Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов
Gnadenhand kühlt sie das Feuer seiner Schläfen.
Ein Mönch hatte von draußen diese Vorgänge mit angesehen und heimlich den Abt geholt. Dieser ließ am anderen Tage den Laienbruder vor sich laden. Der Arme erschrak zu Tode, denn er glaubte, er solle wegen seines Müßiggangs vertrieben werden. Er fiel also voll Zagen vor dem Abt auf die Knie und sprach: "O Herr, ich weiß, ich kann hier nicht bleiben, doch ich will tun, was ihr befehlt. Ich will hinaus ins Elend gehen!" Doch der Abt neigte sich voll Ehrfurcht, küßte ihn und bat ihn, zu Gott für ihn und die Brüder zu beten, damit sie einst von seinen Gnaden erben möchten. Da ward der Arme vor Freude krank und kam zu sterben. Als aber sein letztes Stündlein gekommen war, da trugen der Engel Scharen den Tänzer Unserer lieben Frau zum allerhöchsten Sternenzelt.
Der Judenknabe
Die Juden, die überall in der Welt verstreut sind, hatten sich wie in jeder anderen guten Stadt, so auch in Bourges niedergelassen und lebten dort nach ihrem Gesetz. Nun geschah es, daß die schöne Osterzeit nahte, und alle Welt feierte mit Glockentönen und Gesängen die Auferstehung des Herrn. Männer, Frauen und Kinder eilten in freudiger Hast zum Münster und siehe, ein kleiner Judenknabe folgte den Gespielen in das Gotteshaus, wie er ihnen sonst zum Spiele nachlief. Er trat in den hohen Dom, da glänzten die Bilder, gleißend von Gold, da funkelten die Gefäße, da glühten die Kerzen, und Freude ergriff das Büblein, das zuvor nie solches sah. Er tat den anderen Kindern alles nach: bald schlug er sich an die Brust, bald bekreuzte er sich und dann warf er sich nieder in den Staub. Zwischendurch betrachtete er die Bilder und besonders gefiel ihm eines: das war eine hoheitsvolle Frau, die einen lächelnden Knaben an ihrer Brust hielt. Als der Gottesdienst zu Ende war, ging alt und jung zum heiligen Abendmahl, und jeder schlug sich demütig vor dem Sakrament für seine Missetaten an die Brust und flehte aus Herzensgrund um Erbarmen. Das Kind trat mit den andern Christen vor und empfing den Leib des Herrn, ohne zu wissen, was es tat. Dabei kam es ihm vor, als ob das Bild der glorreichen Jungfrau und Mutter aus seinem Rahmen heraustrete und hinter dem Priester hergehend die Speise austeilen helfe.
Indessen machten sich Vater und Mutter auf die Suche nach dem Knaben, überall auf den Straßen fragten sie nach ihm und jammerten, denn sie glaubten, er sei ihnen genommen worden. Während noch der Schmerz ihr Herz zerriß, traten die Christen, das Herz voll Festesfreude, aus dem Gotteshaus. Das Judenbüblein eilte heim und lief seinen Eltern entgegen. Da fragte der Vater mit bösem Blick, wo es gewesen sei, und das Knäblein antwortete furchtsam, es sei mit den andern Kindern im Dom des Herrn gewesen und habe vor dem goldenen Altar mit den andern gespeist. Als der Vater hörte, daß das Kind die Kommunion empfangen habe, da knirschte er vor Wut mit den Zähnen. Ganz in der Nähe stand ein Glasofen mit loderndem Feuer. Der Vater packte den Knaben unter den Armen und warf ihn in die Flammen, dann versperrte er den Ofen von außen, damit der Körper zu Asche werde. Die Mutter des Knäbleins aber raufte vor Schmerz ihre Haare und schrie, so daß das Volk zusammenströmte und nach der Ursache ihres wilden Gebarens fragte. Da erzählte sie den Leuten die Missetat ihres Mannes. Die Leute öffneten den Ofen mit Gewalt und blickten in die flackernde Glut und siehe: der Knabe war heil und unversehrt. Zwar züngelten die Flammen an ihm herauf, von allen Seiten umleckte ihn das Feuer, aber er spielte mit den Funken, als seien es Blümlein auf grüner Au. Da faßte die Menge freudiges Staunen, und sie fragten das Knäblein, wie ihm bei der Marter zumute gewesen sei? "Marter?" erwiderte er, "ich fühlte keine! Als sich der Ofen schloß, da erschien die hehre Frau, die ich dort im Münster bei den Christen geschaut, wie sie dem Priester half, die Speise auszuteilen. Sie stand neben mir und hielt einen lächelnden Knaben an ihrer Brust, mitten im Feuer stand sie, und mit ihrem weiten Mantel wehrte sie die Flammen von mir ab. Ich habe weder Schmerz noch Pein gefühlt. Wie durch einen blühenden Garten schritt sie durch die Glut, wahrhaftig, das muß eine gute und heilige Frau sein!" Als die Leute dieses hörten, da lobten sie Gott und seine glorreiche Mutter. Der alte Jude wurde in den Ofen geworfen und zu Asche verbrannt, wie er es verdient hatte, die Mutter aber ließ sich nebst ihrem Söhnlein taufen, und das gleiche taten viele Juden um der seligsten Jungfrau Maria willen, die den Judenknaben vor dem Feuertod gerettet hatte.
