Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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schwer­lich die Auf­re­gung, die ihm eine sol­che Freu­de wie die sei­ner Re­ha­bi­li­tie­rung ver­ur­sa­chen wür­de, aus­hal­ten könn­te, denn er war täg­lich Zeu­ge des See­len­jam­mers die­ses ar­men Men­schen, der im­mer noch an sei­nen un­beug­sa­men An­schau­un­gen über die Kri­da­re fest­hielt, und an des­sen Kräf­ten je­der Tag zehr­te. Für Cäsar war sei­ne kauf­män­ni­sche Ehre wie eine Lei­che, für die es den Tag ih­rer Au­fer­ste­hung ge­ben konn­te. Die­se Hoff­nung ließ sei­nen Kum­mer nie ein­schla­fen. Pil­ler­ault be­schloß, sei­nen Nef­fen auf die gu­ten Nach­rich­ten lang­sam vor­zu­be­rei­ten. Als Bi­rot­teau bei ihm ein­trat, über­leg­te er ge­ra­de, wie er das be­werk­stel­li­gen könn­te. Es er­schi­en ihm da­her die Freu­de, mit der der An­ge­stell­te von dem In­ter­es­se, das ihm der Kö­nig be­zeugt hat­te, er­zähl­te, ein gu­tes Vor­zei­chen, und das Er­stau­nen über den An­blick Cäsa­ri­nes in der Ro­sen­kö­ni­gin ein vor­treff­li­cher An­laß zu sein, die Sa­che zur Spra­che zu brin­gen.

      »Weißt du, wes­halb du sie dort ge­se­hen hast, Cäsar? Weil Po­pi­not mit der Hoch­zeit nicht län­ger war­ten will. Du hast nicht das Recht, um dei­ner über­trie­be­nen An­sich­ten über kauf­män­ni­sche Red­lich­keit wil­len die Ju­gend dei­ner Toch­ter hin­schwin­den zu las­sen bei tro­ckenem Brot mit dem Duft ei­nes gu­ten Di­ners in der Nase. Po­pi­not will dir das Geld zur völ­li­gen Be­zah­lung dei­ner Gläu­bi­ger ge­ben.«

      »Er will sich also sei­ne Frau kau­fen«, sag­te Bi­rot­teau.

      »Ist das etwa nicht eh­ren­haft ge­han­delt, wenn er sei­nen Schwie­ger­va­ter re­ha­bi­li­tiert se­hen will?«

      »Au­ßer­dem wür­de das An­laß zu Dif­fe­ren­zen ge­ben. Üb­ri­gens …«

      »Üb­ri­gens«, sag­te der On­kel und stell­te sich zor­nig, »hast du wohl das Recht, dich auf­zu­op­fern, aber nicht dei­ne Toch­ter.«

      Es ent­spann sich eine leb­haf­te Dis­kus­si­on, die Pil­ler­ault ab­sicht­lich noch hef­ti­ger ge­stal­te­te.

      »So,« rief Pil­ler­ault, »und wenn Po­pi­not dir nichts leiht, son­dern dich als sei­nen So­zi­us an­sieht, wenn er das Geld für dei­ne Gläu­bi­ger als einen Vor­schuß auf dei­nen Ge­winnan­teil be­trach­tet, um dich nicht zu schä­di­gen …«

      »So wür­de es aus­se­hen, als ob ich im Ein­ver­ständ­nis mit ihm mei­ne Gläu­bi­ger be­tro­gen hät­te.«

      Pil­ler­ault tat jetzt so, als ob er sich durch die­ses Be­den­ken für ge­schla­gen hielt. Er kann­te das mensch­li­che Herz ge­nü­gend, um zu wis­sen, daß der eh­ren­haf­te Mann bei Nacht in be­zug auf die­sen Punkt mit sich selbst kämp­fen, und daß die­ser in­ne­re Streit ihn an den Ge­dan­ken der Re­ha­bi­li­tie­rung ge­wöh­nen wür­de.

      »Aber wie­so«, sag­te er, als sie bei Tisch wa­ren, »sind mei­ne Frau und mei­ne Toch­ter in mei­ner al­ten Woh­nung ge­we­sen?«

      »An­selm will sie für sich und Cäsa­ri­ne mie­ten. Dei­ne Frau stimmt ihm zu. Sie ha­ben, ohne es dir zu sa­gen, ihr Auf­ge­bot be­stellt, um dei­ne Ein­wil­li­gung zu er­zwin­gen. Po­pi­not be­haup­tet, es wäre sei­ner we­ni­ger wür­dig, wenn er Cäsa­ri­ne erst nach dei­ner Re­ha­bi­li­tie­rung hei­ra­te­te. Die sechs­tau­send Fran­ken vom Kö­ni­ge nimmst du an, aber von dei­ner Fa­mi­lie willst du nichts an­neh­men! Wenn ich dir nun eine Quit­tung ge­ben woll­te, daß ich al­les er­hal­ten habe, wür­dest du das auch ab­leh­nen?«

      »Nein,« sag­te Cäsar, »aber das wür­de mich nicht ab­hal­ten, wei­ter zu spa­ren, um Sie, trotz der Quit­tung, zu be­zah­len.«

      »Al­les das sind Spitz­fin­dig­kei­ten,« sag­te Pil­ler­ault, »im Punk­te der Ehren­haf­tig­keit den­ke ich doch wohl sel­ber stren­ge ge­nug. Was hast du eben für eine Dumm­heit ge­sagt? Du wür­dest dei­ne Gläu­bi­ger be­trü­gen, wenn du sie voll­stän­dig be­zahl­test?«

      Cäsar sah Pil­ler­ault prü­fend an, und Pil­ler­ault war ge­rührt, da er zum ers­ten­mal seit drei Jah­ren ein vol­les Lä­cheln das be­küm­mer­te Ant­litz sei­nes ar­men Nef­fen be­le­ben sah.

