Wunsch Traum Fluch. Frances Hardinge

Wunsch Traum Fluch - Frances  Hardinge


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Und dann kommen wir und nehmen die Münzen weg …» Ryan verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, die wohl ein Grinsen sein sollte. «Dieses Wort, das die Wasserfrau immer wieder gesagt hat und das sich irgendwie wie ein Niesen angehört hat – mit viel Rotz dazwischen –, das … na ja, ich glaube fast, das sollte ‹Wünsche› heißen.»

      Josh stöhnte auf, als hätte er mit Verdauungsstörungen zu kämpfen, und krümmte sich, sodass seine Stirn auf dem Rasen ruhte. Er ahnte, was Ryan jetzt sagen würde.

      «Ich glaube …», fuhr Ryan zögernd fort. «Ich glaube, dass die Wasserfrau das Versprechen leistet, die Wünsche zu erfüllen, wenn sie die Münzen annimmt, die in den Brunnen geworfen werden. Und weil wir die Münzen genommen haben, bedeutet das wohl … dass jetzt wir sie erfüllen müssen.»

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      Ein paar Sekunden vergingen in entgeistertem Schweigen.

      «Was? Alle?!», quiekte Chelle. «Können wir nicht einfach … andere Münzen in den Brunnen werfen?»

      Mit einem Schaudern erinnerte sich Ryan an die zischende Entgegnung der Wasserfrau auf diesen Vorschlag. «Ich glaube, diese Frage kann ich mit einem definitiven Nein beantworten», murmelte er.

      «Aber wir können gar nicht alle Wünsche erfüllen – da waren doch unzählige Münzen, und uns bleiben nur noch drei Wochen, bis die Schule wieder anfängt, und außerdem finde ich, dass man ein Warnschild an der Quelle anbringen sollte, für den Fall, dass jemand zufällig ein paar Münzen herausnimmt … Ich finde, die Gemeinde muss etwas tun …»

      Josh richtete sich wieder auf und atmete tief aus. «Also schön, haltet mal beide den Mund und lasst uns nachdenken. Die Wasserfrau hat uns nach Crook’s Baddock geschickt, richtig? Vermutlich, damit wir den Wilden Will finden.»

      «Wahrscheinlich hat er eine Münze in die Quelle von Magwhite geworfen», sagte Ryan. «Es ist doch so, Chelle, dass du nicht jedermanns Gedanken liest, oder? Wenn mir Augen auf den Händen wachsen, damit ich Befehle von dieser Wasserfrau entgegennehmen kann, dann geht es bei deinem Gedankenlesen vielleicht um die Wünsche. Vielleicht soll uns deine Gabe dabei helfen, sie zu erfüllen. Vermutlich hast du Wills Gedanken aufgeschnappt, weil wir seine Wunschmünze gestohlen haben.»

      «Richtig, und es ist wohl keine Frage, was er sich wünscht», murmelte Josh. «Könnte doch schlimmer sein. Er hätte sich auch wünschen können, auf dem Mond zu frühstücken. Eine Harley ist wenigstens etwas Greifbares.»

      «Meint ihr, es reicht vielleicht schon, wenn wir ihm eine Harley-Davidson an die Tür der Teestube lehnen? Wir können sie uns ja von einem der Biker nebenan in der Kneipe ausborgen», schlug Chelle vor.

      «Das bezweifle ich. Er will eine Harley. Wenn wir eine vor seine Tür schieben und er dann von einem wütenden Biker verprügelt wird, der glaubt, dass er seine Maschine klauen will, dann ist das wohl kaum dasselbe, oder?»

      Josh spreizte die Beine und zog die Knie an. Dann streckte er die Arme aus, als wollte er eine unsichtbare Lenkstange packen. Mit einem Ausdruck äußerster Konzentration im Gesicht umklammerte er mit seiner linken Hand einen unsichtbaren Hebel und bewegte seinen rechten Daumen, als würde er einen Knopf drücken. Dann tippte er mit dem linken Fuß auf den Rasen und drehte die rechte Hand langsam nach hinten. «Der Typ aus der Kneipe hat mir gezeigt, wie man ein Motorrad anlässt. Ich versuche nur, mir einzuprägen, wo welcher Knopf ist, für den Fall, dass wir eins klauen müssen.» Er grinste, als sich Chelles Augen zu Teichen von Angst und Entsetzen weiteten. «Keine Sorge. Ich mache bloß Spaß. Größtenteils jedenfalls.»

      «Selbst wenn wir ein Motorrad hätten, könnten wir schlecht einfach bei ihm hereinschneien und es ihm schenken», bemerkte Ryan. «Er würde wahrscheinlich die Polizei rufen.»

