Heilung als schöpferischer Prozess. Klaus-Dieter Platsch

Heilung als schöpferischer Prozess - Klaus-Dieter Platsch


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Antworten oder nächste Schritte aus einem Raum inneren Wissens hervor. Das Gespräch mit den Menschen wurde so zentral, dass ich mich folgerichtig zusätzlich zum Psychotherapeuten ausbildete und so die Verbindung von Körper und Psyche immer wichtiger wurde. In etwa derselben Zeit begegnete ich meiner ersten Akupunkturlehrerin und meiner spirituellen Lehrerin.

      In dieser Zeit verstand ich, dass im Heilungsprozess der ganze Mensch Platz finden muss, denn wir sind nun einmal nicht nur ein physischer Körper, sondern wir haben auch eine Psyche mit ihren Gefühlen und ihrem Empfinden, einen Verstand mit seinen Ideen und Glaubenssätzen und ein höheres, seelisches Bewusstsein – unsere spirituelle, transpersonale Natur. Das Leben hat mich reich beschenkt, dass ich jede dieser Daseinsebenen immer tiefer studieren, erforschen und in mir selbst erfahren durfte. Dieser innere Reifungsprozess als Mensch und Arzt schlug sich wie von allein auf meine sich verändernde Sichtweise auf die Medizin und auf Heilung nieder.

      Je mehr ich geführt war, desto weniger wichtig wurden für mich die medizinischen Methoden – ich praktizierte kaum noch Schulmedizin, sondern sehr intensiv chinesische Medizin, die ich auch viele Jahre unterrichtete, woraus unter anderem zwei Standard-Lehrbücher1 entstanden sind. Zunehmend nahm ich wahr, dass es weniger auf die Methoden ankam als vielmehr auf die Begegnung mit den kranken Menschen, auf das »Wie« der Begegnung: wie achtsam, wie offen, wie vorurteilslos, wie präsent, aber vor allem mit wie viel Liebe diese Begegnung möglich ist. Mehr und mehr wurde mir deutlich, dass ich als Arzt und Mensch selbst ein Gefäß der Heilung bin – und dass die Patientinnen und Patienten ebenfalls ein solches Gefäß ihrer eigenen Heilung sind und dass durch das »Wie« der Begegnung mit und zwischen uns etwas geschieht, das heilsam ist und ganze Heilungsprozesse auslösen kann.

      Dieses Buch handelt davon, dass Heilung jedem Menschen bereits innewohnt, und davon, wie wir uns dieser Dimension öffnen können. Das ersetzt nicht eine medizinische Behandlung – es ist immer gewissenhaft zu überprüfen, ob und wie eine solche notwendig ist. Aber auch jede medizinisch notwendige Behandlung kann nur greifen, weil wir dieses innewohnende Heilungspotenzial in uns tragen. Je mehr wir uns dem öffnen können, desto heilsamer kann auch eine medizinische Behandlung werden.

      Oft geht es in Heilungsprozessen darum, wieder in harmonisch fließende Lebensvorgänge zurückzufinden – die ursprüngliche, so in uns angelegte Bewegung des Lebens wiederzugewinnen. Das geschieht in Raum und Zeit. Wir begegnen dann oft den Fragen, ob und wie wir aus diesem gesunden Rhythmus, aus dem Fließen des Lebens gefallen sind und wie wir uns einer neuen, jetzt angemessenen und stimmigen Bewegung öffnen können. Da gilt es immer wieder, etwas anzuschauen, zu erkunden, loszulassen – sich selbst in der eigenen Einzigartigkeit und in einem neuen Aufgerichtetsein zu finden.

      Dasjenige jedoch, was das Leben selbst und damit unser Heilungspotenzial und unseren Lebensfluss überhaupt erst hervorbringt, hat mit dem Schöpfungsprinzip zu tun. Wir sind erschaffene Wesen, Geschöpfe – so wie das ganze Universum und der Kosmos als Ganzes aus dem Nichts erschaffen sind. »Nichts« sage ich, um anzudeuten, dass wir es, das große Mysterium der Schöpfung und des Lebens, nicht benennen können.

      Im Buch wird das die vertikale Beziehung – die Beziehung zum großen Geheimnis – genannt. Unser ganzes Leben – und damit auch jeder Heilungsprozess – steht in diesem Beziehungsfeld des Lebens in Raum und Zeit (wir werden geboren, leben und sterben) und seines schöpferischen Urgrunds. Diese vertikale Beziehung – man könnte sie auch den seelischen Funken, der in jeder Zelle unseres Körpers pulsiert, nennen – beinhaltet das höchste Heilungspotenzial, dem zu öffnen uns möglich ist.

      In diesem Buch werden Sie durch die verschiedenen Ebenen der Erkenntnis, der Erfahrung, des Experimentierens und des Anwendens geführt. Was Sie dabei finden, kann für jeden Menschen anders sein – oder auch jetzt anders sein als beim nächsten Lesen. Der Kreuzungspunkt unseres Lebens in Raum und Zeit (horizontal) mit dem Wirken des Urgrunds (vertikal) birgt für jeden Menschen ganz einzigartig seinen eigenen Zugang. Erst das macht es so stark und wirksam – denn es bewegt sich jenseits allgemeiner Empfehlungen.

