40 Tage mit Dietrich Bonhoeffer. Sandro Göpfert

40 Tage mit Dietrich Bonhoeffer - Sandro Göpfert


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Christ versucht nicht, sich aus sich selbst zu verbessern oder zu erlösen, sondern erwartet alles von Gott her.

      Jesus Christus, das lebendige Wort Gottes, spricht einen Menschen schuldig und überführt ihn seiner Sünde. Aber derselbe Jesus Christus spricht einen Menschen auch frei und gerecht, wenn er seine Sünde bekennt und um Vergebung bittet. Martin Luther hat das in die Begriffe „Gesetz“ und „Evangelium“ gefasst: Das, was Gott von uns will, begegnet uns zum einen als überführender Anspruch und zeigt uns, dass wir nicht so sind, wie wir in Gottes Augen eigentlich sein sollten. Zum anderen ist da aber auch der tröstende Zuspruch – Gott spricht uns frei und gerecht, wenn wir uns bewusst werden, dass wir ohne ihn „arm und tot“ sind. In seinem Buch „Nachfolge“ wird Bonhoeffer später viel vom „konkreten Gebot“ reden, in dem Gottes Wille einem Menschen in einer spezifischen Situation zugleich fordernd und liebevoll begegnet. Christsein gleicht so immer auch einer Kapitulation: Ich erkenne an, dass Gott eben Gott und der Bezugspunkt meines Lebens ist und nicht ich selbst. Ein Christ betreibt nach Bonhoeffer also kein Selbstverwirklichungsprogramm, sondern er macht seinen Lebensanker fest an Jesus Christus, der von außen her („extra nos“) durch sein Wort zu ihm spricht.

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      »Fragen Menschen heute noch nach „Heil“, „Rettung“ und „Gerechtigkeit“?

      »Was bedeutet es praktisch, dass Christen all das bei Jesus finden?

      »Hat Jesus mich schon einmal von mir bewusster Schuld freigesprochen?

      »Lebe ich gern in einer Beziehung zu Jesus?

      »Stecke ich drin im „religiösen Stress“ oder lebe ich aus Gottes Zuwendung?

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      »Ich danke für Jesus, den Christus, der mich zum Christen macht.

      »Ich danke für die Vergebung meiner Sünden und die Gabe des ewigen Lebens.

      »Ich bitte für Menschen, denen es schwerfällt, auf Gott zu vertrauen.

      »Ich bitte, dass Gott mir zeigt, was es für mich persönlich heißt, alles von Christus zu erwarten.

      Tag 2

       Schöpfung

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      „Dass Gott sein Werk ansieht und sein Wohlgefallen an ihm hat, weil es gut ist, das heißt, dass Gott sein Werk liebt und darum erhalten will. Schaffen und Erhalten, das sind zwei Seiten des einen Tuns Gottes; es kann ja nicht anders sein, als dass das Werk Gottes gut ist und dass er das Werk nicht verwirft, vernichtet, sondern liebt und erhält. Im Blicke Gottes kommt sein Werk zur Ruhe, vernimmt es sein Wohlgefallen. Der Blick Gottes bewahrt die Welt vor dem Zurückstürzen ins Nichts, vor der gänzlichen Vernichtung. Der Blick Gottes sieht die Welt als gute, als geschaffene – auch wo sie gefallene Welt ist –, und um des Blickes Gottes willen, mit dem er sein Werk umfängt und nicht lässt, leben wir. Dass Gottes Werk gut ist, heißt keinesfalls, dass sie die beste aller denkbaren Welten ist, sondern es heißt, dass sie ganz vor Gott lebt, dass sie von ihm her und auf ihn hin lebt und dass er ihr Herr ist. […] Dass das Getane, der Zustand, die Verleiblichung des Willens, dass die Welt gut ist, dass Gottes Reich auf Erden sei, dass sein Wille auf der Erde geschehe, Tat werde, darum geht es in der ganzen Bibel. Weil die Welt Gottes ist, darum ist sie gut. Gott will eine gute Welt, ein gutes Werk, er, der Schöpfer und Herr der Welt ist! Die Flucht aus dem geschaffenen Werk in den leiblosen Geist, in die Gesinnung ist untersagt. Gott will sein Werk ansehen, lieben, gut nennen und erhalten.“

