24 x Weihnachten neu erleben. Oskar König
des Himmels und der Erde beschrieben. Heute würde man sagen: Die Bibel beschreibt Gott als den Schöpfer des Universums und des Lebens. Und alles, was Gott geschaffen hatte, war sehr gut. Alles war am richtigen Platz und lebte in vollständiger Harmonie miteinander. Das waren paradiesische Zustände!
Es gab einen Schöpfer, es gab eine Schöpfung und uns Menschen. Die Schöpfung, also diese von Gott geschaffene neue Welt, war der Lebensraum der Erdenbewohner. Wir hatten von Gott den Auftrag, uns um diese Kreation zu kümmern. Es war unsere Aufgabe, das Feld zu beackern und den Garten zu pflegen. Doch schon nach drei Folgen haben wir diesen Job ordentlich vermasselt.
Zunächst einmal war jedoch alles sehr gut. Wirklich guuuuut (Erinnern Sie sich an diese Szene mit Morgan Freeman als Gott in »Bruce Allmächtig«1?). Wir sollten diese Welt, in der jeder Tag Neues hervorbrachte, ordnen und bewahren. Und Gott segnete alles. Wirklich alles: die Erde, die Tiere, die Pflanzen und uns Menschen mit unseren Beziehungen. Wir lebten im Einklang mit unserem Schöpfer und mit der Schöpfung und auch untereinander herrschte ein harmonischer Klang. Es gab diesen »Frieden auf Erden«, der in der Weihnachtsgeschichte von den Engeln besungen wurde (Lukas 2,14). Das war also der Anfang und der Ursprung der Weihnachtsgeschichte. Die erste Folge der ersten Staffel, um im Bild zu bleiben.
Und das Ende der Geschichte?
Um nun einen Ausblick auf die letzte Folge der letzten Staffel zu geben (Achtung: Spoiler-Alarm!), können wir Ihnen versichern: Am Ende wird auch wieder »Frieden auf Erden« sein! Doch am Schluss der Weihnachtsgeschichte stehen nicht etwa kirchliche Feste wie Ostern oder Pfingsten. Nein, das Ende hat eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Anfang. Die Bibel zeigt uns auf den letzten Seiten ihres allerletzten Buches einen Ausblick, worauf sich alles hin entwickeln wird: »Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein. Er wird alle ihre Tränen abwischen, und es wird keinen Tod und keine Trauer und kein Weinen und keinen Schmerz mehr geben« (Offenbarung 21,3b-4a).
Genau wie der Anfang dieser Geschichte wird auch das Ende werden. Gott wird wieder bei den Menschen sein. Himmel und Erde werden wieder eins. Es wird wieder diesen Frieden auf Erden geben, mit dem alles angefangen hat. Die Frage, die sich nun aufdrängt, wenn alles bei Gott begann und alles zu Gott hinlaufen wird, ist: Warum entdecken wir so wenig von Gott und von diesem göttlichen Frieden in unserer Welt? Warum spüren wir so wenig von Weihnachten in den elf Monaten nach Dezember? Was ist in unserer Geschichte schiefgegangen?
Der »Apfel« und seine Folgen
Sicher kennen Sie die Geschichte von Adam und Eva. Diese eine Episode in der ersten Staffel mit der verbotenen Frucht (die fälschlicherweise immer als Apfel bezeichnet wird). Sie ist schnell erzählt und beinhaltet eine tief sitzende Wahrheit über Gott, den Schöpfer, und seine Geschöpfe. Gott schuf uns Menschen ja bekanntlich »nach seinem Bilde« (vgl. 1. Mose 1,27). Das heißt, er machte uns zu einem Gegenüber von sich selbst. Mann und Frau sind sozusagen eine Art Abbild von ihm. Und darum haben wir Menschen eine unglaubliche und unantastbare Würde. Gott hatte so viel Respekt vor seinen Geschöpfen, dass er ihnen eine Wahlmöglichkeit gab (diese erste Wahlmöglichkeit der Menschen ist in 1. Mose 2,9 nachzulesen). Wir haben seitdem die Möglichkeit, uns nach freiem Willen zu entscheiden, wie wir leben möchten. Eine unglaubliche Würde, aber auch eine hohe Bürde. Wir haben die Möglichkeit zu wählen, aber damit verbunden auch die Qual der Wahl und infolgedessen auch die Bürde, mit allen Konsequenzen unserer Entscheidungen leben zu müssen. In vielen Episoden der großen Geschichte ist davon die Rede. Unglaublich spannende Folgen!
