Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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und die­sen Mann nicht un­glück­lich zu ma­chen, hat Bi­rot­teau zwei­fel­los die drei­tau­send Fran­ken wie­der in die Kas­se ge­tan, das Geld für die­sen Kasch­mir­schal, den ich des­halb erst drei Jah­re spä­ter be­kom­men habe. Da­her mein Aus­ruf. Ach, lie­bes Kind, ich will Ih­nen auch noch mein kin­di­sches Be­neh­men er­klä­ren; du Til­let hat­te mir drei Lie­bes­brie­fe ge­schrie­ben, die ihn so tref­fend kenn­zeich­ne­ten,« seufz­te sie und schlug die Au­gen nie­der, »daß ich sie … als eine Sel­ten­heit auf­be­wahrt habe. Ich habe sie nur ein­mal ge­le­sen. Aber im­mer­hin war es un­klug, sie auf­zu­he­ben. Als ich nun du Til­let jetzt wie­der­sah, muß­te ich an sie den­ken; ich ging hin­auf, um sie zu ver­bren­nen, und be­trach­te­te den letz­ten, als Sie her­ein­tra­ten … das ist al­les, mein Lie­ber.«

      An­selm knie­te vor ihr nie­der und küß­te ihre Hand mit ei­nem sol­chen Aus­druck von Ver­eh­rung, daß bei­den die Trä­nen in die Au­gen tra­ten. Sie hob ihn auf, brei­te­te ihre Arme aus und drück­te ihn an ihr Herz.

      Die­ser Tag soll­te ein Freu­den­tag für Cäsar wer­den. Der Ge­heim­se­kre­tär des Kö­nigs, Herr von Van­den­es­se, such­te ihn im Bu­reau auf, um mit ihm zu re­den. Sie gin­gen zu­sam­men in den klei­nen Hof der Schul­den­til­gungs­kas­se.

      »Herr Bi­rot­teau,« sag­te der Vi­com­te von Van­den­es­se, »Ihre Be­mü­hun­gen, Ihre Gläu­bi­ger zu be­zah­len, sind durch einen Zu­fall zur Kennt­nis des Kö­nigs ge­langt. Sei­ne Ma­je­stät, er­freut über eine so sel­te­ne Hand­lungs­wei­se, hat auch er­fah­ren, daß Sie sich nicht für wür­dig hal­ten, Ihr Kreuz der Ehren­le­gi­on zu tra­gen, und hat mich be­auf­tragt, Ih­nen zu be­feh­len, den Or­den wie­der an­zu­le­gen. Au­ßer­dem wünscht Sei­ne Ma­je­stät Ih­nen die Er­fül­lung Ih­rer Ver­pflich­tun­gen zu er­leich­tern und über­mit­telt Ih­nen die­sen Be­trag aus ih­rer Pri­vatscha­tul­le, wo­bei sie be­dau­ert, nicht mehr für Sie tun zu kön­nen. Dies soll aber tie­fes Ge­heim­nis blei­ben; Sei­ne Ma­je­stät fin­det es ei­nes Kö­nigs nicht wür­dig, sei­ne Wohl­ta­ten öf­fent­lich be­kannt zu ma­chen«, sag­te der Ge­heim­se­kre­tär und über­reich­te dem An­ge­stell­ten sechs­tau­send Fran­ken, der wäh­rend die­ser An­spra­che von un­aus­sprech­li­chen Emp­fin­dun­gen be­wegt wur­de.

      Bi­rot­teau ver­moch­te nur un­zu­sam­men­hän­gen­de Wor­te zu stam­meln. Van­den­es­se ver­ab­schie­de­te sich, in­dem er ihm lä­chelnd mit der Hand zu­wink­te. Die Grund­sät­ze, nach de­nen der arme Cäsar han­del­te, sind eine so sel­te­ne Sa­che in Pa­ris, daß sei­ne Le­bens­füh­rung un­merk­lich be­wun­dern­de Auf­merk­sam­keit er­reg­te. Jo­seph Le­bas, der Rich­ter Po­pi­not, Ca­mu­sot, der Abbé Loraux, Ra­gon, der Chef des be­deu­ten­den Hau­ses, in dem Cäsa­ri­ne tä­tig war, Lour­dois, Herr von Bil­lar­diè­re, alle hat­ten da­von er­zählt. Die öf­fent­li­che Mei­nung, die schon zu sei­nen Guns­ten um­ge­schla­gen war, er­hob ihn jetzt in den Him­mel.

      »Das ist ein Ehren­mann!« Die­ses Wort hat­te Cäsar schon mehr­mals ver­nom­men, wenn er durch die Stra­ßen ging, und es hat­te die­sel­be Emp­fin­dung bei ihm ver­ur­sacht, die ein Au­tor hat, wenn er sa­gen hört: »Das ist er!« Die­ser gute Ruf war ein töd­li­cher Schlag für du Til­let. Als Cäsar die vom Kö­nig ge­sand­ten Kas­sen­schei­ne emp­fing, war sein ers­ter Ge­dan­ke, sei­nen ehe­ma­li­gen Kom­mis da­mit zu be­zah­len. Er be­gab sich nach der Rue de la Chaus­sée d’An­tin und be­geg­ne­te dem Ban­kier, der ge­ra­de heim­kehr­te, auf der Trep­pe.

