Elfenzeit 4: Eislava. Verena Themsen

Elfenzeit 4: Eislava - Verena Themsen


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alte Mann blinzelte und errötete leicht. »Ach … ich wollte ohnehin mit dem Rauchen aufhören«, sagte er mit einem verlegenen Lächeln. »Es ist ungesund, das weiß doch heute jedes Kind. Aber der Kuss einer Elfe, der muss mindestens zehn Jahre mehr Leben bedeuten.«

      »Vielleicht nicht ganz so viel, aber ein wenig schon.« Rian lächelte leicht. »Ich habe dir einen Hauch von meiner Lebenskraft mitgegeben.«

      Mats blieb der Mund offen stehen. Als er ihn schließlich schloss, atmete er tief durch. »Wenn ich mit hundert noch immer vor meinem Kamin sitze, werde ich mir eine Geschichte ausdenken, in der ich das stolze Elfenpaar erwähne. Wenn ich mein langes Leben als Beweis anführe, wird mir sicher niemand glauben.« Er grinste.

      »Tu das, aber lass dir Zeit, ehe du damit anfängst. Im Moment solltest du besser nicht zu viel über uns reden. Es könnte die falschen Leute anziehen.«

      Mats nickte.

      Die Zwillinge stiegen in ihr Boot, und Mats löste die Leinen. Wind griff in die gehissten Segel und drückte den Bug weg vom Steg, in den Strom hinein. Der Schwede warf ihnen die Leinen zu, und sie legten ab. Rian sah zurück, während das Boot davontrieb, und winkte.

      Wieder trieb das Boot in einem Nebel dahin, der in diesem Land allgegenwärtig zu sein schien. Die Segel standen voll, sie machten gute Fahrt. Rian hatte David wieder die Pinne überlassen, lag entspannt auf der Bank und naschte Pralinen.

      Es könnte eine weitere ruhige Reise werden; vielleicht erreichten sie bald das ersehnte Ziel …

      »Verflucht!« Ihr Bruder riss plötzlich die Pinne herum und warf die Großschot los. Der Schiffsrumpf neigte sich, und Trüffel kullerten aus der Tüte und rollten über die Planken. Rian griff nach der Reling, um nicht ebenfalls von der Bank zu fallen, und löste mit einem Wink ihrer Hand die Vorschot.

      »Was ist …« Da sah sie es bereits selbst. Vor ihnen trat der Fluss aus einer Höhle aus, deren Oberkante ihnen bei Weiterfahrt glatt den Mast abrasiert hätte. Dank Davids schneller Reaktion dümpelten sie jetzt dahin, mit gerade noch genug Druck in den Segeln, um auf der Stelle zu bleiben.

      »Was jetzt?«

      »Vermutlich verläuft der Fluss einfach nur eine Weile unterirdisch. Es müsste möglich sein, auf ihm weiterzureisen, sonst hätten uns die Nöcks nicht zu diesem Weg geraten.«

      »Der Durchlass wäre groß genug für das Schiffchen. Also gut, bauen wir um.« David hielt aufs Ufer zu.

      Zwei Stunden später hatten sie den Mast gelöst und umgelegt und stattdessen Dollen zur Befestigung von Rudern gesetzt. Sie belegten die Ruder mit Magie, die sie ohne weitere Muskelkraft voranbringen würde. Gleichmäßig hoben und senkten sich die Ruderblätter und hinterließen eine Linie kleiner kreisender Wirbel, als sie in die Höhle einfuhren.

      Das andere Ende der Höhle war nicht zu erkennen, und bald wurde es so dunkel, dass selbst die Elfen nichts mehr sehen konnten. Rian öffnete eine Tüte mit Käfern, die sie unterwegs einmal nach einer sehr finsteren Nacht gefangen hatten, um sich künftig besser zurechtzufinden, flüsterte ihnen einige Worte zu und ließ sie dann frei. Die Insekten erhoben sich mit leisem Brummen und Surren und leuchteten hell. In ihrem Licht war erkennbar, dass die Felsdecke sich allmählich hob und die Höhle breiter wurde. Auf beiden Seiten lief der Fels jenseits des Wassers zunächst nur flach aus, ehe er sich zu den Höhlenwänden erhob, als habe der Fluss zu anderen Zeiten mehr Wasser geführt oder oft das Bett gewechselt. Jetzt strömte er ruhig und gleichmäßig dahin.

      Das Platschen und leise Gurgeln des Wassers um die Ruderblätter wurde vom sie umgebenden Fels zurückgeworfen und war für lange Zeit das einzige, was die beiden Elfen hörten. Irgendwann fiel Rian auf, dass ein an Lautstärke zunehmendes Rauschen dazu kam. Alarmiert sah sie zu David, doch der zuckte nur die Achseln.