      Im ersten Teil des Buches geht es um den schöpferischen Heilungsprozess selbst und um viele seiner Facetten vom Schöpfungsprozess bis hin zum Heilungsprozess. Im Teil 2 geht es um mögliche Zugänge zur schöpferischen Kraft und beschreibt außerdem spezielle heilsame Zugänge, wenn man selbst krank ist. Und Teil 3 ist dem Prinzip und der Wirkung des heilenden Feldes in einem selbst, in der Arzt-Patienten-Begegnung und in einer heilenden Gruppe gewidmet. Dort geht es auch um die Synchronisation einer spezifischen Form des heilenden Feldes, in dem seit 2014 Menschen miteinander, wo auch immer sie leben, und immer zur selben Zeit in Stille für andere Menschen um Hilfe und Heilung bitten.

TEIL I

      DIE GESCHICHTE VON ANITA MOORJANI2

      

Und dann wurde ich von der Erkenntnis überwältigt, dass Gott kein Wesen, sondern ein ›Seinszustand‹ ist … ›und dass ich mich jetzt in diesem Seinszustand befand.‹«

      SO ERLEBTE ANITA MOORJANI DEN MOMENT, als sie an den Folgen ihres Krebses »starb«, um dann geheilt zu sein. Sie wuchs in Singapur als Kind indischer Eltern auf. Hin- und hergerissen als Mensch und Frau zwischen den verschiedenen Kulturen und Religionen versuchte sie ihren eigenen Weg zu finden und zu leben. 2002 erkrankte sie an Krebs. Vier Jahre lang kämpfte sie mit allen Mitteln gegen die Krankheit an, bis sie mit multiplem Organversagen bewusstlos in die Klinik kam, um zu sterben.

      Ihre Angehörigen und ihre Ärzte waren da, standen an ihrem Bett. Nur noch vom seidenen Faden ihrer Seele gehalten – von außen betrachtet nicht ansprechbar und schon weit weg – erfuhr ANITA MOORJANI einen außergewöhnlichen Bewusstseinszustand, eine Nahtoderfahrung, die alles verändern sollte.

      Ihr Bewusstsein weitete sich – schier grenzenlos in einen Raum von Licht und Liebe. Sie nahm wahr, welch ein Wesen sie in Wirklichkeit war – weit, unbegrenzt, einzigartig. Und gleichzeitig fühlte es sich an, als sei sie alles: ihr Körper, der Raum, die Menschen um sie herum, die Klinik, die Stadt, Himmel und Erde, der ganze Kosmos. Sie war auch die Gefühle der liebsten Menschen an ihrem Bett und fühlte, was sie fühlen, wusste, was sie denken.

      Die Zeit, wie wir sie gewohnt sind, löste sich für sie auf. Es gab keine Abfolge von Zeit mehr. Alles schien gleichzeitig zur selben Zeit zu sein. Sie spürte ihren Platz in der Mitte des kosmischen Netzes – alles war vollkommen. Es spielte keine Rolle, ob sie stürbe oder weiterlebte. Ganz aufgehoben in diesem höchst bewussten Sein, in der Weite des kosmischen Bewusstseins, wurde sie schließlich gewahr: Es war noch nicht ihre Zeit zu gehen. Sie hatte noch Dinge zu tun in der Welt, hatte noch ihren Lebenszweck zu erfüllen. Es war ein Ruf zurück.

      Doch wie sollte sie ihren Lebenszweck in einem von Krebs durchsetzten Körper erfüllen? Unmittelbar jedoch war klar – »dort«, wo sie war: Da sie nun wusste, wer sie in Wirklichkeit ist, sie die Vollkommenheit ihres Seins und ihrer Seele erkannt hatte und das Ausmaß dessen, wozu sie als Mensch alles fähig war, wusste sie auch, dass sie wieder gesund würde. Sie musste »nur« mit diesem Wissen wieder in ihren Körper zurückkehren und das in ihm ausdrücken, und der Krebs würde geheilt.

      Innerhalb weniger Wochen konnten die Ärzte keinen Krebs mehr in ihr feststellen.

      Was andere leicht für ein Wunder halten wollten, war für sie keines. Sie wusste, dass ihre Heilung nichts anderes war als die Wiederherstellung ihrer physischen Gesundheit, weil alles in ihr frei geworden war, frei von allen Begrenzungen, die sie ihrer Seele auferlegt hatte.

      ANITA MOORJANI sagt dazu: »Meine Überzeugungen waren nicht die Ursache meiner Heilung. Meine Nahtoderfahrung, mein Zustand reinen Gewahrseins, ein Zustand, in dem alle meine vorherigen Überzeugungen und Prinzipien komplett ausgeblendet waren. Das erlaubte meinem Körper, ein Reset‹, eine Neueinstellung und einen Neustart vorzunehmen. Mit anderen Worten, für meine Heilung war die Abwesenheit von Überzeugung und Glauben erforderlich.«

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