allen Kasteiungen ausgesetzt habe, auf gleichen Lohn für seine Buße Anspruch habe. Als aber seine Tage gezählt waren, überschritt er einen Bach, glitt von der Brücke und verschwand in den Wogen, und Teufel trugen seine Seele zur Hölle.

      Der König und der Weise

      Ein König hatte in seinem Lande einen weisen und reichen Mann wohnen, fand aber keine Gelegenheit, aus ihm Geld herauszupressen. Da richtete er drei Fragen an ihn, die er lösen müsse, wenn er nicht eine gewaltige Summe Geldes zahlen wolle. Die Fragen aber schienen unlösbar zu sein. Die erste war: wo der Mittelpunkt der Erde sei? Die zweite: wieviel Maß Wasser das Meer enthalte? Die dritte: wie groß die Barmherzigkeit Gottes sei? Am bestimmten Tage nun wurde der Weise in Anwesenheit des gesamten Hofes aus dem Kerker, in welchem er gefangen gehalten wurde, herbeigeholt, um sich loszukaufen, wenn er nicht die erwähnten Aufgaben löse. Da stieß er mit dem Stab auf den Boden und sagte: "Hier ist der Mittelpunkt der Welt. Widerlege es, wenn du kannst. Willst du, daß ich das Maß des Meeres ausmesse, so halte die Flüsse und alle Wasser an, damit sie nicht ins Meer dringen, bis ich es ausgemessen und dir die Zahl der Maße gesagt habe. Die dritte Aufgabe werde ich lösen können, wenn du mir deine Gewänder abtrittst, damit ich vom Thronsessel aus meine Antwort gebe." Hierauf, als er sich auf dem Thronsessel und in königlichem Schmucke befand, sagte er: "So höret und sehet die Erhabenheit von Gottes Erbarmung, denn ich war eben ein Sklave, nun bin ich ein König geworden, eben war ich arm, nun bin ich reich, eben war ich in der Tiefe, nun bin ich erhöht, eben in Kerker und Ketten, nun aber in Freiheit." So ist der Mittelpunkt der Barmherzigkeit Gottes überall im gegenwärtigen Leben, seiner Gnaden ist keine Zahl und seine Erhabenheit und Allgegenwart äußert sich darin, daß der Sünder aus den Fesseln und Gefängnissen der Sünde durch den Weg der Buße zum Himmelreiche gelangt.

      Crescentia

      Wir lesen, daß ein römischer Kaiser eine wunderschöne unde ngelreine Gemahlin hatte, welche er, da er in Amtsgeschäften verreisen mußte, mitsamt seinem Lande seinem Bruder zur Verwahrung übergab. Der Bruder bedrängte sie, durch ihre Schönheit verlockt, mit Versprechungen, Drohungen und Gewalt. Da sie ihn aber verschmähte und sich tapfer gegen ihn wehrte, so verklagte sie der Bruder nach der Rückkehr des Kaisers bei diesem, indem er sein Verbrechen auf sie zu wälzen trachtete. Der Gatte schenkte dem Verleumder ohne weiteres Glauben, mißhandelte die Frau, als sie ihm entgegeneilte, mit Füßen und Fäusten und übergab sie zwei Sklaven, damit sie sie heimlich in den Wald führten und enthaupteten. Diese wollten ihr, durch ihre Schönheit verleitet, gerade Gewalt antun, während sie sich aus Leibeskräften wehrte und die Hilfe der heiligen Jungfrau, der sie ergeben diente, mit lauter Stimme anrief, als ein fremder Edelmann vorüberkam. Er hörte das Geschrei, lief herzu, befreite sie und tötete die Sklaven. Sie selbst aber nahm er mit sich und betraute sie mit den Obliegenheiten einer Hausfrau, indem er ihr seinen Sohn zur Pflege überließ. Unterdessen bedrängte sie der Bruder ihres neuen Herrn. Da sie aber nicht einverstanden war, sondern sich tapfer mit den Fäusten wehrte und ihm blutige Striemen beibrachte, erwürgte dieser, während sie schlief, den neben ihr ruhenden Sohn des Bruders, um die ihm zugefügte Unbill zu rächen. Daraufhin überlieferte sie ihr Herr einigen Schiffern, welche sie in ewige Verbannung führen sollten. Diese wollten sie vergewaltigen und dann ins Meer werfen, setzten sie aber auf ihre Bitte hin auf einer Insel an Land, wo ihr die selige Jungfrau erschien, die sie tröstete und ihr ein gewisses Kraut zeigte, welches die schlimmsten Krankheiten zu heilen vermochte, besonders aber wurden die Aussätzigen durch diese Pflanze geheilt, vorausgesetzt, daß sie ihre Sünden beichteten. Das Gerücht von einer solchen Heilkraft drang bis zu den Ohren ihres Herrn. Er führte seinen Bruder – jenen, der ihr hatte Gewalt antun wollen und das Kind getötet hatte und nun zur Strafe aussätzig geworden war – zu ihr. Sie erkannte beide und sagte, selbst unerkannt, daß es zu einer solchen Heilung zunächst der Beichte des Kranken in Gegenwart seines Bruders bedürfe. Da jener aber das vorher erwähnte Verbrechen nicht erwähnte, so nützte die Medizin nichts. Nun sagte sie vor allem Volke, daß der Kranke bisher eine Sünde verheimlicht habe und daß infolgedessen die Heilung verhindert werde. Da ermahnte ihn der Bruder und beschwur ihn, alles zu gestehen, und jener enthüllte sein Vergehen und wurde geheilt. Als der Kaiser dieses Wunder erfuhr, ließ er sie, da sein Bruder gleichfalls hochgradig aussätzig geworden war, zu sich kommen und bat sie unter großen Ehrungen um die Heilung seines Bruders. Sie entgegnete, daß sie ihn nur dann heilen könne, wenn er seine Schuld vor aller Welt bekenne. Da er anderes gestand, das, was er gegen sie gefehlt hatte, aber verheimlichte, so wurde er nicht eher geheilt, bis er auf das Drängen des Kaisers hin das gegen sie begangene Verbrechen beichtete. Der Kaiser war untröstlich, da er sie nicht erkannte. Als der Bruder geheilt war, berief sie den Kaiser zu sich und besänftigte seinen Zorn gegen jenen. Er aber erkannte sie während der Unterredung an gewissen Zeichen, nahm sie wieder auf, und aller Schmerz wurde in Freude verwandelt. Die Kaiserin wurde später Nonne und diente auf das Ergebenste der seligsten Jungfrau Maria.

       Cleomades und das hölzerne Pferd

      Im Lande Afrika herrschten einst drei reiche Könige. Ihre Länder waren benachbart und die Könige waren einander freundschaftich zugetan. Sie waren aber alle drei erfahren in der schwarzen Kunst und in der Sternkunde. Melocandis und Baldigant waren weise, edel, schön und ritterlich, aber den dritten, welcher Crompart hieß, verunzierte ein Buckel, seine Augen lagen tief im Kopf und


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