      »Na, ›mein ar­mer‹ Bi­rot­teau?« sag­te die­ser in gön­ner­haf­tem Tone.

      »Ar­mer?« rief der Schuld­ner stolz aus. »Ich hal­te mich für reich. Ich wer­de heu­te abend mein Haupt mit dem stol­zen Be­wußt­sein auf die Kis­sen le­gen, daß ich mei­ne Schuld bei Ih­nen be­zahlt habe.«

      Die­se von Ehren­haf­tig­keit dik­tier­ten Wor­te wa­ren ein schmerz­haf­ter Stich für du Til­let. Trotz des all­ge­mei­nen An­se­hens, das er ge­noß, konn­te er selbst sich nicht ach­ten; und eine un­über­hör­ba­re in­ne­re Stim­me rief ihm zu: »Die­ser Mann han­delt er­ha­ben!«

      »Sie wol­len mich be­zah­len? Was für gute Ge­schäf­te ha­ben Sie denn ge­macht?«

      Über­zeugt, daß du Til­let es nicht wei­ter er­zäh­len wür­de, sag­te der ehe­ma­li­ge Par­füm­händ­ler: »Ich wer­de nie­mals wie­der Ge­schäf­te ma­chen, Herr du Til­let. Kei­ne mensch­li­che Macht konn­te vor­her­se­hen, was mir pas­siert ist. Wer kann wis­sen, ob ich nicht das Op­fer ei­nes an­dern Ro­guin wer­den könn­te? Aber mein Ver­hal­ten ist dem Kö­ni­ge be­kannt ge­wor­den, sein gü­ti­ges Herz hat sich her­ab­ge­las­sen, Mit­leid mit mei­nen An­stren­gun­gen zu ha­ben, und er hat mich dazu wei­ter er­mu­tigt, in­dem er mir so­eben eine ziem­lich be­deu­ten­de Sum­me zu­ge­stellt hat, die …«

      »Wün­schen Sie eine Quit­tung?« frag­te du Til­let, ihn un­ter­bre­chend; »wie­viel wol­len Sie zah­len …«

      »Al­les ohne Ab­zug, auch die Zin­sen, und des­halb will ich Sie bit­ten, mich zwei Schrit­te von hier zu Herrn Crot­tat zu be­glei­ten.«

      »Eine no­ta­ri­el­le Quit­tung?«

      »Herr du Til­let,« sag­te Cäsar, »es ist mir doch nicht ver­bo­ten, an mei­ne Re­ha­bi­li­tie­rung zu den­ken, und dazu sind au­then­ti­sche Un­ter­la­gen er­for­der­lich! …«

      »Also kom­men Sie schnell,« sag­te du Til­let und ging mit Bi­rot­teau hin­aus, »es sind ja nur ein paar Schrit­te. Aber wo neh­men Sie so­viel Geld her?«

      »Ich neh­me es nicht,« sag­te Cäsar, »ich er­ar­bei­te es mir im Schwei­ße mei­nes An­ge­sichts.«

      »Sie schul­den aber der Fir­ma Cla­paron eine rie­si­ge Sum­me.«

      »Ach ja, das ist mein größ­ter Schuld­be­trag. Ich fürch­te, ich wer­de vor Kum­mer dar­über zu­grun­de ge­hen.«

      »Sie wer­den das nie­mals be­zah­len kön­nen« sag­te du Til­let hart.

      »Er hat recht«, dach­te Bi­rot­teau.

      Als der arme Mann heim­kehr­te, ging er aus Ver­se­hen durch die Rue Saint-Ho­noré, denn er mach­te sonst im­mer einen Um­weg, um nicht sei­nen La­den und die Fens­ter sei­ner frü­he­ren Woh­nung se­hen zu müs­sen. Zum ers­ten­mal seit sei­nem Stur­ze er­blick­te er jetzt die­ses Haus wie­der, in dem acht­zehn glück­li­che Jah­re durch die Nöte drei­er Mo­na­te weg­ge­wischt wor­den wa­ren.

      »Dort mei­ne Tage be­schlie­ßen zu kön­nen, hat­te ich so si­cher ge­glaubt«, sag­te er sich. Und er be­schleu­nig­te sei­ne Schrit­te, denn er hat­te das neue Schild ge­le­sen:

      Cöles­tin Cre­vel,

       Cäsar Bi­rot­te­aus Nach­fol­ger.

      »Ich sehe nicht mehr rich­tig, war das nicht Cäsa­ri­ne?« rief er aus, da er einen blon­den Kopf am Fens­ter be­merkt hat­te.

      Er hat­te in der Tat sei­ne Toch­ter, sei­ne Frau und Po­pi­not er­blickt. Die Lie­ben­den wuß­ten, daß Bi­rot­teau nie­mals an sei­nem al­ten Hau­se vor­bei­ging. Ah­nungs­los, daß das doch ge­sche­hen kön­ne, wa­ren sie her­ge­kom­men, um ei­ni­ge Vor­be­rei­tun­gen für das Fest, das Cäsar zu­ge­dacht war, zu tref­fen. Die­ser merk­wür­di­ge An­blick setz­te Bi­rot­teau der­ma­ßen in Er­stau­nen, daß er wie an­ge­wur­zelt ste­hen


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