Yoga leben. Christina Lobe
entspricht, ist der Ort, aus dem wir uns letztendlich entfalten, aus dem wir leben, handeln und auch Yoga üben. Wir können als Yogalehrende die Ebene des Herzens gezielt ansprechen und die Yogaübenden in ihr Herz führen und von Herz zu Herz inspirieren.
Herzthemen oder das Einweben von Themen in den Unterricht sind ein wertvolles Instrument, um Yoga über die Stellungen hinaus zu vermitteln und die Erfahrung der Schülerinnen auf eine subtile Ebene zu führen. Je gekonnter dir das Integrieren von Themen und das Verweben gelingt, desto leichter ist es für die Übenden, sich deinem Unterricht, der Praxis und dem darin liegenden Erfahrungspotenzial hinzugeben. So wie das Herzthema der rote Faden deines Unterrichts sein sollte, so bildet es auch den roten Faden dieses Buches. Das Thema ist der rote Faden, der alle anderen Unterrichtselemente miteinander verbindet, sodass ein verwobenes, stimmiges Ganzes daraus entsteht.
Deine Intention – dein Sankalpa – liefert die Grundlage, auf der du mit deiner Wahrheit, deiner Botschaft und deinem Herzen in Erscheinung treten kannst.
Sankalpa ist die Basis von allem.
Deine Praxis – dein Sadhana – wird immer die Grundlage für deinen Unterricht sein.
Deine Praxis ist alles!
Bevor wir tiefer in das Thema Hridaya eintauchen, sollten wir uns des WARUM bewusst werden. Worin liegt der Wert für dich als Lehrende, ein Thema in den Unterricht zu verweben? Worin besteht der Mehrwert für deine Schülerinnen? Wenn wir unseren Grund kennen, dann bekommt unser Ausdruck mehr Bedeutung und das Potenzial, zu inspirieren und zu transformieren, wächst. Warum weben wir also ein Herzthema oder ein philosophisches Thema in den Unterricht ein?
Indem wir ein Thema in den Unterricht integrieren, vergrößern wir die Ansprache und das Erfahrungspotenzial der Übenden. Wenn es uns gelingt, bei ihnen alle vier „Körper“ anzusprechen (den physischen, den mentalen, den emotionalen und den spirituellen Körper), erzeugen wir ein Gefühl der Ganzheit. Die Schülerin erlebt dann Verbindung und Einheit statt Getrenntsein. Das ist nicht nur ein generelles Ziel des Yoga, sondern auch das ganz konkrete zufriedenstellende und friedliche Gefühl, das sich nach der Praxis einstellt. Neben dem Wert der physischen Praxis durch das Praktizieren der Asanas kann durch ein Thema auch der Geist inspiriert oder seine Aufmerksamkeit gelenkt werden. Birgt das Thema Qualitäten, die das Herz berühren und eine emotionale Erfahrung innerhalb der Praxis einladen, wird die Praxis auf einer tieferen Erfahrungsebene bedeutungsvoll, denn meist erinnern wir uns im Leben gerade an solche Situationen sehr deutlich, in denen eine intensive Emotion spürbar war. Diese Situationen haben etwas in uns bewegt oder „etwas mit uns gemacht“.
Das i-Tüpfelchen ist, ein Thema so zu gestalten, dass aus einer physischen Praxis eine spirituelle Erfahrung wird und unser Thema somit einen „higher purpose“, also einen höheren Zweck erfüllt. Dadurch wird eine Asana-Praxis zu einer spirituellen Yogapraxis. Das Thema hilft, eine Qualität, einen Wert oder eine Einstellung zu verkörpern, diese also in den Körper zu bringen. Dadurch bleibt eine Idee nicht ein mentales Konstrukt, sondern wird zu etwas, was wir auf einer körperlichen und emotionalen Ebene verstehen und erfahren. Wir lehren körperliches Engagement, wir lenken Achtsamkeit, wir lehren Energie und vermitteln dadurch Erfahrung, um auf allen Ebenen unseres Seins zu lernen.
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Yoga ist eine Praxis, keine Aktivität.
AMY IPPOLITI
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In den alten Traditionen des Yoga gilt Wissen erst dann als verstanden und tatsächlich gewusst, wenn es auf allen Ebenen erfahren und durchdrungen wurde. Rein intellektuelles Verstehen bildet also nur einen kleinen Teil unseres Wissensschatzes. Daher greifen wir als Lehrerinnen nur Themen auf, die wir selber erfahren und durchdrungen haben, und bereiten sie so auf, dass die Schülerin das Thema ebenfalls auf allen Ebenen ihres Seins erfahren kann.