      »Es ist wahr,« sag­te er, »sie wür­den be­zahlt sein. Aber das heißt doch, mei­ne Toch­ter ver­kau­fen!«

      »Und ich will auch er­kauft sein«, rief Cäsa­ri­ne, die mit Po­pi­not her­ein­ge­tre­ten war.

      Die bei­den Lie­ben­den hat­ten die letz­ten Wor­te des Ge­sprächs mit an­ge­hört, als sie lei­se, ge­folgt von Frau Bi­rot­teau, durch das Vor­zim­mer der klei­nen Woh­nung des On­kels ge­kom­men wa­ren. Alle drei wa­ren bei den noch zu be­zah­len­den Gläu­bi­gern her­um­ge­fah­ren, um sie auf den Abend zu Alex­an­der Crot­tat zu be­stel­len, wo die Quit­tun­gen vor­be­rei­tet wa­ren. Die kraft­vol­le Lo­gik des ver­lieb­ten Po­pi­not sieg­te über Cäsars Skru­pel, der sich im­mer noch als Schuld­ner be­zeich­ne­te und be­haup­te­te, mit sol­chen neu­en Ge­schich­ten wür­de das Ge­setz um­gan­gen. Und er ließ sei­ne Ge­wis­sens­be­den­ken erst fah­ren, als Po­pi­not aus­rief: »Sie wol­len also Ihre Toch­ter tö­ten?«

      »Ich, mei­ne Toch­ter tö­ten?!« sag­te Cäsar per­plex.

      »Ich bin doch be­rech­tigt,« sag­te Po­pi­not, »eine Schen­kung un­ter Le­ben­den an Sie in der Höhe des Be­tra­ges zu ma­chen, den Sie nach mei­ner ehr­li­chen Über­zeu­gung bei mir gut ha­ben. Wür­den Sie mir das ab­leh­nen?«

      »Nein«, sag­te Cäsar.

      »Also dann ge­hen wir heu­te abend zu Alex­an­der Crot­tat, und da­mit das auch gleich er­le­digt wird, wer­den wir gleich­zei­tig un­sern Ehe­kon­trakt dort auf­set­zen las­sen.«

      Der An­trag auf Re­ha­bi­li­ta­ti­on und alle dazu er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen wur­den von Der­ville dem Ge­ne­ral­staats­an­walt beim Ober­ge­richt un­ter­brei­tet. Wäh­rend des Mo­nats, den die er­for­der­li­chen For­ma­li­tä­ten und das Auf­ge­bot Cäsa­ri­nes und An­selms in An­spruch nah­men, be­fand sich Bi­rot­teau in fie­ber­haf­ter Er­re­gung. Er leb­te in ewi­ger Un­ru­he, er fürch­te­te, den Tag nicht mehr er­le­ben zu kön­nen, an dem das Ur­teil ge­spro­chen wer­den wür­de. Er be­klag­te sich über Herz­klop­fen, ohne daß ein Grund da­für vor­lä­ge, und über dump­fe Schmer­zen in die­sem Or­gan, das von den schmerz­li­chen Auf­re­gun­gen und jetzt von die­ser über­schweng­li­chen Freu­de ab­ge­nutzt und über­an­strengt war. Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­ur­tei­le sind bei dem Ober­ge­richt von Pa­ris eine so sel­te­ne Sa­che, daß alle zehn Jah­re kaum eins ge­fällt wird. Für die­je­ni­gen, die die Ge­sell­schafts­ord­nung ernst neh­men, hat das Ge­richts­ver­fah­ren eine ge­wis­se Grö­ße und Be­deu­tung. Die In­sti­tu­tio­nen hän­gen völ­lig von dem Ge­fühl ab, das die Men­schen in be­zug auf sie be­seelt, und von der Be­deu­tung, die sie ih­nen bei­le­gen. Wenn das Volk da­her, wenn schon kei­ne Re­li­gi­on, aber auch kei­nen Glau­ben mehr hat, wenn bei der Er­zie­hung von An­fang an je­des er­hal­ten­de Band ge­löst wird, in­dem man das Kind dar­an ge­wöhnt, al­les rück­sichts­los zu zer­fa­sern, dann be­fin­det sich eine Na­ti­on im Zu­stan­de der Auf­lö­sung, denn sie hängt nur noch durch die ge­mei­ne Fes­sel der ma­te­ri­el­len In­ter­es­sen zu­sam­men und durch die Vor­schrif­ten des Göt­zen­diens­tes, den der wohl­ver­stan­de­ne Ego­is­mus ge­schaf­fen hat. Er­füllt von re­li­gi­ösen An­schau­un­gen, nahm Bi­rot­teau


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