Meine Augen sind hier oben. Laura Zimmermann
Vielleicht wollte sie deshalb Maine.« Was ist das für eine Lehrerin, die eine neue Schülerin nicht mit jemandem zusammentut?
»Na ja, keiner wird jetzt noch mit ihr zusammenarbeiten wollen, nachdem sie sich so verhalten hat.« Er klingt entnervt, als würde so was nicht zum ersten Mal passieren. Und er hat recht, Maine hin oder her, niemand mag das Kind, das auf Ohio scheißt und es dann über die Tiere im Klassenzimmer verteilt.
»Sie hätten sich mit ihr zusammengetan, wenn sie Delaware gewählt hätte. Coole Leute entscheiden sich für Delaware.«
»Ich würde mich immer mit dir zusammentun«, sagt er und alle meine inneren Organe setzen einen Moment lang aus. »Du würdest die ganze Arbeit machen.«
»Stimmt«, sage ich und hoffe, dass die ganze Schule so ein Plakat als Hausaufgabe bekommt, damit Jackson und ich zusammen Delaware bearbeiten können.
»Das habe ich fast vergessen.« Jackson kniet sich hin, um seinen Rucksack aufzumachen. »Ich habe was für dich.«
Ich vermute, es ist irgend so was Langweiliges wie eine Mitteilung von seiner Mutter an meine, aber eigentlich hoffe ich auf Brummbär. Ich habe nicht nach ihm gefragt und werde das auch nicht tun. Ich werde den Zwerg nur wiedersehen, wenn ich bei Jackson einbreche. Oder eingeladen werde. Ha.
Max Cleave bleibt neben uns stehen und fragt: »Kommst du nachher mit zu den Käfigen?«
Jackson steht auf und ich kann sehen, dass er ein zerknülltes Küchentuch in der Hand hält. Eindeutig keine Mitteilung, aber auch nicht die beste Art, einen Miniatur-Bergarbeiter aus Glas aufzubewahren. Vielleicht hat Quinlan noch etwas anderes gestohlen? Vielleicht gibt er mir Tylers Eierbecher zurück?
»Ja. Wir treffen uns beim Westeingang.« Der Schulgong ertönt zum ersten Mal, um die Rindviecher in den Unterricht zu treiben. Ich weiß gar nicht, was meine Neugier mehr weckt – zu erfahren, was Jackson in der Hand hält, oder was er mit Max Cleave vorhat.
Jackson beobachtet mich dabei, wie ich Max beim Weggehen beobachte. »Baseball. Schlagtraining. Ich werde wohl im Frühling versuchen, in die Mannschaft zu kommen.«
»Ich dachte, du spielst Tennis?«
Er zuckt mit den Schultern. »Wäre vielleicht schön, mal wieder in einer Mannschaft zu spielen.«
Das scheint für ihn alles so einfach zu sein. Von einer Sportart zur nächsten, von einer Mannschaft zur nächsten, von einer Schule zur nächsten, von einem Freund zum nächsten.
Die Flure leeren sich. Ein Lehrer am anderen Ende des Gangs macht gerade die Tür zu seinem Klassenraum zu und wirft uns einen bösen Blick zu.
Jackson hält mir das zusammengeknüllte Küchentuch hin. »Ich hoffe, er ist nicht zu zerquetscht.« Ich nehme es entgegen und mache es auf. Darin ist ein Schokomuffin. Den ich bekommen habe. Von Jackson Oates. »Hat meine Mutter gebacken.« Ich blinzele den wunderschönen Muffin an und will ihn mir am liebsten auf einmal in den Mund stopfen und gleichzeitig nicht einen Bissen davon essen. »Ich dachte, die magst du vielleicht«, ergänzt er, weil ich noch immer nichts gesagt habe. Natürlich mag ich ihn. Ein selbst gebackener Muffin voller Schokolade, der nach Butter und Vanille und braunem Zucker duftet. Außerdem hätte es auch das Meerschweinchen aus Quins Klassenraum sein können, am Spieß gebraten, und ich würde es trotzdem mögen, weil Jackson Oates es in ein Küchentuch gewickelt und mir mitgebracht hat. Doch dass es ein Muffin ist, übersteigt alles.
»Danke«, bekomme ich heraus.
»Guten Appetit«, sagt er auf Deutsch. Und dann ist er weg und ich trage den Muffin wie ein Meerschweinchenbaby in den Matheunterricht. (Ein sehr leckeres Meerschweinchenbaby.)
12
Das Auswahlverfahren für die Volleyballmannschaft findet nächste Woche statt. Jessa Timms hat mich schon viermal daran erinnert. Ms Reinhold hat es gar nicht erwähnt. Ich habe Jessa gesagt, dass ich darüber nachdenke. Das werde ich. Ich werde darüber nachdenken, dass ich nicht versuchen werde, der Volleyballmannschaft beizutreten.