      »Wir werden feststellen, was es ist. Dann können wir entscheiden.«

      Rian nickte und sah wieder nach vorn. Wenig später erkannten sie die Quelle der Geräuschänderung. Vor ihnen schäumte das Wasser, wo der Fluss in Stromschnellen eine langgezogene Schräge hinunterrauschte. Die Decke hatte sich inzwischen bis außerhalb ihrer Sichtweite erhoben, und sie konnten nicht erkennen, wie weit die Schräge hinauf reichte. Doch sie erkannten, dass das Flusswasser nicht von ganz oben kam, sondern auf halber Höhe aus mehreren breiten Spalten sprudelnd hervorschoss.

      »Damit ist unsere Bootsfahrt an dieser Stelle wohl doch zu Ende«, stellte Rian fest.

      Langsam trieb das Boot seitlich an die Uferwand, bis der Kiel am Fels entlangschrammte. Die Leinen in den Händen stiegen sie aus und zogen das Boot noch ein Stück weiter hoch, ehe sie es an einigen Felsbrocken festmachten.

      »Lassen wir es noch im Wasser, bis wir wissen, ob es sich lohnt, es herauszunehmen.« David deutete in die Richtung, in der die schräge Rinne aufwärts führte. »Vielleicht finden wir den Fluss ja oben wieder.«

      Rian sah ebenfalls hinauf. Dort, wo der Fluss hinunterrauschte, würden sie ein wenig im Sprüh der Gischt laufen, aber oberhalb konnten sie bequem weiter hochsteigen. Die Steigung war keine echte Herausforderung, und sie hatten sich bei Antritt der Reise kleidungsmäßig passend ausstaffiert.

      Sie nahmen ihre Taschen und gingen los.

      »Das war es dann wohl«, schrie Rian, um das Rauschen zu übertönen, und starrte den Wasserfall an, der vor ihnen aus der Höhe direkt in den Fels unter ihren Füßen hineinzufallen schien.

      »Nicht unbedingt«, antwortete David und deutete auf einige unregelmäßige Felsplatten, die nahe der Seitenwand in Stufen nach oben verliefen.

      »Vielleicht kommen wir darüber bis nach oben und können das Boot dort wieder einsetzen.«

      Zweifelnd sah Rian hinauf. »Denkst du, das Boot passt da durch? Da ist die Felsdecke, und vermutlich wird der Wasserfall aus einer Höhle kommen, die schmaler ist als die unten.«

      »Solange wir nicht nachschauen, werden wir es nicht wissen. Also, gehen wir. Das Stückchen macht jetzt auch keinen Unterschied mehr.«

      Sie stiegen die Felsabsätze hinauf. Der tobende Lärm des Wasserfalls machte jede Unterhaltung vollends unmöglich, je weiter sie hochstiegen und je näher sie dabei der Wasserwand kamen. Die Absätze wurden von Stufe zu Stufe höher, und nach einer Weile mussten sie klettern. Rians Zweifel daran, dass sie selbst mit magischen Hilfsmitteln das Boot hier herauf bringen konnten, wuchsen.

      Allerdings zeigte das Licht der im Sprühregen zunehmend nervöser schwirrenden Käfer ihnen inzwischen die Oberkante, über die das Wasser in breiter Front herabstürzte. Die natürlichen Stufen reichten bis hinauf, und die Decke blieb weiterhin hoch. Fast kam es Rian so vor, als rieche sie frische Luft. Da so nah an der Sturzkante des Wassers jedoch die Luft durchgewirbelt und durch die Gischt erfrischt wurde, konnte sie sich auch täuschen.

      Der letzte Absatz war so schmal, dass sie nicht mehr nebeneinander stehen konnten. Zuerst kletterte David hoch. Die Stufe von dort zur Kante war höher als er selbst, doch David zog sich problemlos hinauf. Danach konnte Rian ihn nicht mehr sehen. Hektisch surrten die Käfer über ihr hin und her, flogen immer wieder zu ihr hinunter, als wollten sie sie zur Eile nötigen. Sie kletterte ebenfalls auf den Absatz, griff zur Kante darüber und stemmte sich mit ihrer Elfenkraft hoch, richtete sich auf und blickte sich um. Die Höhle verlief ab hier wieder fast waagrecht weiter, und ein Ausgang war nicht zu sehen. Und was auch nicht zu sehen war, war David.

      Rian runzelte die Stirn und zögerte. Ein Stück weiter machte der Gang eine Biegung. Vielleicht war David vorausgegangen.

      Beim ersten Schritt verlor sie den Boden unter den Füßen.

      Rian schrie auf, als sie plötzlich fiel. Was auch immer unter ihr nachgegeben hatte, schloss sich wieder wie eine zurückschnalzende Membran und stürzte sie in Dunkelheit. Sie prallte auf eine schräge Felsfläche auf, doch sie spürte nicht die erwarteten schmerzhaften Ecken und Spitzen. Stattdessen glitt sie über Stein, der blankpoliert war wie Marmor, in unregelmäßigen Windungen weiter abwärts. Sie versuchte mit Händen und Füßen, ihre Fahrt zu bremsen, doch sie war zu schnell. Dann erfasste sie kurz Schwindelgefühl, und


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