Und wir Menschen haben uns entschieden. Wir haben uns entschieden, nach unseren eigenen Regeln zu leben und unsere eigene Geschichte zu schreiben. Wie Kinder wollten wir »selbst groß« sein und selbstbestimmt nach unserem freien Willen leben. Seitdem Adam und Eva sich stellvertretend für alle Menschen entschieden hatten, von der verbotenen Frucht zu essen und sich damit von Gott abzuwenden, hatten wir eine über die Maßen herausfordernde Aufgabe. Wir mussten zwischen Gut und Böse unterscheiden. Und wir entschieden uns nicht immer für das Richtige. Dieser Wendepunkt der Geschichte war wie eine gewaltige Zäsur in der damaligen heiligen, friedvollen Welt. Die Menschen, die bisher keine Geheimnisse voreinander und vor ihrem Schöpfer hatten, fingen an, sich voreinander und vor Gott zu schämen. Die Scham führte zur Distanz. Die Distanz führte zu Missverständnissen und Konflikten. Sie fingen an, sich zu misstrauen und zu rebellieren. Schon in der dritten Episode der ersten Staffel kam es zu Mord und Totschlag. Kain traf die Entscheidung, seinen Bruder Abel umzubringen (vgl. 1. Mose 4). In der Bibel wird beschrieben, wie Kain als Folge dieser Entscheidung auf der Flucht war. Er wurde von seiner Schuld und seinem schlechten Gewissen getrieben. Er hatte sein inneres Gleichgewicht verloren und entfernte sich immer mehr von Gott. Und damit von dem Ort seiner Bestimmung (vgl. 1. Mose 4,16).
Diesen einen Ort gab es wirklich. Dort war alles am richtigen Platz, und Gottes Frieden ruhte auf allem was war. Kain verließ diesen Ort, und mit Kain waren wir Menschen nicht mehr dort, wo wir eigentlich sein sollten. Bis heute entfernen wir uns immer weiter davon. Das Besondere an dieser Geschichte (die mit Adam, Eva, Kain und Abel ihren Anfang nahm) ist aber, dass die tiefe Wahrheit nicht in ihrer historischen Bedeutung liegt, sondern in ihrem Bezug zur Gegenwart und zu unserem eigenen Leben. Jetzt, gerade in diesem Augenblick, wenn Sie diese Zeilen lesen, ereignet sich diese Geschichte neu. Denn auch wir haben heute eine Wahlmöglichkeit. Wir können uns entscheiden, wie wir leben möchten. Entweder selbstbestimmt und von Gott, unserem Schöpfer, unabhängig nach unseren eigenen Regeln mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Oder so, wie es unserer ursprünglichen Bestimmung entspricht: mit Gott, unserem Schöpfer, vertrauensvoll verbunden.
Vielleicht fühlen Sie sich ein wenig so wie Kain und Sie spüren, dass Sie den Ort Ihrer Bestimmung verloren haben. Dass Sie irgendwie auf der Flucht sind und getrieben werden. Dann haben wir eine gute Nachricht für Sie: Gerade dann kann die Weihnachtsgeschichte zu Ihrer Geschichte werden, zu Ihrer ganz persönlichen Heilsgeschichte: »Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren (…)« (Lukas 2,10b-11; LUT).
Zurück zum Anfang
Wenn wir also verstehen wollen, wer dieser Heiland wirklich ist, müssen wir die Weihnachtsgeschichte von Anfang an erzählen. Es ist wie bei der »Stillen Post«. Wir müssen zu dem Spieler kommen, der sich den Satz: »Anna stiehlt blaue Autos« ausgedacht hat. Nur so können wir komplett verstehen, worum es eigentlich geht. Wenn wir die Weihnachtsgeschichte aber erst an der berühmten Stelle »Es begab sich aber zu der Zeit …« beginnen lassen, gehen wir zu wenige Spieler zurück. Die Weihnachtsgeschichte würde dann mit einer frustrierten, verbitterten und von Gott getrennten Welt beginnen. Die Menschen der damaligen Zeit waren hoffnungslos und fühlten sich weit entfernt von Gott. Es war über 400 Jahre her, dass Gott durch einen Propheten zu ihnen gesprochen hatte. In jener Zeit lebten die Menschen unter der brutalen Herrschaft Roms. Sie sehnten sich nach einem Eingreifen Gottes. Sie hofften auf einen Retter. Auf jemanden, der sie und ihr Land zu alter Größe und Schönheit zurückführen und sie von der Unterdrückung Roms befreien würde – »make Judäa great again«. Sie sehnten sich nach einem Messias.
Würden wir die Weihnachtsgeschichte von dieser Situation ausgehend erzählen, dann wäre Weihnachten »nur« eine Geschichte von Befreiung und Erlösung. Es ginge darum, die bösen Menschen zu bestrafen und die guten Menschen zu belohnen. Es wäre die Geschichte von Knecht Ruprecht (zu dem wir im 7. Kapitel noch etwas mehr schreiben werden), der die bösen Kinder mit der Rute bestraft und die lieben Kinder mit Geschenken belohnt. Es wäre nur eine moralisch religiöse Geschichte. Wie die meisten Menschen der damaligen Zeit würden wir nicht erkennen und verstehen, wer oder was dieses Christuskind wirklich ist.
Was für eine Vorstellung haben Sie von diesem Christuskind? Nach welchem Heiland sehnen Sie sich? Die Menschen damals träumten jedenfalls von einem großen politischen Führer, von einem Kriegsherrn und Befreier, der die Römer ein für alle Mal aus dem Land werfen und Gerechtigkeit üben würde.
Aber Gott sprach von einem »Friedensfürst« (vgl. Jesaja 9,5).
Etwas Neues beginnt