Wieder klicke ich auf den Link, den Ms Reinhold mir geschickt hat. Sie hatte recht. Das, was sich auf meinem Handy öffnet, ist keine Angelegenheit der Schule. Und mit Volleyball hat es auch nichts zu tun.
Es ist eine Website namens Sport Stütze.
Das Logo sieht aus, als hätte es jemand zu Hause am Computer entworfen, und zwar zu der Zeit, als meine Eltern noch zur Schule gingen. Die Schrift erinnert an die Formel 1 und die Buchstaben sind so hervorgehoben, dass man zunächst Port Tütz liest. Der restliche Text auf der Seite ist hauptsächlich gelb auf blauem Untergrund. Es ist die billigste Website, die ich je gesehen habe, und zwar einschließlich der, die Tyler und seine Freunde in der dritten Klasse gemacht haben, damit sie Videos von ihren Matchbox-Auffahrunfällen posten konnten.
Es ist eine billige Website, die eine sehr teure Sache verkauft: einen Sport-BH.
Nur ist es nicht irgendein Sport-BH. Er hat einen speziellen Namen. Er nennt sich Der Stabilisator und auf der Seite steht, dass er für »aktive Frauen mit Körbchengröße F bis J« konzipiert ist. Da steht außerdem, dass sein »einzigartiges Design« und seine »patentierte Fasermischung« »die Brust stützt und für perfekten Halt sorgt«. Er »lässt Nacken- und Schulterschmerzen verschwinden«, »reduziert unkontrollierte Bewegung«, »nimmt Feuchtigkeit auf und transportiert sie nach außen« und »sorgt für einen schlank machenden und figurschmeichelnden Sitz«. Es gibt ihn in einer Farbe: beige. Und es gibt auch ein Foto von ihm. Er sieht aus wie ein riesiger Knoten aus elastischen Bandagen, in die zwei große beige Schutzschilder hineingenäht wurden. Er sieht weder schön noch bequem aus.
Der Stabilisator klingt wie der Titel eines Films mit Denzel Washington, nicht wie etwas, in das ich meine Brüste schnalle.
Aber es gibt 267 Kundenrezensionen, die durchschnittlich 4,9 von 5 Sternen haben.
Seit ich den Link das erste Mal geöffnete habe, lese ich die überschwänglichen Bewertungen wieder und wieder.
Alter: 30 – 35
Größe: 70G/H
Gerade bin ich mit dem Stabilisator meinen ersten Halbmarathon gelaufen und kann gar nicht fassen, wie gut ich mich fühle! Ich habe überhaupt keine Schmerzen. Und ich musste nicht ständig alles wieder zurechtrücken!!! Alles blieb, wo es bleiben sollte. Und kein Mono-Busen! Unglaublich!! Absolut seinen Preis wert.
Alter: 50 – 59
Größe 95I
Ich habe jeden Damenbüstenhalter ausprobiert, den es gibt, und als der kam, hat eine Freundin zu mir gesagt: »Mach halt, du kriegst ja zur Not dein Geld wieder.« Ich sag euch, ich werde mein Geld NICHT zurückverlangen. Der beste BH, den ich in 50 Jahren getragen habe, von allen Büstenhaltern. Ich mach keinen Sport, aber ich trag ihn immer, außer wenn ich schlafe. In Weiß würd ich ihn auch kaufen, wenn sie ihn hätten.
Alter: 12 – 18
Größe 70J
Ich liebe, liebe, liebe diesen BH. Ja, hübsch ist er nicht. ABSOLUT nicht hübsch. Aber so was wie Victoria’s Secret oder trägerlose BHs kann ich, seit ich elf bin, sowieso nicht mehr tragen. Er hält alles zusammen und wenn ich renne oder Beifall klatsche, hüpft nicht mehr alles durch die Gegend. LOL. Ständig werde ich jetzt gefragt, ob ich abgenommen habe. Lieber ein BH, der funktioniert, als ein hübscher, der nicht tut, was er soll. Und ich kann mir ja immer noch hübsche Slips kaufen. LOL.
»Was guckst du dir gerade an?«
Ich versuche so hastig den Browser zu schließen, dass mir das Handy runterfällt. Und als Jackson sich bückt, um es aufzuheben, trete ich ihm auf die Hand, damit ich zuerst darankomme.
»Tut mir leid! Tut mir wirklich so leid!«, sage ich und stopfe das Handy schnell in meine Tasche.
»Aha, was Unangemessenes«, folgert Jackson.
»Nein! Nur … irgendwie persönlich.« Sobald ich das gesagt habe,