       (Schöpfung und Fall S. 43f – DBW 3,42f)

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      „HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter. […] Die Herrlichkeit des HERRN bleibe ewiglich, der HERR freue sich seiner Werke! Er schaut die Erde an, so bebt sie; er rührt die Berge an, so rauchen sie. Ich will dem HERRN singen mein Leben lang und meinem Gott loben, solange ich bin.“ (Ps 104,24.31-33)

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      Der Blick, mit dem man etwas ansieht – ob grundsätzlich wohlwollend oder kritisch –, ist entscheidend. Auch in Bezug auf unsere Welt. Verstehen wir sie als Schöpfung, dann ist natürlich vor allem der Blick des Schöpfers interessant.

      Bonhoeffer betont hier, dass Gott sowohl der Schöpfer als auch der Erhalter seiner Welt ist. Auch das Zweite ist wichtig, weil so deutlich wird, dass Gott diese Welt eben nicht aufgegeben und sich selbst überlassen hat. Gott beteiligt den Menschen sogar in begrenztem Maß an seinem Wirken, indem er ihm Kreativität schenkt und Verantwortung überträgt. Bonhoeffer betont, dass Gottes Blick auf sein Werk ein positiver und (entgegen Vorstellungen aus der griechischen Gnosis) dass seine Schöpfung gut ist, auch wenn sie durch den Einfluss der Sünde in Mitleidenschaft gezogen wird.

      Die Schöpfung gibt uns Hinweise auf die Güte des Schöpfers – und es ist angemessen, dass wir dankbar dafür sind. Dazu kommt die Mit-Verantwortung: Wenn Gott eine Schöpfung liebt, dann kann sie uns nicht gleichgültig sein. Dann sollen wir sie achten, gestalten und Gott im „Buch der Natur“ begegnen. Gottes Ordnungen, ein schöpferisches Wort und sein wohlwollender Blick bewahren die geschaffene und geliebte Welt vor dem Rückfall ins Chaos, ins Tohuwabohu (1Mo 1,2). Schöpfung bedeutet: Diese Welt ist von Gott geschaffen und von Anfang an und dauerhaft auf ihn hin bezogen. Gott spricht und sieht uns mitsamt seiner Schöpfung an – dieses Sprechen und Sehen sind wahrnehmende Handlungen, die Beziehung und Wertschätzung ausdrücken: Die menschliche Mit-Verantwortung für die geschaffene Welt lässt keine Flucht aus der materiellen in eine rein geistliche Welt zu. Bonhoeffer betont, dass es bei Gott und Mensch nie nur um den guten Willen geht, sondern auch um das konkrete Tun, um die Umsetzung des Willens in der Schöpfung und bei den Geschöpfen. Im Auftrag Gottes sind wir in seiner Gegenwart berufen zum Staunen, Bebauen und Bewahren.

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      »Welchen Blick habe ich auf die Welt? Wie denke und rede ich über sie? Wie gehe ich mit ihren Ressourcen um? Ist sie für mich gute Schöpfung Gottes?

      »Kann ich dem Schöpfer und Erhalter dankbar sein für sein Werk?

      »Wo werden zerstörerische Einflüsse sichtbar? Was kann ich dagegen tun?

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      »Ich danke für Gottes Schöpfung und die Ordnung, die er in sie hinein gelegt hat.

      »Ich bitte um einen liebevollen, wertschätzenden Blick auf unsere Mit-Welt.

      »Ich bitte um einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen der Schöpfung.

      »Ich bitte um Gottes Eingreifen gegen alles, was seine gute Welt zerstören will.

      Tag 3

       Sünde

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      „Was ist geschehen? Zunächst dies: Die Mitte ist betreten, die Grenze ist überschritten, nun steht der Mensch in der Mitte, nun ist er ohne Grenze. Dass er in der Mitte steht, heißt, dass er nun aus sich selbst lebt und nicht mehr aus der Mitte heraus, dass er grenzenlos ist, heißt, dass er allein ist. […] Nun lebt er aus sich selbst, nun schafft er sein Leben selbst, ist er sein eigener Schöpfer, bedarf des Schöpfers nicht mehr, ist er selbst Schöpfer geworden, sofern er sein eigenes Leben schafft. Damit ist seine Geschöpflichkeit für ihn erledigt, zerstört. […] Weil aber der


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