Die Nonne und der Ritter
Einst lebte in einer Abtei, deren Sakristanin sie war, eine Nonne von heiligmäßigem Wandel; ihr ganzer Sinn war auf gute Werke gerichtet, sie betete fleißig und ehrte Gott und seine Heiligen, vor allem aber verehrte sie Tag und Nacht die Mutter Gottes. Jedesmal, wenn die gewohnte Stunde gekommen war, kniete sie allein vor dem Bilde Unserer lieben Frau nieder und bat sie um Vergebung für ihre Sünden. Der Dienst Mariens war ihre einzige Speise, und um die Dinge dieser Welt sorgte sie sich nicht. Ihre guten Werke würdigten sie so, daß sie eine Freundin Gottes und der heiligen Jungfrau, der sie diente, wurde. So groß war ihre Begnadung, daß die Kranken zu ihr kamen und Genesung fanden, wenn ihre Hand sie berührte. Lange Zeit verharrte sie so im Wohltun, bis der Teufel, der das Gute wo er kann vernichtet, sie versuchte und schließlich zu Fall brachte. Ein Ritter entführte sie aus dem Kloster und verlockte sie durch Versprechungen, daß sie sich ihm ganz zu eigen gab. Sie vergaß ihren Eid und warf ihr Ordensgewand vor dem Bild der Himmelskönigin beiseite, sie floh das Licht und tauchte in die Finsternis. Wie ein Wanderer, dem die Kerze verlöscht, auf nächtlichen Pfaden in den Abgrund stürzt, so wandelte sie die finsteren Wege der Welt, die ins endlose Feuer führen.
Zwei Jahre verharrte sie in sündiger Fleischeslust, aber dann erinnerte sie sich plötzlich ihrer Meisterin und Freundin, der heiligen Jungfrau, welche sie feige verlassen hatte. Sie ward freudenlos und krank, als sie ihrer Untreue gedachte. Es kam ein Tag, da ihr Geliebter sie mit harten Worten tadelte, sie eine entlaufene Nonne schalt und ihr aus Eifersucht ihren Fehl und ihren Wandel vorhielt. Schmerzbewegt erwiderte sie ihm: "Ihr redet wahr! Ich bin noch schlechter, als jemand mich schelten könnte. Nun ist mir recht geschehen, wohl habe ich Tadel verdient, da ich mich von Gott und der erhabenen Herrin abgewendet habe, die mich würdigte ihre Ärztin zu sein. Aber Gott ist nicht tot. Wenn ich mich bemühe, ihm wieder zu dienen und meine Sünden bereue, so kann mir vielleicht Vergebung werden, denn Gott verheißt dem reumütigen Sünder Erbarmen."
Wie eine Irrsinnige eilte sie von hinnen und lief so lange, bis sie zu ihrer Rechten den Turm einer weißen Abtei gewahrte. Dorthin wandte sie sich und traf zufällig den Abt vor der Tür, der sich, als er sie in Tränen sah, vor ihr erhob. Sie warf sich ihm zu Füßen, er aber richtete sie auf und vergoß Tränen des Mitleids. Weinend bekannte sie ihm ihren Kummer und ihre Schuld. Der gute Abt sah durch ihr Antlitz in ihr Herz und sprach: "Schwester, oft wählt man den unrechten Weg und Gott läßt es zu, daß der strauchelt, den er liebt, damit er sich neu gestärkt erhebe. So müßt auch Ihr Euch erheben und Buße tun, durch die Ihr die Verzeihung Gottes und seiner Mutter finden werdet, die mit freigebiger Hand ihr Erbarmen dem reuigen Sünder spenden." "Herr, ich bin bereit, meinen armseligen Leib zu geißeln, meinen Leib, der der Urgrund meiner Sünden ist. Ach, wenn es sein könnte, daß ich wieder Gottes Freundin würde, nie wollte ich ihn wieder erzürnen." "Liebe Freundin, ich werde Euch sagen, wie Ihr Buße tun sollt. Ich befehle Euch im Namen Gottes, daß ihr wieder in Euer Vaterhaus zurückkehrt und dort in Einsamkeit und Buße lebt. Je mehr Ihr aber leidet, desto größere Gnade werdet Ihr erlangen. So sehr sollt Ihr Euch demütigen, daß Ihr Eure Schwestern um Verzeihung bittet." "Herr, das kann ich nicht! Lieber lasse ich mich zerstückeln! Ich bin eine Edeldame dieses Landes, und mein Vater würde mich töten, wenn er mich wiedersähe. Die Gemeinen würden mit Fingern auf mich weisen und überall würde meine Schandtat bekannt. Gebt mir, Herr, eine Buße, die meinen Leib mehr quält und mir mein Leben härter macht!" "Liebe Freundin, Ihr müßt dies tun, Gott wird Euch trösten und stärken. Eine andere Buße kann ich Euch nicht geben, geht in Frieden, und ich sage Euch, daß sich Eure Missetat zum Guten wenden wird." "So werde ich Eurem Befehle nachkommen, Herr! Ich lege mein Leben in Gottes und der heiligen Jungfrau Hand. Möge ihr Erbarmen über mir Unwürdigen erscheinen, und sende mir Gott baldigen Tod!" Sie ging und zerraufte sich mit den Händen das Haar. Einsame Wege wanderte sie und sprach weinend ihr Gebet: "Herrin, Königin der Majestät, süße Herrin! Im Tempel deiner Jungfrauschaft weilte Gottes Sohn und wollte sich nicht von dir trennen, denn wie eine süße Blume duftet deine Reinheit. Bewahre meinen Leib und meine