Wir können eine Yogaklasse von ganz verschiedenen Zugangspunkten aus entwickeln. Beispielsweise können wir die Klasse nach einer Peak-Position erstellen, oder ein bestimmtes Ausrichtungselement kann den Ausgangspunkt der Klassenplanung bilden. Egal welchen Zugang du wählst, das Herzstück einer Klasse bleibt das Thema, oder anders gesagt: Das Thema ist das Herz der Klasse, das Kernstück oder auch die Essenz. Es ist das, was die Klasse zusammenhält und von daher essenziell für deinen Unterricht ist.
Das Herzthema ist ein wichtiges Werkzeug, um die Schülerinnen nicht nur zu inspirieren, sondern um tatsächlich ein Initiator zu sein, der etwas Neues und Bedeutendes im Leben und der Praxis der Schülerinnen bewirken kann.
Wir transportieren und vermitteln das Herzthema über unterschiedliche Kanäle. Der Hauptaspekt dabei ist unsere eigene Intention und Einstellung. Wenn wir unterrichten, sind wir selbst in dem Zustand, den das Thema vermitteln soll, und transportieren durch unsere Präsenz das Thema. Unser zweites und bedeutendes Werkzeug ist die Sprache. Wir benutzen Worte, die zum Thema passen, spielen entsprechend des Themas mit aktiver und passiver Sprache (dazu folgen Beispiel im Kapitel zu Matrika). Die Kraft des Wortes hilft uns dabei, ein Thema zu vermitteln. Weitere Werkzeuge, die uns zur Verfügung stehen, um eine Stimmung oder Energie im Unterricht zu erzeugen, sind: der Einsatz der Stimme, die Inhalte, die Stellungsauswahl und -abfolge, Pranayama, Meditation, Mantra und Mudra. Das Thema wird auch über einen einleitenden Vortrag, den Dharma-Talk, vermittelt sowie über die Herzqualitäten. Weitere Hilfsmittel, wie z. B. die Anordnung bzw. Organisation im Raum, der Einsatz von Musik, Kerzen und Licht, kreieren eine passende Atmosphäre und können gezielt eingesetzt werden.
1Im Buch YOGA LEHREN findest du ein ganzes Kapitel zum Thema Hridaya.
Ein Thema für Klassen oder Workshops finden
Das Leben an sich liefert jeden Tag aufs Neue Inspiration für den Unterricht. Ob in Büchern, in der Beobachtung von alltäglichen Begebenheiten, im Internet, in guten Gesprächen, Filmen, Musik – überall besteht die Möglichkeit, auf neue Themen zu kommen. Vor allem auch die eigene Yogapraxis und das Besuchen von Workshops und Weiterbildungen sind da wichtig. Das Feld des Yoga ist ja so weit. Potenzielle und relevante Themen sind überall zu finden. Der Punkt ist, dass wir sie als solche erkennen müssen, und sie sollten eine Relevanz für uns persönlich, für die Schülerinnen und für den Yoga haben.
Ein Thema muss daher einige Voraussetzungen erfüllen, um tatsächlich zu einem passenden Thema für den Unterricht zu werden:
1.Das Thema sollte sich einfach und klar formulieren lassen. Je simpler und kürzer, desto besser. Arbeite die Essenz heraus und bringe die Aussagen des Themas auf den Punkt.
2.Das Thema sollte einen Bezug zum Höheren bzw. zu einer spirituellen Dimension haben, wie auch immer du diese für dich verstehst. Frage entsprechend in Bezug auf dein Thema: Warum ist es relevant? Welchen höheren Zweck erfüllt es? Und ist es von Belang für Yoga und für die Schülerinnen?
3.Zu jedem Thema gibt es sogenannte Herzqualitäten. Diese bringen das Thema in den Körper, machen es fühl- und erlebbar und verkörpern also somit das Thema.
4.Die Qualitäten (meist ein bis zwei, maximal drei) sollten in Verbindung zu den Ausrichtungsprinzipien stehen, denn durch eine physische Aktion, verwoben mit der Qualität, wird eine Tugend, ein Wert in den Körper gebracht.
KURZ! Dein Thema besteht aus:
•einer Story, die deine Botschaft oder die Essenz des Themas auf den Punkt bringt,
•den (Herz-)Qualitäten,
•einem höheren Zweck und
•dem persönlichen Bezug für dich als Lehrerin und für die Schülerinnen.
Wenn du auf dein Leben blickst: Was berührt dich? Was verändert dich? Was hinterlässt Eindruck?
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