      «Was ist …» Chelle zögerte. «Was ist mit diesem Preisausschreiben, an das er gedacht hat – an dem er nicht teilnehmen will, weil er glaubt, dass seine Mutter ihm kein Motorrad erlauben würde. Was wäre, wenn wir in seinem Namen teilnehmen und gewinnen würden. Das würde doch gelten, oder?»

      Ryan suchte nach Worten, um ihr klarzumachen, wie abwegig dieser Plan war, als ihm auffiel, dass diese Idee die am wenigsten bescheuerte war, die ihnen bislang eingefallen war. Es würde wahrscheinlich nicht funktionieren, aber immerhin würden sie deswegen auch nicht hinter Gittern landen.

      «Wir müssten dafür sorgen, dass er gewinnt.» Joshs Stimme war nachdenklich, nicht ablehnend.

      «Aber das können wir doch nicht beeinflussen, oder?», sagte Ryan.

      «Ich weiß nicht. Vielleicht doch.» Josh kniff die Augen zusammen.

      Silverwing hob sich dank seines knallgelben Covers und des schwarzsilbernen Schriftzugs mit dem eingearbeiteten Flügelpaar im Buchstaben «g» von den anderen Zeitschriften ab.

      Nachdem sie das Heft gekauft hatten und wieder auf der Straße waren, blätterten sie es durch, bis sie die Seite mit dem Preisausschreiben gefunden hatten.

      «Ich hatte gehofft, dass man nur einen Coupon ausschneiden und irgendwohin schicken muss», flüsterte Chelle. «Ich hatte ja keine Ahnung, dass so viele Fragen kommen …»

      «Wie groß war der Motor des Harley-Davidson-Prototyps von 1902?», las Ryan.

      «Das können wir doch irgendwo nachschauen», murmelte Josh unsicher.

      «Wir könnten auch raten. Wir könnten zum Beispiel sagen ‹ziemlich groß› oder ‹so groß wie eine Kokosnuss›, vielleicht sind wir dann nah genug dran …»

      «Sei nicht blöd, die wollen das in Kubikzentimetern wissen.» Joshs Nacken wurde rot, während er die Seite überflog.

      «Was ist das denn?» Chelle tippte mit dem Finger auf eine Serie unscharfer Fotografien.

      «Finden Sie die passenden Namen zu den Bildern der Motorräder.» Ryan betrachtete die fleckigen Fotografien. Eine davon zeigte ein Motorrad, das aussah wie ein umgebautes Fahrrad, und andere schienen lediglich Nahaufnahmen von Motorteilen zu sein. «Und wo sollen wir das nachschauen?»

      «Da unten steht auch noch was», sagte Chelle. «Die wollen einen Aufsatz, warum man ein Motorrad gewinnen will. Aber dafür können wir doch einfach die Gedanken von Will Wruthers nehmen, oder?»

      «Das waren keine fünfhundert Worte», murmelte Josh. «Dämlicher Idiot, warum nimmt er nicht selbst an dem Preisausschreiben teil?»

      Die Ampel, neben der sie standen, fing an zu flackern, und das Signal für Sehbehinderte änderte seinen Ton; es wurde eine Oktave tiefer. Josh schien es nicht zu bemerken.

      «Weil er Angst davor hat zu gewinnen», sagte Ryan leise. «Dann hat er nämlich eine Harley und müsste seiner Mutter gestehen, dass er sie behalten will.»

      «Er sollte ihr einfach sagen, dass sie das nichts angeht.»

      «Ja, aber er hat Angst vor ihr. Das merkt man an seinen Gedanken. Ich glaube, er hat in Wirklichkeit Angst vor vielen Dingen, auf die er wütend zu sein scheint. Vor allem vor Menschen. Er hatte sogar ein bisschen Angst vor dir, Josh.» Sobald er Joshs Gesicht sah, bereute Ryan seinen letzten Satz. Er hatte den Eindruck, jemandes Vertrauen missbraucht zu haben.

      «Gib mir mal das Heft», sagte Josh. «Ich gehe noch mal in die Teestube und sorge dafür, dass er die Fragen beantwortet.»

      «Wie denn?», wollte Ryan sofort wissen.

      «Guck nicht so erschrocken! Wartet auf mich an der Bushaltestelle am Marktplatz.» Mit der Zeitschrift unter dem Arm stolzierte Josh davon. Ryan folgte Chelle gehorsam über die Pflastersteinstraße zum Marktplatz.

      «Sollten wir nicht vielleicht zurückgehen und lauschen, damit wir wissen, was Will Wruthers wirklich denkt?», fragte Chelle plötzlich. «Ich meine, ich könnte das, das wäre schon in Ordnung, wirklich, es würde mir nichts ausmachen …»

      Ryan


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